Außerordentliche Kündigung: Sexuelle Belästigung auf einer Betriebsfeier

Weihnachtsfeier

Die außerordentliche Kündigung – oftmals auch als fristlose Kündigung bekannt – ist ein drastischer Schritt, den Arbeitgeber unter bestimmten Umständen ergreifen können. Im vorliegenden Fall war ein Arbeitgeber diesen Schritt gegangen, weil er zu der Überzeugung gelangt war, der betroffene Mitarbeiter habe eine Kollegin auf der Weihnachtsfeier sexuell belästigt. Das Arbeitsgericht Siegburg (3 Ca 387/24) hat den Arbeitgeber hierin nun bestätigt und die außerordentliche Kündigung für wirksam erklärt. Die Entscheidung war bei Redaktionsschluss noch nicht rechtskräftig, da gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden konnte.

Eine Arbeitskollegin hatte dem Kläger vorgeworfen, ihr nachts auf einer Betriebsfeier „einen Klaps auf den Po gegeben“ zu haben. Auf ihre Nachfrage, was dies solle, habe er geantwortet, sie solle dies als Kompliment nehmen. Als sie sich einem sich anschließenden – ihr unangenehmen – Gespräch entziehen wollte, habe er die Kollegin an sich gezogen und an sich gedrückt. Der Arbeitgeber kündigte dem Arbeitnehmer daraufhin außerordentlich.

Aussage gegen Aussage

In Kündigungsschutzverfahren wegen sexueller Belästigungen steht vor Gericht häufig Aussage gegen Aussage. Oft gibt es keine Zeugen, die Aussagen der einen oder anderen Partei bestätigen können. Das Gericht muss dann unter Berücksichtigung des gesamten Verhandlungsinhalts sowie der Ergebnisse einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung entscheiden, ob es eine Behauptung für wahr oder für unwahr erachtet. Am Ende muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, dass eine behauptete Tatsache wahr ist. Hierfür bedarf es laut Paragraf 286 Zivilprozessordnung (ZPO) ein „Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“. Im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht die Aussage der betroffenen Mitarbeiterin vollumfänglich als glaubhaft eingeschätzt und die Kündigung des Klägers als wirksam bestätigt.

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar

Gemäß der für eine außerordentliche Kündigung einschlägigen Norm im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) – Paragraf 626 – ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das bedeutet, eine Kündigungsfrist muss in einem solchen Fall nicht eingehalten werden. Die Kündigung gilt ab deren Ausspruch.

Sexuelle Belästigung als Kündigungsgrund

Ein solcher außerordentlicher Kündigungsgrund kann in einer sexuellen Belästigung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis liegen, denn eine sexuelle Belästigung im Sinne von Paragraf 3 Absatz 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stellt gemäß Paragraf 7 Absatz 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Eine sexuelle Belästigung liegt nach Definition des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, sexuell bestimmte körperliche Berührungen oder Bemerkungen sexuellen Inhalts bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Die sexuelle Bestimmtheit des Verhaltens wird bei der absichtlichen Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale angenommen, da es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre handelt. Bei Handlungen, die keinen konkreten Geschlechtsbezug aufweisen (zum Beispiel Umarmungen), kann sich eine Sexualbezogenheit aus der mit der Handlung verfolgten sexuellen Absicht ergeben. Ob eine solche sexuelle Belästigung den Arbeitgeber im Einzelfall zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist – wie so häufig – abhängig von den Umständen des Einzelfalles und insbesondere vom Umfang und der Intensität der Belästigung.

Interessenabwägung im Kündigungsfall

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Im vorliegenden Fall war das Interesse der Arbeitgeberin, ihre Mitarbeiterinnen wirksam vor sexuellen Belästigungen zu schützen, als hoch zu bewerten. Zudem war das Gericht davon überzeugt, dass der Mitarbeiter sich von seinem Verhalten auch durch die zurückweisende Haltung der Geschädigten nicht habe abbringen lassen und sich aus der Tatsache, dass er alkoholisiert gewesen sei, eine Wiederholungsgefahr ergebe. Dies umso mehr, da er bereits ein halbes Jahr zuvor wegen enthemmten Verhaltens unter Alkoholeinfluss eine Abmahnung erhalten habe. Dass diese formelle Fehler aufgewiesen habe, sei im vorliegenden Fall unerheblich, da sie gleichwohl geeignet gewesen sei, dem Arbeitnehmer als Warnung zu dienen, dass die Arbeitgeberin weitere Verfehlungen dieser Art nicht dulden werde. Zudem kann nach ständiger Rechtsprechung eine Abmahnung bei schweren Pflichtverletzungen entbehrlich sein, sodass es hier auf eine vorherige einschlägige Abmahnung nicht ankam.

Sachverhalt sorgfältig prüfen

Bevor eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wird, muss der Sachverhalt sorgfältig geprüft werden, zumal der Vorwurf – sollte er sich als falsch erweisen –  für den betroffenen Mitarbeiter sehr rufschädigend sein kann. Der Arbeitgeber muss den Vorfall gründlich untersuchen, Gespräche mit allen Beteiligten sowie etwaigen Zeugen führen und gegebenenfalls weitere Beweise sammeln und alles sorgfältig dokumentieren. Zudem muss dem beschuldigten Mitarbeiter – zumindest, falls die Kündigung als Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll – Gelegenheit gegeben werden, sich zu den Vorwürfen im Rahmen einer Anhörung zu äußern. Hierbei ist ihm der konkrete Vorwurf offenzulegen. Zusätzlich muss der Arbeitgeber eine – im Beitrag bereits näher erläuterte – Interessenabwägung vornehmen und etwaige mildere Mittel in Betracht ziehen. Ist der Arbeitgeber diese Schritte gegangen und überzeugt, dass eine sexuelle Belästigung stattgefunden hat, ist sodann die Einhaltung der zweiwöchigen Frist zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung zu beachten. Diese Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt beziehungsweise den Sachverhalt ausermittelt hat.

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Katrin Gratzfeld

Dr. Katrin Gratzfeld ist Rechtsanwältin im Bereich Employment, Pension & Mobility am Düsseldorfer Standort von Taylor Wessing. Sie berät national und international tätige Unternehmen sowie Führungskräfte in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts mit Fokus auf der vertraglichen und tatsächlichen Gestaltung des Einsatzes flexibler Personalreserven sowie Projekten zur Sicherstellung der HR-Compliance.

Antonia Gutsche

Dr. Antonia Gutsche, Rechtsanwältin bei Taylor Wessing in der Praxisgruppe Employment, Pension & Mobility, berät national und international tätige Unternehmen sowie Führungskräfte in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.

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