Besonderheiten bei Betriebsratswahlen in Tendenzbetrieben

Arbeitsrecht

Betriebe und Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend zum Beispiel wissenschaftlichen Bestimmungen dienen, sind sogenannte Tendenzbetriebe. Hierzu gehören auch Universitäten. Auf diese finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes keine Anwendung, „soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht“ (§ 118 Abs. 1 BetrVG).

Betriebsratswahlen auch in Tendenzbetrieben möglich?

Auch in Tendenzbetrieben können Betriebsratswahlen stattfinden und Betriebsräte gegründet werden. Bei den Wahlen gelten grundsätzlich keine Besonderheiten.

Fragen tauchen mitunter bei der Aufstellung der Wählerliste auf. Hier müssen die Arbeitnehmende gekennzeichnet werden, die leitende Angestellte (§ 5 Abs. 3 BetrVG) sind. Insbesondere bei Professoren der Universitäten stellt sich die Frage, ob sie schon aufgrund der Freiheit der Lehre leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG sind. Sie nehmen

  • regelmäßig Aufgaben wahr, die für den Bestand und die Entwicklung der Universität von Bedeutung sind und
  • deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt und
  • sie können die Entscheidungen im Wesentlichen weisungsfrei treffen oder sie maßgeblich beeinflussen.

Für die Beantwortung der Frage, wer also als leitender Angestellter gilt, kommt es im Einzelfall an. Wesentlich ist, wie genau die jeweiligen Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten – insbesondere im Verhältnis zur Hochschulleitung – ausgestaltet sind.

Wo bestehen Mitbestimmungsrechte an Universitäten und wo nicht?

Praktisch bedeutsam wird die Eigenschaft als Tendenzbetrieb nach der Betriebsratswahl für die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat. Die „Eigenartklausel” begrenzt die Beteiligungsrechte des Betriebsrats. Hintergrund ist, dass Tendenzbetriebe auf Grund besonderen Grundrechts- oder anderen Verfassungsschutzes regelmäßig einen zusätzlichen Freiheitsschutz genießen.

Wann die Eigenart des Unternehmens oder Betriebes der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes entgegensteht, bestimmt das Bundesarbeitsgericht (BAG) durch folgende Kriterien:

  1. Die von der fraglichen Maßnahme betroffene Person muss ein „Tendenzträger“ sein.
  2. Die konkrete Maßnahme muss einen „Tendenzbezug“ aufweisen.

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten

Für die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, gelten kaum Besonderheiten. Hier geht es im Wesentlichen um betriebliche Abläufe, bei denen die Tendenz durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht beeinflusst ist.

Uneingeschränkt gelten in Universitäten und anderen Tendenzbetrieben auch die allgemeinen organisatorischen Regelungen über den Betriebsrat. Beispielsweise hat der Betriebsrat weiterhin die allgemeine Aufgabe, die Einhaltung geltender Gesetze und Verordnungen zu überwachen. Es gilt der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und auch die Organisation der Betriebsratswahl bleibt unverändert. Eine Ausnahme besteht nur im kollektiven Beschwerdeverfahren. Hier kann der Betriebsrat nicht die Einigungsstelle anrufen.

Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten

Besonders relevant wird die Eigenschaft als Tendenzbetrieb bei personellen Maßnahmen. Ist ein Tendenzträger betroffen und weist die Maßnahme Tendenzbezug auf, entfällt die Mitbestimmung des Betriebsrats weitestgehend. Das hat beispielsweise zur Folge, dass bei der Einstellung von Tendenzträgern das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nicht gilt. Bei der Kündigung aus tendenzbezogenen Gründen entfällt zudem das Zustimmungserfordernis. Achtung: Das Anhörungs- und Unterrichtungsrecht des Betriebsrats muss dennoch beachtet werden. So sind dem Betriebsrat auch alle Kündigungsgründe, unabhängig vom Tendenzbezug, mitzuteilen. Weitere mitbestimmungsfreie Maßnahmen sind etwa

  • die Gestaltung von Personalfragebögen,
  • das Aufstellen von Auswahlrichtlinien oder
  • die Einführung die Tendenz fördernder Entgeltformen, wie Prämien.

Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Besonderheiten gelten auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Beispielsweise wird in Tendenzbetrieben kein Wirtschaftsausschuss eingerichtet. Dementsprechend findet keine Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten statt.

Auch bei Betriebsänderungen bleibt die Mitbestimmung auf den Abschluss von Sozialplänen beschränkt. Dagegen muss ein Interessenausgleich nicht abgeschlossen beziehungsweise auch nicht versucht werden.

Fazit

Im Ergebnis zeigt sich, dass privatrechtliche Universitäten und Hochschulen auch aus arbeitsrechtlicher Sicht einen besonderen Status genießen. Um die wissenschaftliche Zielsetzung zu fördern, sind die Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats begrenzt. Auch wenn die Modalitäten der Betriebsratswahl und die allgemeinen Aufgaben unverändert bleiben, eröffnen sich vor allem bei personellen Maßnahmen Spielräume. Schwierigkeiten kann dem Arbeitgeber die Bestimmung der Tendenzträgerschaft und des Tendenzbezugs einzelner Maßnahmen bereiten.

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Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Anja Naumann

Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.
Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Maximilian Koschker

Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät Unternehmen in allen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und der zunehmenden Digitalisierung (Arbeitswelt 4.0).

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