Das Körpergewicht ist nicht allein Privatsache, denn es kann unter Umständen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitern haben und mitunter sogar als Behinderung gelten. Worauf Personaler nach der aktuellen Rechtsprechung achten sollten.
Die Weihnachtszeit ist vorbei und hat – wie jedes Jahr – bei vielen zu dem einen oder anderen Pfund mehr auf der Waage geführt. Jetzt quellen Zeitschriften wieder über vor Ernährungstipps und die Menschen haben die Wahl zwischen verschiedensten Diäten: Kohlenhydrate weglassen – mehr Sport! Steinzeiternährung! Ananasdiät! Man will schließlich mit der Mode gehen: Derzeit sind Rubensfrauen out und Modelmaße in. Doch ist das Gewicht tatsächlich noch Privatsache?
Nein, eine aktuelle Studie der Universitäten Potsdam und New York kommt zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass sich bei Frauen Übergewicht negativ auf den Lohnzettel auswirkt und auch die Chance, überhaupt einen Job zu haben, geringer ist als bei normalgewichtigen Frauen. Bei Männern dagegen gibt es den gegenteiligen Effekt – hier wirkt sich Untergewicht negativ aus, während normal- bis übergewichtige Männer mehr verdienen.
Die Studie legt nahe, dass Menschen in der Arbeitswelt allein wegen ihres Gewichts benachteiligt werden. Doch dürfen Arbeitgeber das überhaupt oder haben Übergewichtige einen besonderen Schutz? Diese Frage ist inzwischen auch in der Rechtsprechung angekommen.
Hochaktuell ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Urteil vom 18. Dezember 2014) zur Kündigung eines dänischen Tagesvaters. Mit einen BMI von 54 ist er weit vom Normalgewicht entfernt, das bei Männern mit einem BMI von 20-25 und bei Frauen mit einem BMI von 19-24 angenommen wird. Die gegen ihn ausgesprochene Kündigung empfand der dicke Däne als Diskriminierung wegen seiner Körperfülle – und klagte bis zum EuGH.
Dieser entschied, dass schwere Fettleibigkeit eine Behinderung und damit ein Diskriminierungstatbestand nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sein kann, wenn sie insbesondere über längere Zeit hinweg zu eingeschränkter Mobilität oder Krankheiten führt. Einen bestimmten BMI als Grenze, ab dem Arbeitgeber in Hinblick auf eine etwaige Diskriminierung besonders vorsichtig sein sollten, gibt es nicht – entscheidend ist immer der Einzelfall.
Darauf, ob der Arbeitnehmer durch den Konsum von zu viel Gänsebraten, Punsch und Lebkuchen zu seinem Zustand beigetragen hat, kommt es nicht an. Wie bei jeder anderen Behinderung ist ein Verursachungsbeitrag des Betroffenen irrelevant.
Auch das Arbeitsgericht Darmstadt beschäftigte sich 2014 mit der Frage, ob einer Bewerberin Diskriminierungsschutz wegen ihres (vermeintlichen) Übergewichts zukommt (Urteil vom 12. Juni 2014). Das Gericht sah hier aber keine gewichtsbedingte Behinderung der abgelehnten Bewerberin (die nach eigenen Angaben Kleidergröße 42 trug) und damit auch keinen Diskriminierungsgrund.
Für den Diskriminierungsschutz kommt es nicht auf das subjektive Gefühl des Betroffenen an, zu dick zu sein. Auf einen besonderen Diskriminierungsschutz kann sich nur berufen, wer aufgrund eines starken Übergewichts objektiv Einschränkungen bei der Teilnahme am Berufsleben ausgesetzt ist.
Um jeden Stein des Anstoßes zu vermeiden, sollten Unternehmen und ihre Personalbeauftragten schon im Bewerbungsprozess darauf achten, das Gewicht eines Bewerbers weder in dem Absageschreiben noch in den internen Unterlagen zu erwähnen. Grundsätzlich obliegt es dem betroffenen Bewerber, Indizien darzulegen, die eine Diskriminierung nahelegen. Allein die Darlegung eines gewissen Übergewichts reicht dafür nicht aus. Derartige Indizien können Unternehmen am besten vermeiden, wenn sie die Ablehnung nicht weiter begründen und auch sonst keine Detailinformationen zur Auswahlentscheidung geben.
Auch sind Dicke – anders als dies teilweise in der Tagespresse behauptet wurde – nicht per se unkündbar. Vom Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde bereits 2010 entschieden, dass ein – sogar tariflich Unkündbarer – seinen Job verlieren kann, wenn er diesen infolge extremen Übergewichts nicht mehr ordnungsgemäß ausüben kann (Urteil vom 28. Oktober 2010). Hier ging es um einen Bademeister, der wegen seiner Körperfülle und Folgeerkrankungen nicht mehr in der Lage war, Ertrinkende zu retten. Ein solches Urteil ist auch nach dem neuen EuGH Urteil noch denkbar.
Denn: Wie bei jedem anderen behinderten und nicht behinderten Arbeitnehmer auch kann es im Laufe des Arbeitsverhältnisses dazu kommen, dass die Erfüllung der Aufgaben unmöglich wird – gegebenenfalls auch wegen eines starken Übergewichts. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen kündigen, insbesondere bei erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten. Entscheidend ist jeweils die Kontrollfrage: Wäre auch einem nicht behinderten Menschen in der gleichen Situation gekündigt worden?