Desksharing und die Mitbestimmung des Betriebsrats

Arbeitsrecht

Die Geschäftsräume der beklagten Arbeitgeberin bestanden aus Großraumbüros mit fest zugeordneten Arbeitsplätzen, teilweise mit Trennwänden dazwischen. Nach einem neuen Konzept namens „…spaces“ sollten diese Räume umgestaltet und umdefiniert, insbesondere ein Desksharing und verbunden damit der sogenannte „Clean-Desk“ eingeführt werden. Der Betriebsrat meinte, er habe hierbei mitzubestimmen. Da die Arbeitgeberin dies ebenso ablehnte wie die Einsetzung einer Einigungsstelle (Paragraf 76 Betriebsverfassungsgesetz), beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Einführung und Umsetzung des Planungskonzeptes „…spaces“, insbesondere Desksharing und Clean-Desk-Policy“.

Die Entscheidung

Beim Arbeitsgericht Heilbronn, Kammern Crailsheim, blieb der Betriebsrat erfolglos. Das Gericht sah unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Mitbestimmungsrecht. Eine mitbestimmungspflichtige Frage der betrieblichen Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer (Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 1 Betriebsverfassungsgesetz) sei nicht gegeben. Das mit dem Desksharing verbundene Suchen eines Arbeitsplatzes bei Arbeitsbeginn auferlegt und dessen komplettes Aufräumen bei Beendigung der täglichen Arbeit seien Teile der Arbeitsleistung beziehungsweise hinsichtlich des Aufräumens eine Nebenarbeit. Die Anordnung, die Arbeitsmittel zum Ende des jeweiligen Arbeitstags frei zu räumen, regele den Umgang mit den Betriebsmitteln. Ein Mitbestimmungsrecht nach Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 6 Betriebsverfassungsgesetz (Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen) bestehe nicht, da das vorliegende Konzept kein Buchungstool zur Suche und Buchung eines Arbeitsplatzes beinhalte. Ebenso wenig sei ein Mitbestimmungsrecht nach Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 7 Betriebsverfassungsgesetz gegeben (Regelung über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz). Insoweit fehle es an einer konkreten Gefährdung der Arbeitnehmenden; allein die Einführung des Desksharing führe zu keiner konkreten Gefährdung. Jeder Mitarbeitende habe seine eigene persönliche Ausstattung (Tastatur, Headset, Funkmaus) und die Arbeitsplätze würden täglich gereinigt. Nicht jede abstrakte Gefährdung der Übertragung von Viren anderer Arbeitnehmer berühre das Mitbestimmungsrecht; Indizien, die die abstrakte Gefahr konkret werden ließen, seien nicht ersichtlich.

Das LAG Baden-Württemberg (21 TaBV 7/24) hat der Beschwerde des Betriebsrats gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts nur teilweise stattgegeben.

Ein Mitbestimmungsrecht nach Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 1 Betriebsverfassungsgesetz könne gegeben sein. Insoweit sei die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, so dass sie beschränkt darauf einzusetzen sei. Zwar unterliege nicht die gesamte Einführung und Umsetzung des Planungskonzeptes „…spaces“ der Mitbestimmung, insbesondere nicht das Desksharing an sich und auch nicht die Clean-Desk-Policy. Das Konzept enthalte aber zwei Teilbereiche, für die jeweils die Voraussetzungen der Einsetzung einer Einigungsstelle vorlägen. Dies seien die Themen „Ordnung hinsichtlich von den Arbeitnehmern eingebrachter persönlicher Gegenstände im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung des Planungskonzeptes“ sowie „Ordnung hinsichtlich des Verhaltens auf Flächen mit sogenannten überlagernden Nutzungen im Zusammenhang mit der Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts“. Insoweit sei das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach Paragraf 87 Absatz 1 Nummer 1 Betriebsverfassungsgesetz nicht sofort erkennbar unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen, sondern vielmehr möglich.

Ob das Mitbestimmungsrecht dann bestehe, habe die Einigungsstelle genauer zu prüfen. Jedenfalls beträfen die im Konzept enthaltenen Gestaltungen bzw. dadurch bewirkten Situationen, dass das sogenannte Ordnungsverhalten betroffen sein könne und nicht sofort eindeutig dem Arbeitsverhalten zuzurechnen sei. Das Konzept regele, welche privaten Gegenstände mitgebracht werden dürfen und wie diese vor Beginn und nach Ende der Arbeitszeit im Betrieb aufzubewahren seien, sofern der Arbeitnehmer sie nicht mit nach Hause nehme (Verbot, solche Gegenstände auf dem Schreibtisch, auf Betriebsmöbeln oder auf dem Fußboden des Arbeitsbereichs zu belassen). Dies betreffe zwar das Arbeitsverhalten insoweit, als es sich um eine Weisung handele, dass und wie der Arbeitsplatz aufzuräumen sei. Überdies diene diese Maßnahme auch der Sicherstellung der Reinigung der im Arbeitgebereigentum stehenden Büroeinrichtungen sowie dem Schutz vertraulicher Gegenstände und Informationen. Andererseits steuere die Arbeitgeberin mit der Weisung zum Verbringen von im Betrieb bleibenden Gegenständen auch das Verhalten der Arbeitnehmenden dazu, welche privaten Gegenstände nach Art und Umfang überhaupt noch in den Betrieb mitgebracht werden können. Das erfolge schon durch Art und Größe des Raums, der zur Unterbringung zur Verfügung steht (hier der sogenannte„Locker“). Es sei keineswegs klar, dass die Frage der Unterbringung privater Gegenstände nicht zum Ordnungsverhalten zähle. Selbst wenn man das Freimachen des Arbeitsbereichs einerseits und die Unterbringung der von dort zu entfernenden privaten Gegenstände andererseits als eine einheitliche Anweisung betrachte, liege der Schwerpunkt nicht sofort erkennbar bei der Steuerung des Arbeitsverhaltens. Der Arbeitgeberin gehe es nicht offensichtlich im Schwerpunkt um die Steuerung des Arbeitsverhaltens; vielmehr sei keineswegs ausgeschlossen, dass es ihr um eine darüberhinausgehende Ordnung bzw. Beseitigung einer Unordnung gehe.

Schließlich sei nicht auszuschließen, dass das betriebliche Zusammenleben und das kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer durch überlagernde Nutzung betroffen sei, indem das neue Konzept beispielsweise einen primär zu Pausenzwecken bereit gestellten Raum nicht nur für „Fachgespräche in Kaffeerunde“, sondern für das Arbeiten bestimmte und die Arbeitnehmenden zu dortigen Spontanmeetings ermuntere.

 


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Praxisfolgen

Mobiles Arbeiten und Homeoffice wirken sich auf die Nutzung von Büroflächen aus. Je geringer die Anwesenheit von Mitarbeitenden in den Räumen des Arbeitgebenden ist, umso weniger sind feste Arbeitsplätze erforderlich. Das veranlasst nicht wenige Arbeitgeber dazu, Systeme und Regelungen einzuführen, bei denen sich eine größere Zahl von Mitarbeitenden eine geringere Zahl von Arbeitsplätzen teilt (Desksharing).

Individualrechtlich wird das Desksharing im Regelfall kein Problem darstellen; Arbeitgebende können im Wege ihres Weisungsrechts (Paragraf 106 Gewerbeordnung) einen Arbeitsplatz zuweisen, es besteht üblicherweise kein Anspruch auf einen bestimmten, „eigenen“ Arbeitsplatz. Existiert ein Betriebsrat, stellen sich aber durchaus unterschiedliche mitbestimmungsrechtliche Fragen. Soweit ersichtlich, ist der hier vorgestellte Beschluss des LAG Baden-Württemberg nach der Entscheidung des LAG Düsseldorf (3 TaBVGa 6/17) die zweite zweitinstanzliche Entscheidung zur Thematik. Zwar musste das Gericht nicht alles im Detail prüfen, weil es sich um ein vereinfachtes Verfahren nach Paragraf 100 Arbeitsgerichtsgesetz (Einsetzung Einigungsstelle) handelte, dessen zentraler Maßstab die Frage ist, ob die zur Einsetzung beantragte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (Paragraf 100 Absatz 1 Seite 2 Arbeitsgerichtsgesetz).

Dennoch gibt die Entscheidung wichtige Hinweise darauf, welche Aspekte mitbestimmungsrechtlich eine Rolle spielen können. Danach kommt es auf das konkrete Konzept und dessen Ausgestaltung an, insbesondere ob und inwieweit (nur) das Arbeitsverhalten der Mitarbeitenden oder inwieweit auch das (mitbestimmungspflichtige) Ordnungsverhalten berührt ist. Eindeutig ist aus Sicht des LAG Baden-Württemberg, dass elektronische Buchungssysteme in jedem Fall der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Für eine etwaige Mitbestimmung unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes dürfte es darauf ankommen, ob im Ergebnis einer durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung im Sinne von Paragraf 5 Absatz 1 Arbeitsschutzgesetz konkrete Gefährdungen festgestellt sind, die es zu besorgen gilt.

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Axel J Klasen, Foto: Privat

Axel J. Klasen

Axel J. Klasen ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei GvW Graf von Westphalen.

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