Der Bundesrat hat am 18. Oktober 2024 das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet. Das Gesetzespaket wird größtenteils zum 1. Januar 2025 in Kraft treten und die Digitalisierung von HR-Prozessen vereinfachen. Das betrifft auch den Abschluss von Arbeitsverträgen und Arbeitsvertragsnachträgen.
Hemmnisse für digitale Arbeitsverträge nach aktuellem Recht
Theoretisch können Arbeitsverträge bereits heute in digitaler Form geschlossen werden. Allerdings verpflichtet das Nachweisgesetz Arbeitgeber derzeit noch, jedem Mitarbeitenden ein eigenhändig unterzeichnetes Schriftstück auszuhändigen, in dem die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses niedergelegt sind. Da diese Vertragsbedingungen in der Praxis im Arbeitsvertrag festgehalten werden, unterliegen Arbeitsverträge bislang faktisch einem Schriftformzwang. Dies gilt umso mehr, weil eine in Arbeitsverträgen übliche Regelung, nach der das Arbeitsverhältnis spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet, nach bisheriger Rechtslage ebenfalls nur schriftlich vereinbart werden kann.
Keine eigenhändige Unterschrift
Das vom Gesetzgeber beschlossene BEG IV beseitigt diese Hemmnisse. Eine darin enthaltene Änderung des Nachweisgesetzes (NachwG) wird es Arbeitgebern ab Januar 2025 ermöglichen, den Nachweis der zu dokumentierenden Vertragsbedingungen im Sinne von Paragraf 126b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Textform abzufassen und elektronisch zu übermitteln. Demnach muss eine Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Diese Textform erfordert zudem keine eigenhändige Unterschrift, sondern nur die Benennung der Person des Erklärenden. Auch eine elektronisch qualifizierte Signatur ist nicht erforderlich. Der Textform genügen zum Beispiel E-Mails.
Die Textform darf nach Paragraf 2, Absatz 1 Satz 2 der ab 2025 geltenden Fassung des Nachweisgesetzes jedoch nur unter folgenden Voraussetzungen gewählt werden:
- Das Dokument muss für den Mitarbeitenden zugänglich sein (etwa durch Übersendung an die direkte E-Mail-Adresse des Mitarbeitenden).
- Der Mitarbeitende muss das Dokument selbst speichern und ausdrucken können. Die Sicherheitseinstellungen der übersandten Datei dürfen das Speichern und Ausdrucken des Dokuments also nicht verhindern; darauf sollte insbesondere bei PDF-Dateien geachtet werden.
- Der Arbeitgeber muss den Mitarbeitenden mit der Übermittlung des Dokuments auffordern, einen Empfangsnachweis zu erteilen (etwa per E-Mail).
Darüber hinaus wird für die in Arbeitsverträgen übliche Klausel, dass das Arbeitsverhältnis spätestens mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze endet, ab dem Jahreswechsel ebenfalls die einfache Textform ausreichend sein. Dies sieht Paragraf 41 Absatz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB) in der ab 2025 geltenden Fassung vor.
Verträge als PDF-Datei
Mit diesen Änderungen wird der Weg frei, Arbeitsverträge auch digital abzuschließen. Arbeitgeber können unbefristete Arbeitsverträge ab 2025 elektronisch als PDF-Datei zur Verfügung stellen und zum Beispiel folgende Möglichkeiten eröffnen:
- Unterzeichnung mittels spezieller Programme
- Ausdruck, eigenhändige Unterschrift und Übersendung als eingescanntes Dokument,
- digitale Unterschrift, zum Beispiel auf einem Smartphone.
Da für die Textform keine Unterschriften nötig sind, könnten Arbeitsverträge künftig sogar mit dem Hinweis „ohne Unterschrift gültig“ gänzlich ohne Unterschrift geschlossen werden.
Die Formerleichterungen im neuen Nachweisgesetz gelten auch für die Änderung von Arbeitsbedingungen in bestehenden Beschäftigungsverhältnissen. Änderungs- und Ergänzungsvereinbarungen zu Arbeitsverträgen sind deshalb ab 2025 ebenso in digitaler Form möglich.
Gesetzliche Ausnahmen und Beschränkungen:
- Befristungsvereinbarungen unterliegen nach Paragraf 14 Absatz 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) weiterhin dem Schriftformerfordernis. Eine Ausnahme gilt künftig allein für Befristungen auf das Erreichen der Regelaltersgrenze der Rentenversicherung (siehe oben). Für Arbeitsverträge mit sonstigen Befristungsabreden wird sich ein Vertragsschluss per E-Mail deshalb nicht eignen.
- Auch für die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bleibt die Schriftform nach Paragraf 74 Absatz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) gesetzlich vorgeschrieben.
- Die in Paragraf 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) genannten Branchen (unter anderem Baugewerbe, Gaststättengewerbe, Spedition, Fleischwirtschaft) sind von den Formerleichterungen im neuen Nachweisgesetz ausgenommen.
- Die Niederschrift der wesentlichen Arbeitsbedingungen von Praktikantinnen und Praktikanten bedarf nach Paragraf 2 Absatz 1a NachwG künftig „nur“ noch dann der gesetzlichen Schriftform, wenn das Praktikum nicht dem Mindestlohn unterliegt (Paragraf 1 NachwG).
- Die zum 1. August 2022 in Kraft getretenen Verschärfungen des Nachweisgesetzes sind auch bei Abschluss eines digitalen Arbeitsvertrages zu beachten. Um das Risiko von Bußgeldern zu vermeiden, sollten Arbeitgeber prüfen, ob sämtliche Pflichtangaben des verschärften Nachweisgesetzes in den verwendeten Arbeitsvertragsmustern bereits vorhanden sind.
- Sollte ein Mitarbeitender dies ausdrücklich verlangen, muss der Arbeitgeber diesem nach Paragraf 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG 2025 die Niederschrift über die wesentlichen Arbeitsbedingungen in Schriftform erteilen.
- Für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag verbleibt es nach Paragraf 623 BGB ebenfalls bei der Schriftform.
Verhältnis zu tarifvertraglichen Formregelungen
Findet auf ein Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag Anwendung, kann sich daraus für die Form von Arbeitsverträgen anderes ergeben. Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich und sei anhand nachstehender Beispiele verdeutlicht:
- So gibt zum Beispiel Paragraf 3 Manteltarifvertrag für Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vor, dass der Arbeitsvertrag schriftlich zu vereinbaren ist. Ebenso ist nach Paragraf 2 Absatz 1 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) der Arbeitsvertrag schriftlich abzuschließen.
Solche Tarifvorschriften sind auch künftig von denen einzuhalten, die an diese Tarifverträge gebunden sind. Allerdings wird in der Regel hierin kein konstitutives Formerfordernis im Sinne von Paragraf 125 BGB zu sehen sein, wonach ein Formverstoß zur Nichtigkeit eines solchen Arbeitsvertrags führt. Für die Schriftform des TVöD ist das herrschende Ansicht; mangels gegenteiliger Anhaltspunkte sollte für den genannten Metalltarifvertrag nichts anderes gelten. Etwaige Verstöße sind nicht nach dem Nachweisgesetz zu sanktionieren, sondern nur nach tarifrechtlichen Regelungen, sofern vorhanden.
- Demgegenüber regelt etwa der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen vom 4. September 2013 (MTV Aviation) in seinem Paragraf 2 Absatz 2 Satz 1, dass bei „der Einstellung eines/r Beschäftigten … ein schriftlicher Arbeitsvertrag entsprechend dem Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (NachwG) abzuschließen“ ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich hierbei um eine deklaratorische Regelung, so dass hier ab 2025 elektronische Arbeitsverträge abgeschlossen werden können.
- Ähnlich bestimmt der Bundesrahmentarifvertrag Bau für gewerbliche Arbeitnehmer in seinem Paragraf 2, dass der Arbeitgeber nach Paragraf 2 NachwG die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich festzuhalten hat, wofür ein im Anhang zu diesem Tarifvertrag beigefügter Einstellungsbogen zu verwenden und dem Arbeitnehmer auszuhändigen ist. Hier wird es aufgrund dessen, dass die Baubranche dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz unterfällt und damit die oben genannte Ausnahme von der Neuregelung des Nachweisgesetzes greift, beim bisherigen (strengen) Schriftformerfordernis bleiben.
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