Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 25. Juni 2020 (Az. 8 AZR 145/19) entschieden: Neben Arbeitnehmern haben auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte wie beispielsweise freie Mitarbeiter, die ihr Einkommen überwiegend von einem Arbeitgeber beziehen, einen Anspruch auf Auskunft über den Verdienst ihrer Kollegen des anderen Geschlechts mit vergleichbaren Aufgaben nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG).
Hintergrund:
Nach dem EntgTranspG haben Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten einen individuellen Auskunftsanspruch bezüglich der Entgeltstrukturen im Unternehmen. Sinn und Zweck dieses Anspruchs ist die Verkleinerung der Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern.
Den Auskunftsanspruch nach § 10 EntgTranspG haben nach dem Wortlaut des Gesetzes jedoch lediglich Beschäftigte. Das Gesetz definiert den Kreis der Beschäftigten in § 5 Abs. 2 EntgTranspG. In §5 Abs. Nr. 1 EntgTranspG werden lediglich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genannt. Die Gruppe der arbeitnehmerähnlich Beschäftigten wird nicht explizit genannt.
Der Anspruch auf offizielle Auskunft über den Median der Kollegengehälter ist der erste Schritt, um in einem zweiten Schritt dann möglicherweise einen Ausgleich für den geringeren Lohn erstreiten zu können.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist für die Beklagte – eine Fernsehanstalt des öffentlichen Rechts – seit 2007 als Redakteurin tätig. Zunächst kam sie als Online-Redakteurin auf Grundlage befristeter Verträge zum Einsatz. Seit Juli 2011 befindet sie sich in einem unbefristeten Vertragsverhältnis, nach dem sie „bis auf weiteres“ als freie Mitarbeiterin gemäß einem bei der Beklagten geltenden Tarifvertrag beschäftigt wird und eine Tätigkeit als „Redakteurin mit besonderer Verantwortung“ ausübt.
Aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin (Urteil vom 5. Februar 2019, Az. 16 Sa 983/18) steht fest, dass die Klägerin nicht Arbeitnehmerin im Sinne des innerstaatlichen Rechts ist. Mit Schreiben vom 1. August 2018 begehrte die Klägerin vom Personalrat Auskunft nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG. Dieser antwortete nach Rücksprache mit der Personalabteilung der Beklagten, dass die Klägerin als freie Mitarbeiterin nicht unter das Entgelttransparenzgesetz falle und deshalb keinen Auskunftsanspruch habe.
Entscheidung:
Das BAG sprach der freien Mitarbeiterin einen Auskunftsanspruch bezüglich der Kriterien und des Verfahrens der Entgeltfindung zu. Das BAG stufte die Klägerin als Arbeitnehmerin im Sinne des EntgTranspG ein.
Die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG seien nach Ansicht des BAG weit auszulegen. Dies wird damit begründet, dass es anderenfalls im deutschen Recht an einer Umsetzung der EU-Richtlinie zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt und zur entgeltbezogenen Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer bei gleicher oder als gleichwertig anerkannter Arbeit (2006/54/EG) fehlen würde. Eine – zwingend erforderliche – ausreichende Umsetzung sei bislang weder im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch anderweitig erfolgt. Erst das Entgelttransparenzgesetz enthalte Bestimmungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG zur Entgeltgleichheit gerichtet sind.
Ob tatsächlich ein Anspruch auf Erteilung der Auskunft über das Vergleichsentgelt besteht, entschied das BAG nicht. Es verwies die Sache nun zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück.
Fazit:
Im Ergebnis hat das BAG entschieden, dass die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ in § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG nicht eng im Sinn des Arbeitnehmerbegriffs des innerstaatlichen Rechts, sondern unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG weit auszulegen sind.
Damit ist der Anwendungsbereich des EntgTranspG weiter, als der Wortlaut vermuten lässt. Zukünftig könnten dadurch vermehrt freie Mitarbeiter einen Anspruch nach dem EntgTranspG geltend machen.