EuGH stärkt Rechte von Beamten und Arbeitnehmern in Elternzeit

Arbeitsrecht

Eine vor Elternzeit erfolgte Beförderung, die die Bewährung in einer Probezeit voraussetzt, mit der Begründung rückgängig zu machen, dass die Beamtin während der Probezeit in Elternzeit war, ist nicht mit EU-Recht vereinbar. So entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vor kurzem im Rahmen eines Beamtenverhältnisses und stärkte damit auch die Rechte von Arbeitnehmern der Privatwirtschaft (Urteil, vom 7. September 2017, Az. C-174/16).

Der Sachverhalt

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Beamtin auf Lebenszeit in der Landesverwaltung Berlin, wurde nach Durchführung eines Auswahlverfahrens zur Senatsrätin auf Probe befördert. Erst nach einer zweijährigen Probezeit, die der Bewährung in dem neuen Amt dienen sollte, sollte ihr das Amt auf Lebenszeit übertragen werden (gem. §97 Landesbeamtengesetz Berlin). Die Verlängerung der Probezeit ist ausgeschlossen. Die Klägerin trat ihr neues Amt jedoch nicht an, da sie zunächst schwangerschaftsbedingt erkrankt war und anschließend drei Jahre in Elternzeit ging. Der Dienstherr teilte ihr mit, sie habe die Probezeit nicht erfolgreich absolviert, da sie ihr Amt nicht wahrgenommen habe. Der Klägerin wurde ihr ursprüngliches Amt übertragen. Die Beförderungsstelle wurde neu besetzt. Dagegen wehrte sie sich vor dem Verwaltungsgericht Berlin, das den Fall dem EuGH zu Vorabentscheidung vorlegte.

Die Entscheidung

Der EuGH entschied im Sinne der Klägerin. Die streitgegenständliche Regelung des §97 LBG Berlin verletzte das EU-Recht, da die Vorschrift keine Verlängerung der Probezeit vorsehe – auch nicht für den Fall, dass die Beamtin die ihr zustehende Elternzeit in Anspruch nehme.

Die Regelung sei nicht mit dem Recht von Arbeitnehmern vereinbar, im Anschluss an den Elternurlaub an den früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder eine gleichwertige oder ähnliche Arbeit zugewiesen zu bekommen, sowie die Rechte zu behalten, deren Erwerb zu Beginn des Elternurlaubs bereits begonnen hatte oder sogar abgeschlossen war (§5 Nr.1 und 2 der überarbeiteten Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU über den Elternurlaub (im deutschen Recht umgesetzt als „Elternzeit“).

Die praktische Wirksamkeit („effet utile“) der Richtlinie werde beeinträchtigt, indem die Regelung des Landes Berlin die Beamten davon abhalte, die Elternzeit tatsächlich in Anspruch zu nehmen, weil sie dann den Verlust ihrer Beförderung befürchten müssten.

Es sei auch unerheblich, dass die Klägerin ihr neues Amt tatsächlich noch nicht wahrgenommen hatte. Ausreichend sei, dass sie formal befördert worden war und ihr das Amt im Beamtenverhältnis auf Probe bereits übertragen worden war, bevor sie die Elternzeit antrat. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits schwangerschaftsbedingt erkrankt war, ändere daran nichts.

Es müsse ihr die Anwartschaft auf die Beförderung auf Lebenszeit unter der Bedingung der erfolgreichen Absolvierung der Probezeit erhalten bleiben. Die Zielsetzung der Probezeit, nämlich die Bewährung für das zu übertragende Amt mit leitender Funktion auf Lebenszeit feststellen zu können, rechtfertige die Verletzung der Richtlinie nicht und könne durch andere Maßnahmen erreicht werden. Beispielsweise könne das laufende Beförderungsverfahren aufrechterhalten und während der Elternzeit ruhend gestellt werden, so dass die Probezeit in der erforderlichen Dauer im Anschluss an die Elternzeit fortgesetzt wird. Es sei Sache der Mitgliedstaaten, die Modalitäten des Elternurlaubs, insbesondere die zulässige Dauer, festzulegen. Dabei hätten sie die Möglichkeit, die Belange des Dienstherrn oder Arbeitgebers ausreichend zu berücksichtigen.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil stärkt auch die Rechte von Arbeitnehmern, da die Richtlinie 2010/18/EU nicht nur für öffentliche Arbeitgeber, sondern auch für die Privatwirtschaft gilt. Gehen Arbeitnehmer in Elternzeit, besteht ein Rückkehrrecht auf den letzten Arbeitsplatz. Nur im Ausnahmefall, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass es ihm aus objektiven Gründen unmöglich ist, den Arbeitnehmer auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren zu lassen, darf er dem Arbeitnehmer einen vergleichbaren Arbeitsplatz zuweisen. Ausnahmen aus betrieblichen Notwendigkeiten schließt der EuGH jedoch mit aller Vehemenz aus und schützt Arbeitnehmer somit weitreichend.

Das Urteil zeigt, dass es Arbeitnehmern freistehen muss, die Elternzeit bis zur Höchstdauer zu verlängern, ohne dass ihre Rechte negativ beeinträchtigt werden.

Diese Entscheidung, die zu deutschem Beamtenrecht ergangen ist, dürfte auf ähnlich gelagerte Fälle in der Privatwirtschaft anwendbar sein. Auf die Wartefrist des Kündigungsschutzgesetzes dürfte die Entscheidung nicht übertragbar sein, da die Kündigung des Arbeitgebers zu jedem Zeitpunkt während der Elternzeit ohnehin nach § 18 BEEG ausgeschlossen ist. Die Entscheidung dürfte sich zudem nicht auf befristete Arbeitsverhältnisse, auch nicht mit dem Sachgrund der Erprobung, auswirken. Zeitbefristete Arbeitsverhältnisse enden nach der Rechtsprechung des BAG unabhängig vom zwischenzeitlichen Ruhen des Arbeitsverhältnisses, etwa bedingt durch die Elternzeit. Dasselbe gilt für die befristete Änderung der Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise bei der befristeten Beförderung zum Zwecke der Erprobung. Im Unterschied zum Beamtenrecht besteht hier kein Anspruch bei Bewährung. Die Rechtsprechung zu diesem Thema bleibt jedoch abzuwarten.

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Hannah Kampherm

Hannah-Maria Kampherm

Rechtsanwältin
Osborne Clarke
Hannah-Maria Kampherm ist Rechtsanwältin bei Osborne Clarke.

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