Diese 10 Urteile waren 2024 für HR relevant

Rückblick

1. Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

Es kommt in der Praxis vor, dass Beschäftigte im Zusammenhang mit einer Kündigung arbeitsunfähig werden. Bei Arbeitgebern löst das häufig einen faden Beigeschmack aus und es stellt sich die Frage, ob die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) anerkannt werden muss. Bereits mit dem Urteil vom 8. September 2021 (5 AZR 149/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass die Beweiskraft einer AUB erschüttert sein kann, wenn die bis zum Ende der Kündigungsfrist geltende AUB im zeitlichen Zusammenhang mit der Eigenkündigung eines Beschäftigten eingereicht wird.

In einem aktuellen Urteil konnte sich das Bundesarbeitsgericht nun auch dazu äußern, ob ein zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Arbeitgeberkündigung und einer Arbeitsunfähigkeit den Beweiswert einer AUB erschüttern kann. In dem vom BAG zu bewertenden Fall hatte ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine am 2. Mai 2021 beginnende und einige Tage dauernde AUB vorgelegt. Am 3. Mai 2021 ging dem Arbeitnehmer ein vom Arbeitgeber gefertigtes Kündigungsschreiben zu. Der Arbeitnehmer reichte in der Folgezeit zwei Folgebescheinigungen ein, die insgesamt eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Mai 2021 bescheinigten. Am 1. Juni 2021 trat der, an diesem Tag wieder arbeitsfähige, Arbeitnehmer sein neues Arbeitsverhältnis an. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung für die Arbeitsunfähigkeitszeiten vor dem Ende der Kündigungsfrist, da er den Beweiswert der AUB als erschüttert ansah.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber mit Urteil vom 13. Dezember 2023 (5 AZR 137/23) überwiegend Recht. Die Erfurter Richter hielten zunächst fest, dass Beschäftigte eine von ihnen behauptete Arbeitsunfähigkeit in der Regel mit einer ordnungsgemäßen ärztlichen AUB nachweisen können. Der Beweiswert einer AUB kann jedoch erschüttert werden, wenn ernsthafte Zweifel am Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit bestehen. An der am 2. Mai 2021 beginnenden Arbeitsunfähigkeit hatte das Bundesarbeitsgericht keine ernsthaften Zweifel. Zum Zeitpunkt der Vorlage dieser AUB hatte der Arbeitnehmer noch keine Kenntnis von der beabsichtigten Arbeitgeberkündigung. Eine zeitliche Koinzidenz zwischen Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung bestand folglich nicht.

Anders waren, so das Bundesarbeitsgericht, die beiden anderen AUBs zu bewerten. Entgegen der zweitinstanzlichen Entscheidung bestand nach dem Bundesarbeitsgericht eine zeitliche Koinzidenz zwischen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit. Diese leitete das Bundesarbeitsgericht von der passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum der Kündigungsfrist und dem Umstand, dass der Arbeitnehmer unmittelbar nach der Kündigungsfrist ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen hat, ab. Der Beweiswert der AUBs sei damit erschüttert. Den Arbeitnehmer treffe die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit.

2. Rechtsfolgen von Fehlern im Massenentlassung-Anzeigeverfahren

Ein Fehler in der Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit der nachfolgend ausgesprochenen Kündigungen – oder doch nicht? Zum Jahreswechsel kündigte sich an, dass diese Rechtsfrage beim Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Klärung ansteht. Der 6. Senat des höchsten deutschen Arbeitsgerichts hatte mit seinen Beschlüssen vom 14. Dezember 2023 (zum Beispiel 6 AZR 157/22 (B)) angekündigt, diese Rechtsfrage abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des 2. Senats des BAG beantworten zu wollen. Für einen solchen Divergenzfall ist verfahrensrechtlich ein Anfrageverfahren vorgesehen, um die Einheitlichkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu sichern. Im hier anhängigen Anfrageverfahren hat nun der 2. Senat eine Zwischenetappe eingeleitet und mit dem Beschluss vom 1. Februar 2024 das Anfrageverfahren ausgesetzt (2 AS 22/23), um dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Auslegung und zum Verständnis der zugrunde liegenden EU-Richtlinie vorzulegen.

Hintergrund ist folgender: Wird in einem Betrieb, abhängig von der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer, innerhalb von 30 Kalendertagen eine gewisse Anzahl von Arbeitnehmern entlassen, kann dies dazu führen, dass ein Massenentlassungsverfahren durchzuführen ist. Beispielsweise wird die Durchführung des Massenentlassungsverfahrens erforderlich, wenn in dem Betrieb mehr als 20 Arbeitnehmern beschäftigt werden und in dem Betrieb innerhalb von 30 Kalendertagen mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen werden. Innerhalb des Massenentlassungsverfahrens muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vollständig über die geplanten Entlassungen unterrichten und sich mit ihm beraten. Außerdem muss der Arbeitgeber die Arbeitsagentur über die bevorstehenden Entlassungen mit einer Massenentlassungsanzeige informieren.

Bisher war die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass eine unterbliebene oder eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit der im Zusammenhang mit der Massenentlassungsanzeige ausgesprochenen Kündigungen führt. Die Massenentlassungsanzeige stellte also eine formale Wirksamkeitsvoraussetzung für die mit ihr im Zusammenhang stehende Kündigung dar. Diesen Lösungsweg stellt nun der 6. Senat des BAG infrage und meint, dass hinter der Pflicht zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige gemäß Paragraf 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) lediglich der Zweck stehe, dass die Agentur für Arbeit die Möglichkeit habe, sich auf die höhere Belastung des Arbeitsmarktes aufgrund der vermehrten Entlassungen einzustellen.

Aus der Vorlage des 2. Senats kann außerdem schon entnommen werden, dass der 2. Senat eine differenzierte Position einnehmen möchte. In der Vorlage wird nämlich differenziert, ob die Massenentlassungsanzeige gänzlich unterblieben ist oder „lediglich“ fehlerhaft war. Bei einer ausgebliebenen Massenentlassungsanzeige schlägt der 2. Senat als Lösung vor, dass die Arbeitsverhältnisse erst dann beendet werden können, wenn die Anzeige nachgeholt wurde.

3. Karenzentschädigung bei Wettbewerbsverstoß

Während des laufenden Arbeitsverhältnisses besteht für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ein Wettbewerbsverbot. Ohne die Einwilligung des Arbeitgebers dürfen Beschäftigte also nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden oder ein Konkurrenzunternehmen gründen oder betreiben. Regelmäßig stellt sich auf der Unternehmensseite die Frage, ob das Wettbewerbsverbot auch aufrechterhalten werden kann, wenn der Arbeitsvertrag beendet wird. Ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann zwar mit einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin vereinbart werden. Jedoch sind hierfür die strengen Voraussetzungen der Paragrafen 74 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) einzuhalten. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist daher nur zulässig, wenn es für einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht auf das notwendige Maß begrenzt ist und wenn dem oder der Beschäftigten während der Laufzeit eine Karenzentschädigung in einer gesetzlich vorgesehenen Höhe zugesagt wird.

Größere Flexibilität bei der Gestaltung räumt die Rechtsprechung in der Regel Unternehmen ein, wenn das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit dem Vertretungsorgan – also zum Beispiel bei einer GmbH mit dem Geschäftsführer – abgeschlossen wird. Die aktuellste Möglichkeit, sich zur Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots bei einem Geschäftsführer einer GmbH zu äußern, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Urteil vom 23. April 2024 (II ZR 99/22). In diesem Urteil hat der BGH zu einigen, in der Vergangenheit bereits beantworteten Rechtsfragen seinen Standpunkt nochmals bestätigt und zu einem Aspekt die Gestaltungsmöglichkeiten sogar noch erweitert. Grundlage der Entscheidung der Karlsruher Richter war, dass der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers ein zweijähriges nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorsah. Während der Laufzeit des Wettbewerbsverbots war vorgesehen, dass eine monatliche Karenzentschädigung gezahlt wird. In dem Anstellungsvertrag war aber auch geregelt, dass die Karenzentschädigung vollständig und rückwirkend entfällt, wenn der Geschäftsführer gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot verstößt. Dennoch hat der Geschäftsführer während der Laufzeit des Wettbewerbsverbots eine Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen aufgenommen. Die GmbH verweigerte daraufhin die Zahlung der Karenzentschädigung und forderte von dem Geschäftsführer die Rückzahlung der bereits geleisteten Karenzentschädigung. Nach dem BGH erfolgte dieses Vorgehen zu Recht, da der vereinbarte rückwirkende Wegfall der Karenzentschädigung den Geschäftsführer nicht unbillig belaste. Gegen eine Bewertung als unbillig spreche schon, dass dem Geschäftsführer – wie der BGH in dem Urteil ausdrücklich nochmals bestätigte – bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen werden muss und dass die Höhe einer vereinbarten Karenzentschädigung frei festgesetzt werden kann. Wenn also keine Karenzentschädigung vorgesehen werden muss, kann es auch nicht unbillig sein, wenn sich die Karenzentschädigung rückwirkend aufgrund einer Verletzung des Wettbewerbsrechts reduziert oder sie vollständig entfällt. Gegenüber Geschäftsführern – nicht aber gegenüber Beschäftigten – ist diese Gestaltung zulässig.

4. Kein Verfall von Urlaubsansprüchen

Im Urteil vom 16. April 2024 (9 AZR 165/23) konnte das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zu Erholungsurlaub während einer Elternzeit weiter ausdifferenzieren. Nach dem BAG besteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluss an eine Elternzeit nicht fortgesetzt wird. Dabei können Urlaubsansprüche, die vor Beginn eines mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots nicht vollständig in Anspruch genommen wurden und Ansprüche aus der Elternzeit zur Abgeltung anstehen. Der Verfall von Urlaubsansprüchen mit Ende des Urlaubsjahrs oder spätestens mit Ablauf der ersten drei Monate des Folgejahres gemäß Paragraf 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) ist während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und während der Elternzeit ausgeschlossen.

5. Vergütung für Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten

Häufig besteht Streit darüber, ob Umkleide-, Wege- und Körperreinigungszeiten Teil der vergütungspflichtigen Arbeitszeit sind. In seinem Urteil vom 23. April 2024 (5 AZR 212/23) hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dieser Frage zu beschäftigen. Dabei besteht für das BAG der Ausgangspunkt, dass jede Tätigkeit zu vergüten ist, die Beschäftigte ausüben und die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses des Arbeitgebers dienen. Schreibt der Arbeitgeber also das Tragen von ausschließlich im Betrieb zu tragende Dienstkleidung vor, ist die für das An- und Ablegen erforderliche Zeit vergütungspflichtig. Bei ausschließlich im Betrieb zu tragender Dienstkleidung ist außerdem auch die Wegezeit zwischen Umkleideraum und Arbeitsplatz vergütungspflichtig. Die für die Körperreinigung erforderliche Zeit ist nach dem BAG ferner vergütungspflichtig, wenn eine Körperreinigungspflicht besteht, die entweder der Arbeitgeber angeordnet hat oder die sich aus einer arbeitsschutzrechtlichen Hygienevorschrift ergibt. Schließlich sind die Zeiten, die für die Körperreinigung erforderlich sind, auch dann vergütungspflichtig, wenn die geschuldete Tätigkeit derartige Verschmutzungen mit sich bringt, dass dem Arbeitnehmer ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne vorherige Reinigung nicht zugemutet werden kann. Für die Vergütungspflicht ist dann im Einzelfall nach Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit, der getragenen Arbeitskleidung, dem mit der Tätigkeit verbundenen Verschmutzungsgrad und der daraus erforderlich werdenden Art und Dauer der Körperreinigung zu differenzieren.

6. Abmahnung wegen fehlender Kenntnisnahme von Weisungen per SMS in der Freizeit

Müssen Beschäftigte in ihrer Freizeit Weisungen ihres Arbeitgebers entgegen und zur Kenntnis nehmen? Mit dieser Frage musste sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil vom 23. August 2023 (5 AZR 349/22) beschäftigen. Die zweitinstanzlichen Richter waren zwar noch davon ausgegangen, dass Beschäftigte nicht verpflichtet seien, ihre Freizeit zu unterbrechen, um eine Weisung über die anstehende Arbeitszeit entgegenzunehmen, und tauften dies „Recht auf Unerreichbarkeit“. In der Revisionsinstanz nahm das BAG hingegen an, dass für den Arbeitnehmer eine Nebenpflicht bestand, die Dienstzuteilung zur Kenntnis zu nehmen. Da der Arbeitnehmer dies hier nicht tat und seine Arbeitsleistung zu spät anbot, hatte der Arbeitnehmer keinen Vergütungsanspruch und wurde zu Recht abgemahnt.

7. Zugang eines Einwurf-Einschreibens

Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird eine Kündigung erst wirksam, wenn sie dem Vertragspartner tatsächlich zugeht. Der Zugang ist für die Wirksamkeit der Kündigung daher von elementarer Bedeutung. Ob der Zugang der Kündigung erfolgte, ist regelmäßig Streitthema zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten. In dem Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Juni 2024 (2 AZR 213/23) zugrunde lag, war zum Beispiel fraglich, wann ein Einwurf-Einschreiben zugegangen war. Laut Zustellungsnachweis der Deutsche Post AG wurde das Kündigungsschreiben am 30. September 2021 in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingelegt. Der Arbeitnehmer hatte aber bestritten, dass das Kündigungsschreiben innerhalb der üblichen Postzustellungszeiten zugegangen ist. Die Erfurter Richter entschieden, dass sich der Arbeitgeber in diesem Fall auf den Beweis des ersten Anscheins berufen könne.

Wird das Kündigungsschreiben als Einwurf-Einschreiben von der Deutsche Post AG übermittelt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter der Deutsche Post AG den Zugang des Briefs an dem bestätigten Tag (hier also dem 30. September 2021) und innerhalb der üblichen Postzustellzeiten bewirkt haben. Da der Arbeitnehmer den Beweis des ersten Anscheins hier nicht erschüttern konnte, sei davon auszugehen, dass das Kündigungsschreiben innerhalb der üblichen Postzustellzeiten am durch die Deutsche Post bestätigten Tag zugegangen ist.

8. Annahmeverzugsentgelt: Lohnanspruch nach unwirksamer Kündigung

Ist in einem Kündigungsschutzverfahren festgestellt, dass eine Kündigung unwirksam ist, wird häufig im nächsten Verfahren darüber gestritten, ob und in welcher Höhe der/die Beschäftigte vom Arbeitgeber für die Zeit nach Ende der Kündigungsfrist oder nach Zugang der außerordentlichen Kündigung die Zahlung von Annahmeverzugsentgelt verlangen kann. Der/Die Beschäftigte muss sich gemäß Paragraf 11 Nummer 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) das anrechnen lassen, was er/sie hätte verdienen können, wenn er/sie es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm/ihr zumutbare Arbeit anzunehmen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn dem/der Beschäftigten eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bekannt war oder der Arbeitgeber auf eine solche hingewiesen hat.

Uneinheitlich wird hingegen bewertet, ob es auch als böswillig unterlassener Verdienst gilt, wenn der/die Beschäftigte die Zuleitung von Vermittlungsvorschlägen durch die Agentur für Arbeit verhindert hat und der Arbeitgeber nachträglich Stellenangebote benennt, die während der Zeit, in der der/die Beschäftigte aufgrund der unwirksamen Kündigung als arbeitslos galt, auf dem Internetportal der Agentur für Arbeit gestanden haben sollen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11. September 2024 (4 Sa 10/24) entschieden, dass in einer solchen Konstellation kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes angenommen werden könne. Anders hat diese Frage jedoch noch das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil vom 7. Februar 2024 (5 AZR 177/23) entschieden. Nach dem BAG muss sich der/die Beschäftigte in einem solchen Fall böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen, es sei denn er/sie kann darlegen und beweisen, dass eine Bewerbung auf die vom Arbeitgeber nachträglich benannte Stellenausschreibung erfolglos geblieben wäre. Das BAG begründet diese Sichtweise damit, dass der/die Beschäftigte durch sein/ihr Verhalten gegenüber der Agentur für Arbeit verhindert hat, dass ihm diese Beschäftigungsmöglichkeiten zuvor benannt wurde.

9. Unterlassung eines Präventionsverfahrens

Der besondere Kündigungsschutz schwerbehinderter Beschäftigter beginnt nach Ablauf einer sechsmonatigen Wartezeit und hat zur Folge, dass das Integrationsamt der Kündigung vor dem Ausspruch zustimmen muss. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat mit Urteil vom 12. September 2024 (6 SLa 76/24) entschieden, dass Arbeitgeber bei der Kündigung schwerbehinderter Beschäftigter bereits innerhalb der Wartezeit weitere Besonderheiten zu berücksichtigen haben. Nach dieser Entscheidung führt das Unterlassen eines sogenannten Präventionsverfahrens zur Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Das Präventionsverfahren, das in Paragraf 167 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX geregelt ist, ist vom Arbeitgeber einzuleiten, wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durchpersonen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Schwierigkeiten gefährdet ist. Dabei sind interne und externe Stellen, wie der Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt, einzubeziehen. Ohne vorherige Einleitung eines Präventionsverfahrens soll daher auch eine Wartezeitkündigung schwerbehinderter Beschäftigter unwirksam sein. Das LAG Köln weicht mit dieser Einschätzung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ab. Das BAG hatte mit Urteil vom 21. April 2016 (8 AZR 402/14) entschieden, dass Arbeitgeber während der sechsmonatigen Wartezeit kein Präventionsverfahren durchführen müssen. Die Kölner Richter kritisierten, dass sich aus dem Wortlaut der Norm und aus deren Auslegung kein Anhaltspunkt für die vom BAG angenommene, zeitlich begrenzte Anwendbarkeit ableiten lasse.

10. Spielraum für Betriebsräte bei der Auswahl von Schulungen

Arbeitgeber haben die Kosten für die Schulungen von Betriebsräten gemäß Paragraf 40 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu übernehmen. In 2021 entschied das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf (10 BV 126/21) bereits, dass die Betriebsräte sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen müssen, um Kosten einzusparen. Nun entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit dem Beschluss vom 7. Februar 2024 (7 ABR 8/23), dass sich der Kostenübernahmeanspruch auch auf die Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar erstrecken kann – selbst wenn derselbe Schulungsträger zeitgleich ein inhaltsgleiches Webinar anbietet. Der Betriebsrat hat einen gewissen Beurteilungsspielraum und kann entscheiden, zu welchen Schulungen er die Mitglieder entsendet.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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