Die Beklagte ist eine Gebietskörperschaft. Die Ausschreibung der Stelle als Gleichstellungsbeauftragte erfolgte durch die Beklagte ausschließlich in der weiblichen Form, wobei Zusätze wie „m/w/d“ nicht verwendet wurden.
„Im Kreis D. ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Position der Gleichstellungsbeauftragten unbefristet zu besetzen.“
Die Klagepartei ist intergeschlechtlich, was bedeutet, dass sie von Geburt an weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Seit dem Jahr 2009 gilt die Klagepartei als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50.
Zwischen den Parteien fand ein Vorstellungsgespräch statt, allerdings wurde die Stelle letztlich mit einer anderen Person – einer Frau – besetzt. Mit ihrer Klage macht die Klagepartei eine Entschädigung geltend. Sie begründet dies mit einer Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Rasse beziehungsweise ethnischen Herkunft und ihrer Behinderung.
Die Klagepartei behauptet, die Einladung zum Vorstellungsgespräch sei lediglich pro forma erfolgt. Zu keinem Zeitpunkt sei sie in den Auswahlprozess ernsthaft involviert gewesen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Stellenausschreibung des beklagten Kreises, in der ausschließlich Frauen angesprochen werden, eine Vermutung für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts begründet. Eine etwaige Benachteiligung wegen des Geschlechts kann weder durch die Anforderung der konkreten Tätigkeit noch durch die Vorgaben des aus Sicht der Klägerin verfassungswidrigen Paragraf 2 Absatz 3 Kreisordnung Schleswig Holstein (KrO-SH) gerechtfertigt werden. Die Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft resultiert daraus, dass intergeschlechtliche Menschen als ethnische Minderheit betrachtet werden müssten. Da die Schwerbehindertenvertretung nicht am Vorstellungsgespräch teilgenommen hat, kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht ordnungsgemäß und unmittelbar über die Bewerbung informiert wurde und diese mit ihr nicht erörtern konnte. Des Weiteren wurde die Absage ohne die gemäß Paragraf 164 Absatz 1 Satz 9 Sozialgesetzbuch (SGB) IX geforderte Darlegung der Gründe erteilt. Ferner wurde die vakante Stelle der Bundesagentur für Arbeit nicht gemeldet.
Die beklagte Gebietskörperschaft vertritt den Standpunkt, dass die Klagepartei keinerlei Benachteiligung erfahren habe. Die Klagepartei wurde im Rahmen der Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle nicht weniger günstig behandelt als weibliche Bewerberinnen. Auch wenn die Stelle gemäß Paragraf 2 Absatz 3 KrO-SH nur für Frauen ausgeschrieben wurde, wurde der Klagepartei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass sie wegen ihres Geschlechts beziehungsweise ihrer sexuellen Identität im weiteren Bewerbungsverfahren nicht (mehr) berücksichtigt werden würde. Jedenfalls ist eine unterschiedliche Behandlung gemäß Paragraf 8 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zulässig, da die gesetzliche Grundlage in Schleswig-Holstein in Paragraf 2 Absatz 3 KrO-SH für kommunale Gleichstellungsbeauftragte nur Frauen vorsieht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und der Klagepartei eine Entschädigung in Höhe von 3.500 Euro zugesprochen. Die geltend gemachte Ungleichbehandlung wegen der „Rasse“, der „ethnischen Herkunft“ und der „Behinderung“ wurde als unbegründet erachtet. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Berufung eingelegt.
Die Entscheidung
Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (4 Sa 123 öD/22) blieb ohne Erfolg. Die Tatsache, dass die betreffende Stellenanzeige sich ausschließlich an Frauen richtete, ließe den Schluss zu, dass eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nicht ausgeschlossen werden könne. Die beklagte Gebietskörperschaft vermochte die Vermutung nicht zu widerlegen, da die geschlechtsspezifische Besetzung zumindest Teil des Motivbündels für die Auswahlentscheidung sei. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach Paragraf 8 AGG sei ebenfalls nicht gegeben. Eine generelle Ausschließung von Personen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen (drittes Geschlecht), vom Amt der Gleichstellungsbeauftragten gemäß Paragraf 2 Absatz 3 KrO-SH sei nicht zulässig. Die Auslegung des Paragraf 2 Absatz 3 KrO-SH habe sich an der Verfassung zu orientieren, wobei zu berücksichtigen sei, dass neben Frauen auch diese Personen grundsätzlich als Gleichstellungsbeauftragte in Betracht kämen. Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz (GG) erlaube zwar im binären Verhältnis zwischen Mann und Frau eine kompensatorische Förderung von Frauen, sei jedoch nicht geeignet, auch im Geschlechterverhältnis zwischen Frauen und Personen dritten Geschlechts den Frauen eine günstigere Behandlung zu verschaffen. Das Gericht erachtete ebenso wie das Arbeitsgericht eine Entschädigungssumme in Höhe von 3.500 Euro für angemessen.
Der vorliegende Fall hat mittlerweile das Bundesarbeitsgericht (BAG) erreicht (8 AZR 214/23). In seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2024 hat das BAG das Urteil des LAG Schleswig-Holstein aufgehoben. Die Revision war demnach erfolgreich. Die Gründe hierfür sind bislang jedoch noch nicht bekannt.
Weitere Beiträge zum Arbeitsrecht