Wenn sich ein Arbeitnehmer, der eine Kündigung von seinem Arbeitgeber erhält, gerichtlich gegen diese zur Wehr setzen möchte, ist grundsätzlich Eile geboten. Paragraf 4 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sieht vor, dass der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage „innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung“ beim Arbeitsgericht erheben muss. Erhebt der Arbeitnehmer die Klage zu spät, gilt die Kündigung grundsätzlich nach Paragraf 7 KSchG als von Anfang an wirksam.
Ausnahme bei unverschuldeter Versäumnis der Klagefrist
Es gibt jedoch Fälle, in denen der Arbeitnehmer unverschuldet außerstande ist, diese Drei-Wochen-Frist zu wahren. Geht dem Arbeitnehmer etwa eine Kündigung während eines unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalts zu, wäre es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, wenn die Kündigung wegen der Säumnis der Drei-Wochen-Frist nicht mehr gerichtlich angegriffen werden könnte und damit wirksam wäre. Aus diesem Grund bestimmt Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 KSchG, dass die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auch nachträglich zuzulassen ist, wenn er „trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert“ ist, diese rechtzeitig zu erheben.
Ausnahme bei Nichtkenntnis einer bestehenden Schwangerschaft
Darüber hinaus sieht Paragraf 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine spezielle Ausnahme für schwangere Arbeitnehmerinnen vor. Wird das Arbeitsverhältnis einer Arbeitnehmerin während einer bestehenden Schwangerschaft gekündigt, ohne dass die Arbeitnehmerin zu diesem Zeitpunkt von ihrer Schwangerschaft weiß, und erfährt sie hiervon aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist, ist ihre Kündigungsschutzklage auf Antrag nachträglich zuzulassen.
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Hintergrund dieser Regelung ist, dass die Kündigung einer Frau während ihrer Schwangerschaft grundsätzlich nach Paragraf 17 Absatz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unwirksam ist.
Erlangt die Arbeitnehmerin hingegen während der Drei-Wochen-Frist Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, ist Paragraf 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG wegen seines ausdrücklichen Wortlauts („nach Ablauf der Frist“) nicht anwendbar. Wenn die Arbeitnehmerin in diesem Fall trotz rechtzeitiger Kenntnis von ihrer Schwangerschaft und ihrem damit einhergehenden besonderen Kündigungsschutz erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist Kündigungsschutzklage erhebt, gilt die Kündigung als wirksam und ihre Klage würde abgewiesen.
Bisher ungeklärt war die Frage, wann Kenntnis über die Schwangerschaft im Sinne von Paragraf 5 Absatz 1 Satz 2 KSchG vorliegt. Nach der Rechtsprechung genügen dafür „zwingende Anhaltspunkte“, die das Vorliegen der Schwangerschaft im Zeitpunkt der Kündigung praktisch unabweisbar erscheinen lassen. Ungeklärt war bisher, ob ein privat durchgeführter positiver Schwangerschaftstest eine solche Kenntnis begründet. Diese Frage wurde in einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 3. Mai (2 AZR 156/24) beantwortet. In dem zu entscheidenden Fall hatte eine Arbeitnehmerin circa zwei Wochen nach Erhalt ihrer Kündigung und damit innerhalb der Drei-Wochen-Frist selbst einen Schwangerschaftstest durchgeführt, der positiv war. Den Termin bei ihrem Frauenarzt, bei dem bestätigt wurde, dass sie bereits im Zeitpunkt der Kündigung schwanger war, erhielt die Arbeitnehmerin jedoch trotz sofortiger Bemühungen erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist.
Begründung des Gerichts: Ärztliche Bestätigung entscheidend
Das BAG entschied, dass die Klage der Arbeitnehmerin gegen ihre Kündigung nachträglich zuzulassen ist. Es argumentierte, dass es nicht darauf ankomme, ob die Arbeitnehmerin durch ihren selbst durchgeführten Schwangerschaftstest darüber Kenntnis erlangt habe, dass sie während des Laufes der Drei-Wochen-Frist schwanger gewesen sei. Erforderlich sei vielmehr die positive Kenntnis darüber, dass sie im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits schwanger war. Zu einer solchen zeitlichen Bestimmung sei der selbst durchgeführte Schwangerschaftstest nicht in der Lage, sondern eine solche nachträgliche Feststellung könne erst durch eine frauenärztliche Untersuchung erfolgen. Auch könne der Arbeitnehmerin nicht vorgeworfen werden, dass sich die Feststellung durch ihren Frauenarzt verzögert hätte. Ihre Kündigungsschutzklage wurde daher nachträglich zugelassen. Im Ergebnis war die Kündigung angesichts des besonderen Kündigungsschutzes nach Paragraf 17 Absatz 1 MuSchG unwirksam, da die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung schwanger war.
Das Bundesarbeitsgericht stärkt den Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen, indem es hinsichtlich der Frage, wann diese Kenntnis von ihrer Schwangerschaft haben, einen privat durchgeführten positiven Schwangerschaftstest nicht genügen lässt. Für Arbeitgeber unterstreicht diese Entscheidung einmal mehr, dass sie nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist nicht automatisch davon ausgehen sollten, die von ihnen ausgesprochene Kündigung gelte als wirksam.