Skill-Daten­banken ­rechts­sicher aufbauen

Essay

Zwei wesentliche Faktoren prägen derzeit die HR-Bereiche Recruiting und Personalentwicklung: der Fachkräftemangel und ein sich immer schneller wandelnder Bedarf an Qualifikationen. Einige Unternehmen setzen darum mittlerweile auf Skill-Datenbanken, mit denen einerseits verborgene Talente in der vorhandenen Belegschaft gesichtet und andererseits der aktuelle und künftige Bedarf an Fortbildung und Schulung ermittelt werden sollen.

Andere Unternehmen zögern noch mit der Einführung derartiger Datenbanken mit Blick auf ungeklärte rechtliche Fragestellungen. Doch insbesondere in größeren Unternehmen wird ein effektives Talentmanagement ohne derartige Datenbanken künftig schwer werden. Es gibt aber pragmatische Ansätze, die einen rechtssicheren Aufbau solcher Datenbanken erleichtern:

Funktion von Skill-Datenbanken

Auch wenn es nicht das eine Modell von Skill-Datenbanken gibt, finden sich doch in den meisten Fällen ähnliche Funktionsweisen: Einerseits sollen Beschäftigte mit ihren vorhandenen formalen Qualifikationen und sonstigen Fähigkeiten erfasst werden. Andererseits sind in der Datenbank Qualifikationen hinterlegt, die im Unternehmen benötigt werden. Der Bedarf kann sich entweder aus einer ausgeschriebenen Stelle ergeben oder aus einem Projekt, für das gewisse Profile oder Fähigkeiten benötigt werden.

Im Idealfall kann die Datenbank – automatisiert oder durch manuelle Suche – direkt eine Verknüpfung herstellen und geeignete Kandidatinnen und Kandidaten aus der eigenen Belegschaft für die vakante Stelle oder das Projekt vorschlagen. Alternativ kann die Datenbank Personen identifizieren, die zwar (noch) nicht für die Position qualifiziert sind, aber mit einer Schulung oder Fortbildung infrage kämen. Oder es lässt sich über die Datenbank erkennen, dass bestimmte relevante Qualifikationen oder Profile im Unternehmen nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Hieran kann die Personalentwicklung ansetzen und die benötigten Fähigkeiten aufbauen.

Daten und Datenschutz

Um gute Ergebnisse liefern zu können, benötigt die Datenbank eine umfangreiche und aktuelle Datengrundlage. Hierin liegt die wesentliche praktische und vor allem rechtliche Herausforderung. Informationen über Vakanzen und Projekte sind – bei gut aufgesetztem Reporting – noch verhältnismäßig leicht zu erhalten. Aber nur mit einem Überblick über die vorhandenen Qualifikationen im Unternehmen kann die Skill-Datenbank zu einem effizienten Instrument werden.

Doch jede Erfassung von Qualifikationen in den eigenen Systemen macht eine Datenerhebung oder -verarbeitung erforderlich. Weil personenbezogene Daten betroffen sind, bedarf es einer Grundlage für die Verarbeitung. Der juristisch einfachste Ansatz ist die Einwilligung der Beschäftigten, die zuvor offengelegten Qualifikationen für das Skill Management zu verwenden.

Doch dieser Prozess ist aufwendig und insbesondere in großen Unternehmen aufgrund der Vielzahl der zu befragenden Personen nur schwer zu managen. Insbesondere dürfen die Arbeitgeber nicht einfach die Daten verwenden, die Beschäftigte im Bewerbungsverfahren zu ihren Qualifikationen angegeben haben. Diese Daten könnten ohnehin veraltet sein. Außerdem würde die Einwilligung der Beschäftigten für den konkreten Zweck (Nutzung für die Skill-Datenbank) nicht vorliegen. Sie wäre separat einzuholen und jederzeit widerruflich. Die eingegebenen Daten zu dieser Person wären im Falle des Widerrufs unverzüglich zu löschen. Nicht zuletzt wäre die Einwilligung freiwillig – das heißt, trotz vorheriger Zustimmung könnte eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter jederzeit erklären, nicht mehr in der Datenbank geführt werden zu wollen.

Doch bekanntlich benötigt der Arbeitgeber nicht für jede Datenverarbeitung eine Einwilligung. Ein großer Teil der Daten im Arbeitsverhältnis wird über die gesetzliche Erlaubnis nach Paragraf 26 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verarbeitet. Dessen meist einschlägiger Absatz 1 Satz 1 gestattet allerdings die Datenverarbeitung nur, soweit sie für die Begründung oder Durchführung des Arbeitsverhältnisses notwendig ist.

Ist also die Aufnahme der Beschäftigten in die Skill-Datenbank notwendig? So weit wird man in den meisten Fällen nicht gehen können. Die Berücksichtigung für Vakanzen oder Projekte lässt sich gewiss auch ohne Datenbank gewährleisten. Und Maßnahmen der Weiterbildung sind zwar auch im Sinne der Beschäftigten absolut sinnvoll, doch zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit sind sie üblicherweise nicht erforderlich.

Berechtigtes Interesse an der Einführung?

Ein (möglicher) Ausweg liegt in der Verarbeitung aufgrund der „Wahrung der berechtigten Interessen“ der datenverarbeitenden Stelle, die nach Artikel 6 Absatz 1 lit. f der Datenschutz-Grundverordnung zulässig ist. Hat der Arbeitgeber also ein berechtigtes Interesse an der Einführung und Nutzung der Skill-Datenbanken? Dann dürfte er die hierfür erforderlichen Daten von den Beschäftigten ohne deren Einwilligung erheben.

Im Ergebnis wären Beschäftigte demnach wohl sogar verpflichtet, einer derartigen Datenabfrage nachzukommen. Jedenfalls dürfte der Arbeitgeber bekannte Qualifikationen in die Datenbank einpflegen und diese Daten verwenden. Ob das erforderliche berechtigte Interesse vorliegt, ist anhand einer Interessenabwägung vorzunehmen. Liegt im ersten Schritt ein nachvollziehbarer Anlass für die Datenverarbeitung vor? Das ist aufgrund der eingangs beschriebenen Relevanz der Skill-Datenbanken der Fall. Ist das Interesse aber auch dahingehend berechtigt, dass es gegenüber dem Interesse der Beschäftigten an der „Hoheit“ über ihre Daten überwiegt? Insoweit mag man unterschiedliche Ansichten vertreten.

Die juristische Fachliteratur war bisher eher ablehnend und gewichtete die Interessen der Beschäftigten am Schutz ihrer Daten höher. – Wir plädieren für eine großzügigere Auslegung im Sinne des berechtigten Interesses des Arbeitgebers. Allein die Möglichkeit der Personalentwicklung mag im Sinne der Beschäftigten noch nicht genügen. Ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Möglichkeit einer Höherqualifizierung in Anspruch nehmen will, kann man ihr oder ihm nicht vorschreiben. Doch wie zu Beginn erläutert: Die Skill-Datenbank dient auch und insbesondere dem wirtschaftlichen Gesamterfolg des Unternehmens, nicht nur der Belange der einzelnen Beschäftigten.

Noch darüber hinaus wird ein effektives Talentmanagement perspektivisch, für viele Unternehmen eine Frage der wirtschaftlichen Existenz sein. Weil externes Recruiting immer schwieriger wird, ist die gezielte Identifikation interner Weiterbildungsmöglichkeiten wichtig. Und schließlich ist eine Skill-Datenbank auch im Interesse der Beschäftigten, die keine berufliche Weiterentwicklung im Sinne einer Beförderung anstreben. Aufgrund der Beschleunigung der wirtschaftlichen Transformation gibt es immer weniger Arbeitsplätze, deren Anforderungsprofil über die Jahre unverändert bleibt. Ein Unternehmen, das aktives Skill Management betreibt, beugt einer Situation vor, in der es den Anschluss an die Konkurrenz oder an neue technische Entwicklungen verliert und nur noch mit Restrukturierungsmaßnahme im klassischen Sinne (wie Arbeitsplatzabbau) reagieren kann.

Für eine restriktive Auslegung gegen die Zulässigkeit der Skill-Datenbank besteht in der derzeitigen Arbeitsmarktsituation demnach kein Raum. Den Belangen des Datenschutzes ist durch eine präzise Definition der Auswertungsmöglichkeiten, Zugriffsberechtigungen und Löschkonzepte Rechnung zu tragen.

Den Betriebsrat einbeziehen

Wenn ein Unternehmen eine Skill-Datenbank einführen will – ob freiwillig nutzbar oder verpflichtend –, wird es um eine Beteiligung des Betriebsrats nicht herumkommen. Als Instrument der Personalplanung und Auswahl von Beschäftigten sind in aller Regel Beteiligungsrechte nach Paragraf 92 ff. des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten. Auch die „echte“ Mitbestimmung nach Paragraf 87 des Betriebsverfassungsgesetzes wird oft einschlägig sein. Damit benötigt das Unternehmen die Zustimmung des Betriebsrats, bevor die Skill-Datenbank für die Auswertung der vorhandenen Qualifikationen eingesetzt werden darf.

Mitbestimmt ist in diesem Falle „nur“ die Frage der Datenerhebung und -verarbeitung. Insbesondere die grundsätzliche Frage, ob eine Datenbank eingeführt werden soll, steht im Mitbestimmungsverfahren nicht zur Diskussion. Wie bei anderen IT-Systemen begegnen Betriebsräte Skill-Datenbanken mitunter mit erheblichen Vorbehalten. Neben der üblichen Sorge vor einer unverhältnismäßigen Überwachung der Beschäftigten wird offenbar ein Druck auf die Beschäftigten zur Weiterbildung erwartet beziehungsweise wird befürchtet, Beschäftigte, die sich nicht einbringen, hätten irgendwann das Nachsehen. Sehr wünschenswert wäre es, wenn Betriebsratsgremien die Chancen von Skill-Datenbanken für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkennen würden.

Eine gründliche Konzeption mit sorgfältiger Definition der Datenerhebung und Zugriffsberechtigung ist gewiss wichtig. Es ist nachvollziehbar, wenn der Betriebsrat hierauf ein Auge haben will, und es entspricht seiner gesetzlichen Aufgabe. Gleichzeitig sollte er aber Führungskräfte und Beschäftigte bei dem Ziel unterstützen, mit der Einführung einer Skill-Datenbank individuelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren und zu realisieren.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Skills. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Christoph Seidler

Osborne Clarke
Christoph Seidler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke in Hamburg. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in betriebsverfassungs-rechtlichen Fragen, insbesondere im Kontext von New Work und Arbeitsrecht 4.0.

Sophie Ninnemann

Sophie Ninnemann ist Anwältin in der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei Osborne Clark in Hamburg. Sie berät sowohl zu individualrechtlichen als auch kollektivrechtlichen Fragen des Arbeitsrechts.

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