Trotz jahrelanger Diskussionen um eine familienfreundlichere Gesetzgebung steht die Umsetzung der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1158) in Deutschland weiterhin aus. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition sah zwar die Einführung der sogenannten Familienstartzeit vor, die ähnlich wie der „EU-Vaterschaftsurlaub“ ausgestaltet sein sollte, doch ist man über einen Gesetzesentwurf nicht hinausgekommen. Der neue Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode hat eine Weiterentwicklung des Elterngeldes zum Ziel, die mehr Anreize für mehr Partnerschaftlichkeit, insbesondere mehr Väterbeteiligung in alleiniger Verantwortung, schaffen soll. Dies soll durch erhöhte Lohnersatzraten und eine veränderte Anzahl und Aufteilung der Bezugsmonate des Elterngeldes erfolgen.
Gerichtsurteil zur Umsetzung: Entscheidung des LG Berlin II
Trotz der aktuellen Gesetzeslage hat nun das Landgericht Berlin II am 01. April 2025 (Az. 26 O 133/24) entschieden, dass die Richtlinie hinreichend umgesetzt sei und die Klage eines Vaters auf Schadensersatz abgelehnt, der nach der Geburt seines Kindes Urlaub nehmen musste und keinen „Vaterschaftsurlaub“ nehmen konnte. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, da der Prozessvertreter des Klägers nach eigenem Bekunden Berufung eingelegt hat.
Hintergrund der Klage und europarechtlicher Rahmen
Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie sieht eine zehntägige vergütete Freistellung für den Vater oder für den zweiten Elternteil nach der Geburt des Kindes vor. Die Vergütung muss mindestens der Höhe des Krankengeldes entsprechen. Deutschland hat abweichende Regelungen zur Elternzeit getroffen. Der klagende Vater ist der Meinung, dass dies unzureichend sei und hat wegen der fehlenden Umsetzung auf Schadensersatz geklagt. Auch die EU-Kommission hat inzwischen wegen der fehlenden Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Argumentation des Gerichts
Das Landgericht Berlin II bewertet die Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie durch Deutschland dagegen mit der Begründung als ausreichend an, dass die Vereinbarkeitsrichtlinie gemäß Artikel 20 Absatz 6 eine Berücksichtigung bereits bestehender Regelungen zu Elternurlaub zulasse. Nach Artikel 20 Absatz 7 könne eine nationale Regelung berücksichtigt werden, wonach jedem Elternteil bei Inanspruchnahme von mindestens sechs Monaten Elternzeit eine Vergütung von mindestens 65 Prozent des Nettoeinkommens zusteht. Diese Voraussetzung sei in Deutschland erfüllt. Nach Auffassung des Landgerichts Berlin II können Väter nach aktueller Rechtslage – sofern keine einvernehmliche Aufteilung der grundsätzlich zwölf Monate Elterngeld erfolgt – bis zu sieben Monate Elterngeld erhalten und zusätzlich zwei Wochen Elternzeit beantragen. Dies ergibt sich laut Urteil aus Paragraf 5 Absatz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), der die Aufteilung des Elterngeldanspruchs bei fehlender Einigung zwischen den Eltern regelt. Die Vorschrift gewährleistet, dass jedem Elternteil bis zur Hälfte der insgesamt verfügbaren Monate zusteht. Demnach kann der Vater einen Anspruch auf sieben Monate Elterngeld geltend machen. Nach Ansicht des Landgerichtes Berlin II sei daher zur Umsetzung der Vereinbarkeitsrichtlinie kein zusätzlicher zweiwöchiger, bezahlter Vaterschaftsurlaub direkt nach der Geburt erforderlich.
Lesen Sie auch:
-
Abgelehnter Vaterschaftsurlaub: Vater klagt auf Schadensersatz
-
Teilzeitansprüche: Was Arbeitnehmer und Arbeitgeber wissen müssen
Diese rechtliche Würdigung der derzeitigen Gesetzeslage in Deutschland ist jedoch nicht nachvollziehbar. Zwar besteht für Väter in Deutschland die Möglichkeit, Elternzeit für zwei Wochen zu beantragen, jedoch erhalten sie dafür kein Elterngeld, weil dafür eine Beantragung einer Elternzeit von mindestens zwei Monaten erforderlich ist.
Damit geht diese Regelung insoweit am Sinn und Zweck der Vereinbarkeitsrichtlinie vorbei. Diese soll es gerade auch beruflich stark eingebundenen Vätern ermöglichen, in der wichtigen Zeit direkt nach der Geburt mit einem Anspruch auf Bezahlung für nur zwei Wochen bei ihrem Kind zuhause zu bleiben, wenn aus beruflichen Gründen eine zweimonatige Elternzeit nicht möglich ist.
Ausblick: Warten auf Reform oder Berufung
Frisch gebackene Väter müssen in Deutschland daher weiterhin abwarten, wie die beabsichtigte Weiterentwicklung der Elternzeit in der neuen Legislaturperiode ausgestaltet oder die Entscheidung in dieser Rechtssache in der nächsten Instanz ausfallen wird.
