Viele Arbeitsverträge enthalten eine Klausel, die Beschäftigte bezüglich aller internen Vorgänge beim Arbeitgeber zum Stillschweigen verpflichtet, dies auch zeitlich unbegrenzt über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2024 (8 AZR 172/23) entschieden, dass eine solche Arbeitsvertragsklausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt und daher unwirksam ist.
Die Parteien stritten seit 2019 um die Untersagung der Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie um daraus erwachsenden Schadensersatz. Laut Urteil des BAG handelt es sich bei der Klägerin um „eine führende Herstellerin von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke sowie des dazu passenden Verpackungsmaterials“. Die Klägerin war zuvor schon mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Weitergabe von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Köln gescheitert. Sie verfolgte den Anspruch dann aber gleichwohl im Hauptsacheverfahren weiter. Das Arbeitsgericht Aachen wies diese Klage ab und auch das LAG Köln, diesmal eine andere Kammer als im Verfahren über die einstweilige Verfügung, wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Das BAG bestätigte die Berufungsentscheidung, die Arbeitgeberin scheiterte mit seiner Klage also klar in allen drei Instanzen.
Informationen nicht angemessen gesichert
Die strittige mit „Geheimhaltung“ bezeichnete Klausel des Arbeitsvertrages lautete: Herr X „wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrags.“
Nachdem der beklagte Arbeitnehmer 2017 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden und zu einem Hauptkunden der klagenden Partei gewechselt war, erfuhr diese im Oktober 2018, dass er unter Verwendung eines Pseudonyms im Jahr 2015 dreimal Unterlagen der Klägerin mit technischen Daten per E-Mail an eine damalige Konkurrentin versandt hatte. Eine von ihr geforderte Unterlassungsverpflichtungserklärung verweigerte der Beklagte, so dass die Arbeitgeberin klage erhob.
Obwohl der ehemalige Arbeitnehmer ersichtlich mehr als bedenklich gegen die Interessen seiner Arbeitgeberin gehandelt hatte, musste das BAG dem Kläger den begehrten Schutz in der letzten Instanz mit den folgenden Gründen verweigern:
Der Sachverhalt fiele zum einen zwar schon in den Anwendungsbereich des mit dem 26. April 2019 in Kraft getretenen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Dieses Gesetz vermittelt jedoch einen Unterlassungsanspruch nur dann, wenn der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen zum Schutz dieser Information unternommen hat. Dies war auch aus Sicht des BAG bei der Klägerin klar zu verneinen. Die von ihr vorgetragenen Sicherungsmaßnahmen technischer und organisatorischer Art seien gerade auch im Hinblick auf den von der Klägerin behaupteten wirtschaftlichen Wert der Informationen und ihrer Markstellung nicht als angemessen zu bewerten. Die Klägerin hat sich darauf beschränkt, nur ganz pauschal zu angeblichen IT-Sicherheitsmaßnahmen und sonstigen technischen Sicherungsmaßnahmen vorzutragen. Das BAG bestätigte, dass ein derart undetaillierter Vortrag nicht ausreiche.
Klausel zu weit gefasst
Das BAG bestätigte zum anderen die Auffassung der Instanzgerichte, wonach die vertragliche Geheimhaltungsklausel darüber hinaus aber auch unwirksam formuliert sei. Es handele sich bei der Klausel um eine zu unbestimmte, sogenannte Catch-all-Klausel, der auch im Wege der Auslegung nicht zu entnehmen sei, welche Geschäftsgeheimnisse erfasst sein sollen. Zudem soll die Geheimhaltungsverpflichtung dann auch noch zeitlich und inhaltlich unbegrenzt nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers fortwirken. Dies schränke die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers ein. Die Klausel sei außerordentlich weit gefasst und würde daher einem Arbeitnehmer die Nutzung seines Wissens bei einem neuen Arbeitgeber in einer adäquaten Position für letztlich unbegrenzte Zeit unmöglich machen.
Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht könne daher nur wirksam sein, wenn es ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers am Schweigen des Arbeitnehmers in Bezug auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse gebe. Wenn die klagende Partei dies nicht eingrenzen konnte oder wollte, hätte sie die Möglichkeit gehabt, mit dem Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gemäß Paragraf 74 folgende des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu vereinbaren. Dieses hätte allerdings auf eine Dauer von maximal zwei Jahren begrenzt und für den Verzicht auf die Verwertung seines Wissens in Gestalt einer Karenzentschädigung für diesen Zeitraum einen angemessenen finanziellen Ausgleich vorsehen müssen.
Empfehlungen für Arbeitgeber
Obwohl sich auch die Rechtsprechung immer restriktiver zeigt, finden sich in vielen Vorlagen für Geheimhaltungsklauseln ersichtlich unwirksame Formulierungen. Es ist davon auszugehen, dass dementsprechend mehrheitlich in Arbeitsverträgen unwirksame Regelungen enthalten sind, auf die sich Arbeitgeber im Ernstfall nicht mit Erfolg berufen könnten. Gerade Unternehmen, die tatsächlich relevante Geschäftsgeheimnisse zu schützen haben, sollten hier eine große Sorgfalt an den Tag legen. Der Zeitaufwand dafür wird sich auszahlen.
Seit dem 26. April 2019 ist das GeschGehG in Kraft und seither müssen Arbeitgeber, die Geschäftsgeheimnisse zu schützen haben, angemessene technische und organisatorische Schutzmaßnahmen ergreifen. Tun sie das nicht, riskieren sie, dass sie die über das GeschGehG geregelten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht gerichtlich durchsetzen können. Es liegt auf der Hand, dass dies eine erhebliche Gefahr für den wirtschaftlichen Erfolg, ja sogar die Existenz eines Unternehmens bedeuten kann.
Zu den organisatorischen Schutzmaßnahmen gehören vor allem vertragliche Sicherheitsvorkehrungen, hier in erster Linie eine sorgsam formulierte Geheimhaltungsklausel. Sie sollte den Arbeitnehmer konkret darüber informieren, welche Informationen der Arbeitgeber als Geschäftsgeheimnis betrachtet. Daneben können gesonderte Geheimhaltungsvereinbarungen getroffen werden, die ergänzend wirken. Auch können Weisungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des Geheimnisschutzes ergehen. Enthält ein geschlossener Arbeitsvertrag die rechtssichereren Formulierungen noch nicht, sollte der Arbeitgeber versuchen, mit den Beschäftigten eine Ergänzungsvereinbarung abzuschließen, die die alte unwirksame Regelung aufhebt und durch gut durchdachte Geheimhaltungsklauseln ersetzt.
Wie die BAG-Entscheidung zeigt, ist Sorgfalt gerade auch auf die Formulierung der nachvertraglichen Geheimhaltungsverpflichtung zu verwenden. Es ist sicher anzuraten, dass diese Verpflichtung auf maximal zwei Jahre begrenzt wird. Es sollte explizit auch die Verwertung von Geschäftsgeheimnissen zu eigenen Zwecken, etwa für eine selbständige Tätigkeit, untersagt sein. Die von der Rechtsprechung für erforderlich gehaltene Eingrenzung auf einzelne Geschäftsgeheimnisse wird schwierig umzusetzen sein. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wird es kaum in Betracht kommen, schon an das Ausscheiden zu denken und den Geheimschutz auf bestimmte Informationsfelder zu begrenzen. Jedoch könnte ein Ausweg darin liegen, mit dem Arbeitnehmer zum sich ankündigenden Ende des Arbeitsverhältnisses eine Ergänzungsvereinbarung zur Anpassung des nachvertraglichen Geheimhaltungsverbots zu treffen. Es wird in diesem Stadium klar sein, zu welchen Informationen der Mitarbeiter überhaupt konkret Zugang hatte, was eine Eingrenzung möglich machen sollte. Dazu oder zumindest hilfsweise empfiehlt sich auch ein – zu protokollierendes – Exit-Gespräch, in dem der Arbeitnehmer auf die identifizierten, besonders geheimhaltungsbedürftigen Informationen ausdrücklich hingewiesen wird.
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Die Anforderungen an die angemessenen technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen richten sich auch nach der Größe des Unternehmens und seiner Marktstellung. Nicht alle idealen Maßnahmen lassen sich von jedem Arbeitgeber umsetzen und die Gerichte schauen auch auf die Umstände des Einzelfalls. Dennoch muss jeder Arbeitgeber für sich prüfen, was dem effektiven Geheimschutz in seinem Unternehmen dienlich und umsetzbar ist. Einige Maßnahmen seien hier zur Sensibilisierung und Orientierung, also nicht mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, genannt:
- Implementierung einer IP- und Geheimnisschutz-Compliance
- Need-to-know-Prinzip: Begrenzung des berechtigten Personenkreises
- IT-Sicherheitsrichtlinien und technischer Schutz der IT-Infrastruktur
- Regelmäßige Selbstkontrolle auf Schutzlücken
- Verschlüsselungstechniken
- Regelmäßige Personalschulungen
- Einzelfallschutzmaßnahmen bei Transaktionen für die Due-Diligence-Prüfung
- Geheimschutzmaßnahmen (zum Beispiel NDA) auch im Verhältnis zu Externen, bspw. Subunternehmern, Lieferanten und sonstigen Kooperationspartnern
Last but not least: Für jeglichen Rechtsstreit muss der Arbeitgeber die ergriffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen im Einzelnen darlegen und beweisen können. Auch diese Dokumentation ist ein essenzieller Schritt zum effektiven Geheimnisschutz, die die Mühe mehr als wert ist.