Der kollektive Rücktritt des Betriebsrats bei Playmobil wanderte vor ein paar Wochen durch die Presse. Ein Unternehmen, das weltweit für Kreativität und Innovationskraft bekannt ist, sieht sich plötzlich mit einer betriebsinternen Krise konfrontiert – vermeintlich ein Paukenschlag. Dabei steht Playmobil nur stellvertretend für ein zunehmendes Phänomen: Betriebsräte geraten immer häufiger in Konflikte, die nicht nur ihre eigene Handlungsfähigkeit beeinträchtigen, sondern auch die Arbeitsatmosphäre im gesamten Unternehmen belasten können.
Dem Betriebsratsgremium steht es nach Paragraf 13 Absatz 2 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) grundsätzlich frei, mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder seinen Rücktritt zu beschließen. Die Gründe für einen solchen Rücktrittsbeschluss spielen dabei keine Rolle. Sie lassen sich auch nicht vor Gericht überprüfen. Der Beschluss gilt auch für die Betriebsratsmitglieder, die gegen den Rücktritt gestimmt haben, sowie für die Ersatzmitglieder; diese rücken in solch einem Fall nicht nach. Bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats bleibt der zurückgetretene Betriebsrat im Amt und führt bis dahin die Geschäfte weiter (§ 22 BetrVG). Er muss allerdings unverzüglich einen Wahlvorstand für eine Neuwahl bestellen. Bis ein neuer Betriebsrat gewählt ist, dauert es im Regelfall mindestens zehn Wochen.
Der kollektive Rücktritt ist von dem Fall zu unterscheiden, dass alle Betriebsratsmitglieder ihr Amt niederlegen. Mit einer einheitlichen Amtsniederlegung ist die Amtszeit des Betriebsrats beendet; die Weiterführung der Geschäfte bis zur Neuwahl eines Betriebsrats ist dann nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27. August 1996 ausgeschlossen (3 ABR 21/95).
Die Gründe für einen Rücktritt oder eine geschlossene Amtsniederlegung können vielfältig sein. Erfahrungsgemäß führen unüberbrückbare Differenzen innerhalb des Gremiums, der Verlust des Vertrauens der Belegschaft, Gesetzesverstöße, Überforderungen, gesundheitliche Probleme wichtiger Mitglieder, negativer Einfluss durch Gewerkschaften oder inakzeptable Strategieziele des Unternehmensmanagements dazu. Der Rücktritt wird in der Praxis auch für die Fälle genutzt, wenn der Betriebsrat ansonsten wegen Pflichtverstößen durch ein Gerichtsverfahren nach Paragraf 23 BetrVG aufgelöst werden würde. Um dieser Entscheidung des Gerichts auszuweichen und sich in ein Betriebsratsamt bei einem neu gewählten Betriebsrat zu „flüchten“, ist dies ein gangbarer Schritt.
Die gleichen Gründe können auch eine Amtsniederlegung auslösen. In der Praxis erfolgen die Amtsniederlegungen beispielsweise als Protest gegen Managemententscheidungen, mangelnde Unterstützung und Kooperation innerhalb des Gremiums und in der Zusammenarbeit mit dem Management oder ablehnende und kritische Haltung der Belegschaft gegenüber dem Gremium oder einzelner Betriebsratsmitglieder.
Interessen der Belegschaft wahren
Vor diesem Hintergrund kommt es in der Praxis wesentlich darauf an, direkt von Beginn der Bestellung eines neuen Betriebsratsgremiums an, die Grundlagen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen – und sodann im Laufe der Zeit aufrechtzuerhalten. Gelingt dies nicht und kommt es zu einem Rücktritt oder einer Amtsniederlegung, sollte auch im Interesse der Belegschaft das Ziel verfolgt werden, neue Kandidaten zur Wahl zu motivieren, um die Wahrscheinlichkeit einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen dem neuen Betriebsrat und dem Management zu erhöhen.
Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ist für das Unternehmen nicht nur von wirtschaftlichem Interesse, sondern auch bereits vom Gesetzgeber vorgegeben (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Es ist keineswegs nur ein Appell, sondern konkretisiert den Grundsatz von Treu und Glauben. Auch wenn die Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrat in der Praxis gegensätzlich sein können, sollen sie zum Wohl der Mitarbeiterschaft und des Betriebs zusammenarbeiten.
Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit begründet daher Verhaltens- und Nebenpflichten sowohl bei der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte als auch bei der Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten. So darf der Arbeitgeber nicht allein die Interessen des Betriebs oder seine persönlichen Interessen verfolgen. Der Betriebsrat darf seine Amtsführung nicht ausschließlich auf die Interessen der Belegschaft ausrichten. Ehrlichkeit und Offenheit, aber vor allem auch Integrität und Glaubwürdigkeit auf beiden Seiten sind die Schlüssel dazu, Eskalationen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zu vermeiden. Die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist ernst zu nehmen und ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe zu pflegen.
Kooperation statt Konfrontation
Besteht ein Betriebsrat im Betrieb, sind Unternehmen und Betriebsrat letztendlich aufeinander angewiesen. Der Fokus der Zusammenarbeit sollte daher immer auf der vorausschauenden Vermeidung von Konflikten liegen. Treten dennoch konkrete Differenzen zu Tage, hilft es, nach gemeinsamen Berührungspunkten Ausschau zu halten, um aus einer gegenseitigen Annäherung eine Übereinstimmung zu erzielen.
Die betriebliche Mitbestimmung sollte Teil der Führungsstrategie des Unternehmens sein. Sie sollte neben dem Tagesgeschäft auch auf Langfristigkeit ausgelegt sein, damit das Unternehmen nicht von den Mitbestimmungspflichten überrollt wird und letztendlich vom Betriebsrat fremdbestimmt wird. Hier ist auf Seiten des Unternehmens auch für eine Informationskultur im Sinne eines kontinuierlichen, aktiven und vor allem transparenten Austausches zu sorgen.
Eine Kooperation und aktive Gestaltung der Arbeitsbedingungen gemeinsam mit dem Betriebsrat kann für Ruhe und Struktur im Betrieb sorgen. Zahlreiche Themen lassen sich einfacher kollektiv für die Belegschaft regeln, wenn der Betriebsrat für sie eintritt.
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Nach der BR-Wahl ist vor der BR-Wahl
Die nächsten regelmäßigen Betriebsratswahlen stehen vom 1. März 2026 bis zum 31. Mai 2026 an. Mit den Vorbereitungen für eine rechtssichere Wahl kann nicht früh genug begonnen werden. Wie sehr es im Interesse aller Beteiligen ist, eine ordnungsgemäße und damit rechtssichere Betriebsratswahl durchzuführen, zeigt der Fall Playmobil in besonderem Maße. Das laufende Anfechtungsverfahren gegen die Betriebsratswahl 2022 hat, so war es Presseberichten zu entnehmen, die Betriebsratsmitglieder bei Playmobil offensichtlich besonders strapaziert. Die ständige Unsicherheit, ob die Wahl überhaupt Bestand hat, dürfte damit letztendlich mit ausschlaggebend für den kollektiven Rücktritt gewesen sein.
Das Anfechtungsverfahren bei Playmobil ist nun gegen den zurückgetretenen Betriebsrat fortzusetzen, bis ein neuer Betriebsrat gewählt ist. Der Zeit- und Kostenfaktor eines Anfechtungs- oder Nichtigkeitsverfahrens gegen eine Betriebsratswahl ist insbesondere auf der Unternehmensseite immens. Es liegt deshalb auch im ureigenen Interesse des Unternehmens ein solches Verfahren zu vermeiden.
Wird direkt zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Betriebsratsgremium eine offene, vertrauensvolle Verhandlungskultur geschaffen und werden die Beratungs- und Verhandlungsabläufe im Vorhinein festgesetzt, wirkt sich dies maßgeblich auf eine erfolgreiche, konstruktive Zusammenarbeit aus. Dem Unternehmen verschafft dies letztlich einen klaren Wettbewerbsvorteil und kann auch seine Attraktivität stärken.