Das Einwurf-Einschreiben ist eine besondere Form des Einschreibens, die von der Deutschen Post AG angeboten wird. Im Gegensatz zum „normalen“ Einschreiben ist beim Einwurf-Einschreiben keine Unterschrift des Empfängers nötig. Vielmehr wird die Sendung in dessen Briefkasten eingelegt. Zuvor entfernt der mit der Zustellung betraute Postbote das Abziehetikett, das zur Identifizierung der Sendung dient, und klebt es auf den so vorbereiteten, auf die eingeworfene Sendung bezogenen Auslieferungsbeleg. Auf diesem dokumentiert er die Zustellung durch seine Unterschrift und die Datumsangabe.
In der Rechtsprechung war bisher umstritten, ob ein Arbeitgeber ein wichtiges Schriftstück (zum Beispiel eine Kündigung) als Einwurf-Einschreiben gerichtsfest zustellen kann. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) höchstrichterlich entschieden, dass der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang des Schreibens beim Empfänger innerhalb der üblichen Postzustellzeiten spricht, wenn der Arbeitgeber neben dem Einlieferungsbeleg auch die Reproduktion des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Zustellers vorlegt.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über den Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung. Der beklagte Arbeitgeber hatte das Kündigungsschreiben, mit dem er gegenüber der Klägerin eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2021 erklärte, am 29. September 2021 als Einwurf-Einschreiben in einer Postfiliale aufgegeben. Ausweislich des Auslieferungsbelegs war das Schreiben am 30. September 2021 in den Briefkasten der Klägerin eingelegt worden. Die Klägerin bestritt, dass das Schreiben zu den üblichen Postzustellzeiten in ihren Briefkasten eingelegt wurde. Mit der Entnahme sei deshalb nicht mehr am selben Tag zu rechnen gewesen, so dass das Schreiben ihr erst im Oktober 2021 zugegangen sei. Angesichts der im Arbeitsvertrag vereinbarten Kündigungsfrist zum Quartalsende habe ihr Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 2021 hinaus fortbestanden. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.
Entscheidung
Mit Urteil vom 20. Juni 2024 (2 AZR 213/23) bestätigte das BAG die Urteile der Vorinstanzen. Der beklagte Arbeitgeber habe das Arbeitsverhältnis wirksam zum 31. Dezember 2021 gekündigt, da der Klägerin die Kündigung noch am 30. September 2021 zugegangen sei.
Zur Begründung verwies das BAG zunächst auf seine ständige Rechtsprechung, wonach der Einwurf einer Kündigung in den Briefkasten des Empfängers den Zugang am gleichen Tag bewirke, wenn dieser „vor Abschluss der üblichen Postzustellzeiten“ erfolgt.
Sodann schloss sich das BAG der Ansicht des Landesarbeitsgerichts an, dass bei einem Einwurf-Einschreiben der ordnungsgemäße Auslieferungsbeleg mit der Unterschrift des Zustellers in Kombination mit dem Einlieferungsbeleg einen Anscheinsbeweis dafür erbringe, dass die Sendung am Zustelltag zu den üblichen Postzustellzeiten in den Briefkasten gelegt wurde. Die postüblichen Zustellzeiten würden durch das Zustellverhalten von Zustellern der Deutschen Post AG geprägt, sofern nicht andere Zustelldienste einen maßgeblichen Anteil an der Postzustellung haben und diese außerhalb der Arbeitszeit der Zusteller der Deutschen Post vornehmen. Entgegen der Auffassung der Klägerin komme es nicht darauf an, im konkreten Fall eine genaue Uhrzeit zu bestimmen, zu der in dem örtlichen Postbezirk die Zustellung erfolgt.
Folgen für die Praxis
Mit diesem Urteil des BAG ist nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass einem Arbeitgeber auch bei einem Einwurf-Einschreiben der Zugangsnachweis gelingen kann. Dazu muss der Arbeitgeber allerdings nicht nur den Einlieferungsbeleg, sondern auch den – bei der Post gesondert anzufordernden – Ausdruck des Auslieferungsbelegs vorlegen können, da nur dieser die Unterschrift des Zustellers trägt.
Weiterhin ist Folgendes zu beachten:
- Der Auslieferungsbeleg darf nicht mit dem im Internet abrufbaren „Sendungsstatus“ verwechselt werden. Letzterer dürfte nicht genügen, um den Zeitpunkt des Zugangs nachweisen zu können. Das hat jüngst das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 12. Dezember 2023 entschieden (15 Sa 20/23). Demnach gehe aus dem Sendungsstatus weder der Name des Zustellers beziehungsweise der Zustellerin hervor, noch beinhalte er eine technische Reproduktion der Unterschrift, mit der beurkundet wird, dass die Sendung eingeworfen wurde. Der Sendungsstatus sei daher als Zugangsnachweis ungeeignet.
- Den notwendigen Ausdruck des Auslieferungsbeleges erhält der Arbeitgeber nur, wenn er diesen binnen 15 Monaten nach Aufgabe des Einwurfeinschreibens bei der Deutschen Post AG anfordert.
- Der Mitarbeitende, der das Kündigungsschreiben kuvertiert und als Einwurf-Einschreiben zur Post aufgibt, sollte dokumentieren, um welches Schriftstück es sich handelt, da der Arbeitgeber dies auch im Streitfall beweisen muss.
- Auch bei Beachtung der oben genannten Vorgaben bleibt ein Einwurf-Einschreiben nicht gänzlich risikolos. Zum einen trägt der Arbeitgeber das Risiko einer unterbliebenen Unterschrift auf dem Auslieferungsbeleg ebenso wie das Risiko zu langer Postlaufzeiten. Zum anderen erbringt die Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbelegs nur einen Anscheinsbeweis für den Zugang, das heißt, der Mitarbeitende hat die Möglichkeit, den Zugang durch Darlegung besonderer Umstände zu widerlegen.
- Eine noch höhere Rechtssicherheit als die Zustellart des Einwurf-Einschreibens bieten die persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens oder – wenn eine persönliche Übergabe nicht möglich ist – die Zustellung per Boten beziehungsweise Kurier, wobei das Kündigungsschreiben diesem zunächst gezeigt werden sollte, damit er im Streitfall bestätigen kann, dass sich im Kuvert die Kündigung befand und wann und wie die Zustellung erfolgt ist.
- Von einer Zusendung einer Kündigung als Übergabe-Einschreiben oder „Einschreiben mit Rückschreiben“ ist Arbeitgebern dringend abzuraten. Bei diesen Zustellarten besteht das Problem, dass der Empfänger sich das Einschreiben in einer Postfiliale abholen muss, wenn er nicht zu Hause angetroffen wird. Dabei gilt die Kündigung erst dann als zugegangen, wenn der Empfänger das Einschreiben abgeholt hat. Vergehen bis zur Abholung einige Tage, kann dadurch der Kündigungstermin bereits überschritten werden. Holt der Mitarbeitende das Einschreiben gar nicht ab, zum Beispiel, weil er mit einer Kündigung rechnet, können sogar mehrere Wochen vergehen, bis der Arbeitgeber das ungeöffnete Einschreiben als unzustellbar zurückerhält. Der Arbeitgeber könnte sich dann allenfalls auf eine vorsätzliche Zugangsvereitelung durch den Mitarbeitenden berufen, die in der Praxis aber schwer nachweisbar ist.
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