Amor beflügelt

Personalmanagement

Wenn zwei Kollegen eine Beziehung oder Affäre anfangen, dann bleibt das nicht lange unbemerkt. Es kann schnell zu Streit und Missgunst kommen. Von Seiten der Personalverantwortlichen ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Peter Groß weiß aus eigener Erfahrung, dass Affären am Arbeitsplatz die Karriere gefährden können. „Mich hat eine Liebelei mit der Sekretärin eines Vorgesetzten den Traumjob gekostet“, berichtet der Psychotherapeut aus Köln von den Anfängen seiner Berufslaufbahn. Der Fehltritt liegt zwar schon Jahrzehnte zurück, doch die Erinnerung an die verpasste Chance, von seinem damaligen Arbeitgeber nach New York geschickt zu werden, schmerzt immer noch.

Heute hilft Groß anderen, mit sich und ihren Beziehungen ins Reine zu kommen – manchmal sogar im Auftrag betroffener Unternehmen. Denn ein Techtelmechtel unter Kollegen bleibt nur selten eine Privatsache zwischen zwei Personen. Egal ob One-Night-Stand oder feste Partnerschaft, ob Trennung in Freundschaft oder Rosenkrieg: Meist kriegen die Kollegen alles hautnah mit. Ein Problem nicht nur für das Liebespaar, sondern auch für das Umfeld.

Sicher ist: Flirten beflügelt. Zumindest wenn die romantischen Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen. Andernfalls droht eine Abfuhr, oder schlimmstenfalls gar eine Klage wegen sexueller Belästigung. Was im Privatleben gilt, ist im Job nicht anders: Springt der Funke über, kann das die Stimmung in der ganzen Abteilung verbessern. Oder die Arbeitsfähigkeit des gesamten Teams zum Erliegen bringen. Spätestens dann ist das Fingerspitzengefühl der HR-Mitarbeiter gefragt. Und es gibt viel zu tun.

„Die vielen Gemeinsamkeiten machen Beziehungen, die am Arbeitsplatz entstehen, vergleichsweise haltbar“, sagt Meike Müller, Führungskräfte-Coach und Autorin des Buches „Rendezvous am Arbeitsplatz“. Allerdings sind solche Flirts gerade am Anfang ganz besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Denn: Der Flurfunk schweigt nie. Die Gerüchteküche beginnt meist schon zu kochen, bevor die Frischverliebten sich ihrer Gefühle selbst sicher sind. Wird die Beziehung dann offensichtlich, sind Klatsch und Tratsch alle Türen geöffnet.

Problematische Paarbildungen

Ein Schritt, dem entgegenzutreten, ist Offenheit. Doch ans schwarze Brett hängen sollte man die Beziehung deshalb trotzdem nicht: „Wenn es ernster wird, sollte man sich fragen, ob das jemand wissen muss“, empfiehlt Müller. Etwa wenn die Romanze die Außenwirkung des Unternehmens beeinflusse oder es unter dem Pärchen zu einer Machtballung komme. Für alle anderen gelte die „Dreimonatsregel“. Nach einem gemeinsam verbrachten Vierteljahr sei oft klar, ob es sich um ein Strohfeuer handele oder um etwas Festeres.

Sind die Fronten geklärt, ist besonderes Einfühlungsvermögen gefragt: „Wenn die früheren Kollegen plötzlich nur noch als Paar auftreten und zum Beispiel nicht mehr mit den anderen zum Mittagessen gehen, kommt bei den Kollegen keine Begeisterung auf“, warnt Müller. Dann könne es innerhalb eines Teams schnell zu Streit, Missgunst und offener Kritik kommen. Besonders problematisch seien Paarbildungen über verschiedene Hierarchiestufen hinweg.

Den Höherrangigen wird dabei nicht selten unterstellt, Firmengeheimnisse an den Untergebenen weiterzugeben. Der wiederum wird von Kollegen verdächtigt, als „Maulwurf“ Interna an den Chef auszuplaudern. Für beide nicht einfach – und auch nicht für die betroffene Firma. „Verlieben ist etwas sehr Privates“, betont C&A-Pressesprecher Thorsten Rolfes: „Aber wenn die Nähe zweier Menschen Einfluss auf das geschäftliche Umfeld und das Arbeitsklima im Team nehmen kann, ist es im Sinne aller, für das Team und das Paar eine gute Lösung zu finden.“

Die Modekette mit Sitz in Düsseldorf handelt in solchen Fällen pragmatisch – und setzt auf räumlichen Abstand. Im Falle von Teamleiter und -mitglied muss üblicherweise einer von beiden das Team wechseln. Teilen Filialleiter und Angestellte Tisch und Bett, bleibt nur der Standortwechsel. So erging es auch Rolfes Eltern, als sie sich in den 60er Jahren bei C&A in der Mönckebergstraße kennenlernten. Der Vater wechselte in die C&A-Filiale Hamburg-Eppendorf, die Mutter blieb.

„Wer glücklich verliebt ist, ist besser drauf, das wirkt sich natürlich positiv auf die Arbeit aus“, räumt Rolfes ein. „Doch in einem Team von fünf bis zehn Leuten gibt es auch immer mal wieder Spannungen.“ Pausenregelung, Urlaubseinteilung und die Nutzung der Brückentage würden nicht immer von allen als fair empfunden. Komme da noch eine Paarbeziehung obendrauf, gerate die zwischenmenschliche Balance leicht aus dem Gleichgewicht.

Andere Unternehmen sehen das lockerer, etwa in der Wissenschaft. Forscher-Paare, die lange Zeit zusammengearbeitet haben, werden auf Wunsch gerne gemeinsam eingestellt. Die Arbeitgeber dürfen sich dabei berechtigte Hoffnungen auf gute Arbeitsergebnisse machen. Auch bei Entsendungen ins Ausland kommt es nicht selten zur Neueinstellung des Ehepartners, wenn dieser entsprechende Qualifikationen mitbringt.

Betriebsfrieden gegen Privatsphäre

Verbieten lassen sich Liebesbeziehungen ohnehin nicht. Das musste 2005 der amerikanische Einzelhandelskonzern Walmart feststellen. Die Ethik-Richtlinie des Unternehmens verstoße gegen das Grundgesetz, befand das Landesarbeitsgericht Düsseldorf damals. Nicht nur das Urteil, auch die gewaltige Medienresonanz, die das versuchte Verbot von amourösen Beziehungen fand, hat einen Präzedenzfall in der deutschen Rechtsgeschichte geschaffen.

„Alles hat mit Interessenabwägung zu tun“, sagt Rechtsanwältin Verena Braeckeler. Der Betriebsfrieden müsse gegen die Privatsphäre abgewogen werden. Den Arbeitgeber hätten Beziehungen zwischen Angestellten nur zu interessieren, wenn diese sein Geschäft berührten. Das sei etwa der Fall, wenn bei einem heißen Flirt Zärtlichkeiten am Arbeitsplatz ausgetauscht würden und das den Rest der Belegschaft störe.

Auch Pflichtverletzungen – wenn die Turteltauben ständig Liebesbekundungen austauschen, statt ihrer Arbeit nachzugehen – könnten Anlass für Ermahnungen oder Abmahnungen geben. In der Praxis sei es jedoch schwer, solches Fehlverhalten nachzuweisen. Am ehesten komme es zu Problemen, wenn Amors Pfeil Über- und Untergeordnete treffe. „Nicht selten fühlen sich die anderen Mitarbeiter dann von ihrem Vorgesetzten benachteiligt“, sagt Braeckeler. Allerdings gelte auch hier: Die Beweisführung ist schwierig.

Nur in Einzelfällen hält Braeckeler ein einseitiges Eingreifen durch das Unternehmen für objektiv zu rechtfertigen. Etwa wenn ein Arbeitgeber fürchten muss, dass kritische Informationen weitergegeben werden – wie in der Finanzbranche zwischen Analyst und Fondsmanager. In solchen Fällen könne die Firmenleitung mit dem zustimmungsberechtigten Betriebsrat beispielsweise eine Meldepflicht einführen.

Eine spezifische Rechtsprechung oder gar Gesetze zum Thema gebe es nicht. Es komme stets auf den Einzelfall und dabei insbesondere auf den Arbeitsvertrag und die Ausgestaltung der Tätigkeit an. Zwar könne der Arbeitgeber von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. Doch wenn eine Versetzung zu einer Benachteiligung des Betroffenen führe, sei das nicht hinnehmbar. Um die Lage nicht eskalieren zu lassen, sollten Vorgesetzte oder Personaler zunächst persönlich mit den Beteiligten sprechen und nach einer einvernehmlichen Lösung suchen, rät die Rechtsanwältin.

Um die Linie des Unternehmens gegenüber den Mitarbeitern deutlich zu machen, rät Psychologe Groß zu proaktivem Handeln. Zum Beispiel könnten Beiträge zum Thema in der Firmenzeitschrift veröffentlicht werden. So erfahre die Belegschaft, wie die Personalabteilung zu Beziehungen unter Kollegen stehe und ob ihnen gleichrangige Versetzungen offenstehen. In Diskussionsforen könne das Thema weiter vertieft werden. So schaffe man Verständnis bei den Angestellten, ohne diktatorisch zu wirken.

Hilfsangebot von HR und dem Vorgesetzten

Richtig gefordert sind Unternehmen oft ohnehin erst am Ende einer Beziehung. Nicht selten kommt es dann zu unschönen Szenen. So wie im Fall eines hochrangigen Managers, der sich von einer Sachbearbeiterin trennen wollte. „Die verschmähte Partnerin hat sich vor das Firmengebäude gestellt und ihre Wut laut herausgeschrien“, berichtet Psychologe Groß, der damals vom Arbeitgeber mit der Schlichtung zwischen den Streithähnen beauftragt wurde.

Auch in weniger lautstark gelagerten Fällen sollten der Vorgesetzte und die HR-Abteilung ihre Hilfe anbieten, glaubt Autorin Müller. „Der von der Trennung besonders Belastete benötigt vielleicht eine Auszeit, etwa unbezahlten Urlaub oder ein Sabbatical.“ Helfen könnten auch eine Versetzung oder Home Office. Der nächste Karriereschritt müsse möglicherweise erst einmal warten. In anderen Fällen wünsche sich der Arbeitnehmer allerdings vielleicht gerade eine besondere berufliche Herausforderung. „Arbeit kann in einer solchen Krise ja sogar hilfreich sein“, so Müller.

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Birga Teske, Foto: Privat

Birga Teske

Birga Teske ist Wirtschaftsjournalistin und schreibt regelmäßig für den HRM.

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