Der Kollege weiß, wie’s läuft

Personalmanagement

In vielen Unternehmen werden Mitarbeiter inzwischen nicht mehr nur von professionellen Coaches begleitet, sondern ebenso von ihren Kollegen. Peer Coaching ist im Kommen.

Monika Setzwein, Chefin der IT-Beratung Setzwein IT-Management, ist vom Peer-Coaching-Konzept vollends überzeugt. Dessen Grundprinzip: Angestellte lassen sich nicht von Profis coachen, sondern von ihren Kollegen. Regelmäßig setzt sich das Team zusammen und bespricht ein aktuelles Problem eines Teammitglieds. Anders als bei einer herkömmlichen Besprechung ist das Gespräch allerdings strukturiert, jeder hat eine Rolle – und meist gibt es innerhalb der vorgegebenen Zeit eine Lösung. Setzwein hat das Peer-Coaching-Modell im Jahr 2010 auf einer Fortbildung kennengelernt: „Ich war begeistert und habe es sofort mit meinen Mitarbeitern ausprobiert. Die waren meine Versuchskaninchen.“ Inzwischen ist Peer Coaching nicht nur fest in Setzweins Unternehmen verankert, sondern auch bei vielen ihrer Kunden. „Das Konzept ist effizient, zeitsparend und vor allem einfach. Im Prinzip kann jeder es ohne große Vorerfahrung anwenden.“ Es ist eine effektive Form, nachhaltiges organisationales Lernen zu initiieren.

Coaching bedeutet: Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht nicht darum, anderen Ratschläge zu geben, sondern vielmehr darum, ihnen verschiedene Lösungsmöglichkeiten und Ideen aufzuzeigen, aus denen sie selbst die passende auswählen. Die Idee, das Konzept ohne Profi-Coaches auf Peer-to-Peer-Ebene umzusetzen, ist schon mehr als 15 Jahre alt. Trotzdem wird sie erst seit kurzem in immer mehr Unternehmen angewendet: „Peer Coaching ist derzeit enorm im Kommen“, sagt Berufspädagogin Carmen Wolf, die sich am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) seit Jahren mit Coaching beschäftigt.

Die Coaches sind in ähnlichen Situationen

Das Peer-to-Peer-Konzept kann professionelles Coaching nicht komplett ersetzen, aber in vielen Fällen sinnvoll ergänzen. Denn es bietet einige Vorteile im Vergleich zum klassischen Coaching: Die Kollegen-Coaches können sich besonders gut in den Mitarbeiter hineinversetzen. Ratsuchende fühlen sich verstanden, weil die Coaches in einer ähnlichen Situation sind. Und: In der Gruppe entwickeln sich mitunter fruchtbarere Lösungsansätze als im Einzelcoaching – schlicht, weil mehrere Personen beteiligt sind. Das Konzept funktioniert so: Eine Gruppe trifft sich in regelmäßigen Abständen und die Teilnehmer berichten sich gegenseitig von Problemen aus dem Berufsalltag. Gemeinsam entwickelt die Gruppe dann eine Schlüsselfrage in Bezug auf die jeweilige Herausforderung einer Person. Anschließend wird die Frage analytisch angegangen. Zum Abschluss legen die Coaches ihrem Kollegen Ideen und denkbare Lösungskonzepte vor – was er damit macht und wie er die Anregungen umsetzt, bleibt ihm überlassen.

Besonders gut funktioniert Peer Coaching, wenn klare Rollen verteilt werden. Das kann dann beispielsweise so aussehen: Der Moderator führt das Gespräch, der Fallerzähler sucht nach einer Lösung für sein spezifisches Problem. Der Sekretär notiert sich die Ideen der übrigen Teilnehmer, der kollegialen Coaches. Die Probleme können ganz alltäglich sein, wie beispielsweise, dass ein neuer Mitarbeiter Teil eines Projektteams werden soll, aber Schwierigkeiten hat, in die Gruppe hineinzufinden.

Hilfe per Smartphone

Carmen Wolf hat auch ein Modell entwickelt, das sogar funktionieren soll, wenn eine Gruppe sich nicht an einen Tisch setzen kann, beispielsweise weil die Mitglieder tausende Kilometer voneinander entfernt arbeiten und leben. Mobile Peer Coaching nennt sich das Projekt, das im Moment noch in einer Testphase ist und am Ende des Jahres Peer Coaching in vielen Unternehmen revolutionieren könnte. Getestet und weiterentwickelt wurde das Programm an Verwaltungsangestellten in Kroatien, Slowenien und England, es lässt sich aber leicht auf Unternehmen übertragen, sagt Wolf. Und das auch, wenn die Gruppenteilnehmer verschiedene Sprachen sprechen und nicht am gleichen Standort sitzen. „Das funktioniert über ein Online-Tool, das die Möglichkeit bietet, die Mitarbeiter der verschiedenen Länder miteinander zu vernetzen.“ Ganz ohne den persönlichen Kontakt klappt es aber nicht: „Im Moment bringen wir alle Teilnehmer in Auftaktseminaren zusammen“, sagt Wolf. „Dort bilden sich die Gruppen, die sich später beraten und unterstützen.“

Bereits 2009 ist ein Programm ins Leben gerufen worden, das für viel Aufmerksamkeit sorgte. External Peer Reflection heißt der von der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH entworfene firmenübergreifende Erfahrungsaustausch von Führungskräften. Gemeinsame Basis ist gegenseitiges Vertrauen und eine ähnliche Unternehmenskultur. Für die Manager ist das Programm ein großer Gewinn. Die Sparringspartner aus den anderen Unternehmen bringen neue Perspektiven zu bestimmten Herausforderungen mit ein. Und manche Themen können gerade mit Nicht-Firmenmitgliedern besonders gut diskutiert werden, weil sie nicht involviert sind. Aber egal ob offline oder online: Der Austausch mit anderen hilft meistens weiter.

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Josephine Papst

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