Die wichtige Rolle der HR bei chinesischen Firmenübernahmen

Personalmanagement

Wenn chinesische Investoren auf deutsche Unternehmenswirklichkeit treffen, können Konflikte entstehen. Die Differenzen im Führungsstil, Vorurteile und Missverständnisse führen schnell zu Unstimmigkeiten. Bleiben sie ungelöst, droht unternehmerischer Stillstand und im schlimmsten Fall der Rückzug. Doch es gibt Lösungsansätze.

In keinem anderen Land der Welt investiert China so stark wie in Deutschland. Über 70 deutsche Firmen kauften chinesische Investoren in 2016. Aktuell sind circa 2.500 chinesische oder chinesisch geführte Unternehmen in Deutschland angesiedelt. Obwohl mittlerweile spezialisierte Berater viele Übernahmen begleiten, werden kulturelle Unterschiede und deren Auswirkungen auf das Personalmanagement weitgehend vernachlässigt. Das führt zu schwerwiegenden Problemen: Unterschiedliche Management- und Führungskulturen erschweren die Zusammenarbeit und gefährden den Prozess der Übernahme sowie den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen.
Wie wirken sich kulturelle Unterschiede auf die praktische Zusammenarbeit aus? In welchen Bereichen kommt es typischerweise zu Problemen und was kann getan werden, um Hindernisse zu überwinden? Bei der Bewältigung der Probleme ist gutes Personalmanagement gefordert.

Keine Annäherung, kein Erfolg

Nach wie vor haben viele chinesische Investoren kaum internationale Erfahrung. Chinesische Unternehmen beschäftigen nur selten international erfahrene Manager. Dementsprechend ist ihr Führungs- und Managementstil maßgeblich von der chinesischen Führungskultur bestimmt.

Gleichzeitig existiert in deutschen Unternehmen noch oft ein vorgefertigtes Bild von China, das von der öffentlichen Meinung geprägt und häufig negative Konnotationen trägt: starre Hierarchien, kein Mitspracherecht der Mitarbeiter, intransparente Entscheidungsprozesse sind typische Klischees, die unser Bild beeinflussen. Hinzu kommt die Sorge, dass unter dem chinesischen Einfluss Qualität und Innovationsfähigkeit leiden. Zusätzlich besteht die Angst vor einem einseitigen Wissens-Transfer und damit vor dem Ausverkauf des eigenen Unternehmens. Kommt es in dieser Situation zu keiner Annäherung, besteht das Risiko, dass die Geschäftsentwicklung stagniert und wichtige Leistungs- und Wissensträger das Unternehmen verlassen.

Die größten Schwierigkeiten in der Praxis

Lost in translation

Die Sprache stellt in der Praxis die größte Hürde dar. In der Regel sprechen die chinesischen Partner nur Chinesisch. Das gilt sowohl für die Unternehmensführung, als auch für Manager und Mitarbeiter, die unmittelbar in das operative Geschäft in Deutschland einbezogen werden.

Zwar hat die neue, in den 1980er Jahren geborene junge chinesische Managergeneration häufig im Ausland studiert und verfügt über entsprechende Sprachkenntnisse. Allerdings wird gerade ihnen in der Regel eben nicht die Verantwortung einer Managementposition im Ausland übertragen. Die chinesische Kultur, die Alter, Erfahrung und Weisheit als Basis von Autorität anerkennt, bedingt, dass solche Positionen mit älteren, erfahrenen Managern besetzt werden, die weder über diese Sprachkenntnisse verfügen noch gewisse interkulturelle Kompetenzen durch einen längeren Aufenthalt im Ausland erwerben konnten.

In der Praxis führt dies dazu, dass es zwischen dem chinesischen und dem deutschen Unternehmen keine gemeinsame sprachliche Basis gibt. Die tägliche Kommunikation wird dadurch immens erschwert. Meetings, Telefonkonferenzen oder Emails werden zäh und langatmig, der fachliche Inhalt rückt in den Hintergrund. „Wir verbringen Stunden damit, zu versuchen, einander zu verstehen. Die Chinesen sprechen gar kein Englisch, das Englisch des chinesischen Übersetzers können wir kaum verstehen. Wir sind Lost in translation“, sagt ein Mitarbeiter eines Unternehmens, der anonym bleiben möchte.

Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen

Auch jenseits der sprachlichen Hürden gehen die chinesische und deutsche Art zu kommunizieren erheblich auseinander. Wo deutsche Teilnehmer eine klare Struktur erwarten, verschiedene Standpunkte kontrovers unter Heranziehung rationaler Argumente abwägen und ihre Standpunkte klar vertreten, empfinden sie das Verhalten der chinesischen Gesprächspartner häufig als passiv und indifferent. „Wir hatten uns auf eine harte Debatte vorbereitet und entsprechend sorgfältig vorbereitet. Stattdessen haben die Chinesen zu allem ja gesagt und freundlich gelächelt. Jetzt, drei Monate später, ist immer noch nichts von dem umgesetzt, was wir damals beschlossen haben“, so ein anderer/weiterer/der Mitarbeiter.

Hier hilft das Verständnis der unterschiedlichen Kulturen. In der Lehre der interkulturellen Kommunikation ist Deutschland eine Low-Context Kultur: Dinge werden beim Namen genannt, kommuniziert wird über die Sachebene. Gemeint ist, was gesagt wird. Im Gegensatz dazu ist China eine High-Context Kultur: Dinge werden nicht direkt angesprochen, die Botschaft ist stark vom Kontext abhängig. Was nicht gesagt wird, ist mindestens so wichtig wie das, was ausgesprochen wird. Dementsprechend unverbindlich und schwammig erscheint die chinesische Kommunikation den Deutschen, wohingegen Chinesen sich von dem deutschen Bedürfnis, alles zu besprechen und für jeden Punkt klar definierte Ergebnisse festzuhalten, verunsichert fühlen.

Typischerweise werden die chinesischen Gesprächspartner der Konfrontation, die dieser Konflikt birgt, ausweichen. Die Folge ist, wie im Beispiel oben beschrieben, eine scheinbare höfliche Zustimmung, die jedoch ohne Ergebnis bleibt. Das führt auf deutscher Seite zu Frustration und kann Projekte und Geschäftsbetrieb zum Erliegen bringen.

Diese Reaktion ist kulturell bedingt. Die chinesische Kultur, beeinflusst vom Konfuzianismus, ist um Harmonie und Konfliktvermeidung bemüht. „Das Gesicht wahren“ ist die Maxime, die das Handeln bestimmt. Der Verlust von Würde, Selbstrespekt und Prestige ist metaphorisch gleichbedeutend mit dem Verlust von Augen, Nase und Mund. Aus dieser Perspektive verlieren in einem Konflikt beide Seiten ihr Gesicht. Aus diesem Grund werden Differenzen nicht offen ausgetragen, die Sprache bleibt vage, Kritik wird, wenn überhaupt, nur sehr indirekt ausgedrückt. „Ja“ und „Nein“ haben nicht unbedingt die gleiche Verbindlichkeit wie in Deutschland. In der Konsequenz wird eine Auseinandersetzung durch höflichen Rückzug beendet „die Chinesen sagen zu allem ja“, das geäußerte Einverständnis hat jedoch keine Bindungswirkung „es wurde nichts umgesetzt“.

Alles relativ

Der Weg zu einer Entscheidung in China und Deutschland ist grundverschieden. Ein Mitarbeiter berichtet: „Die Deadline zur Einführung des neuen Kontrollsystems stand lange fest. Wir haben den Chinesen für die Entscheidungen alle möglichen Alternativen mit Vor- und Nachteilen dargestellt, mittel- und langfristige Konsequenzen aufgezeigt und anhand einer Machbarkeitsanalyse eine klare Handlungsempfehlung gegeben. Nichts ist passiert, keine Reaktion. Dann, als die Deadline schon abgelaufen war, hektische Betriebsamkeit und schließlich hat der chinesische CEO eine andere Entscheidung getroffen, als von uns vorgeschlagen. Warum, hat man uns nicht erklärt.“

Hier zeigen sich gleich mehrere Dimensionen von Unterschieden. Der Weg zur Entscheidung in Deutschland ist Lösungsorientiert. Er führt von der klaren Definition des Problems über die systematische Abwägung von Vor- und Nachteilen zu einer Entscheidung. Die Kommunikation ist egozentrisch: Ich lege meine Sichtweise dar.

Die chinesische Entscheidungsfindung ist problemorientiert: Das Problem erscheint als vielschichtige Funktion von Beziehungen. Der Fokus liegt nicht auf der zeitlichen Deadline und darauf, in der gegebenen Zeit möglichst direkt zum (rationell begründeten) Ergebnis zu kommen. Vielmehr geht es darum, einen konsensuellen und harmonischen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen und Beziehungen herzustellen. Motivation und Kommunikation der Entscheidungsfindung sind dabei alterozentrisch: Wie wirkt mein Verhalten auf den anderen? Der von den Deutschen vorgefertigte Weg zur aus ihrer Sicht einzig richtigen Entscheidung macht für die Chinesen keinen Sinn.

Auch die zeitliche Komponente wird unterschiedlich wahrgenommen. Aus deutscher Sicht ist die Deadline ein unumstößlicher Fixpunkt. Das Einhalten des Zeitplans und die Erledigung der gestellten Aufgabe innerhalb der geplanten Zeit sind ein unumstößlicher Wert. Für die Chinesen ist der Zeitplan eine Orientierungshilfe, von der durchaus abgewichen werden kann. Situationen und Beziehungen können sich im Laufe der Zeit ändern. Daher ist es typisch, dass Entscheidungen vertagt werden. Die Priorität liegt auf den persönlichen Beziehungen. Aus diesem Grund war die (aus deutscher Sicht) verbindliche Deadline nicht relevant.

„High Power Distance“

Chinesische Unternehmen gelten als stark von Hierarchen getrieben. „Was es für uns wirklich schwierig macht, ist, dass keiner Verantwortung übernimmt oder sich traut, Entscheidungen zu treffen. Entscheiden darf nur der chinesische CEO, selbständig denken haben seine Manager offensichtlich nicht gelernt“, so ein Mitarbeiter.

Die chinesische Kultur ist stark vom Konfuzianismus beeinflusst, einem Klassensystem, welches auf unbedingtem Gehorsam und gegenseitiger Rücksichtnahme beruht. Traditionell hat in Beziehungsverhältnissen die Führungsperson absolute Autorität über den Mitarbeiter und erwartet uneingeschränkte Loyalität. Das geht einher mit hoher sozialer Verantwortung und Fürsorge des Vorgesetzten. China ist eine „High Power Distance“-Kultur: Gesellschaftliche Unterschiede in Kultur und Status werden akzeptiert. Es gibt klare, gesellschaftlich anerkannte Abstufungen zwischen Unternehmensführung, Management und Mitarbeitern. Diese werden nicht hinterfragt oder durchbrochen. Den Chef zu kritisieren, selbständig Entscheidungen zu treffen oder auf andere Art die Hierarchie zu durchbrechen, würde dem widersprechen. Im Gegensatz dazu findet sich in Deutschland eine „Low Power Distance“ Kultur, in der Mitspracherechte und das Hinterfragen von Managemententscheidungen eine große Rolle spielen.

Das führt, wie im Beispiel oben gezeigt, dazu, dass die deutschen Geschäftspartner oft das Gefühl haben, ihr Gegenüber könne keine eigenen Entscheidungen treffen. Auf der anderen Seite verzweifeln deutsche Mitarbeiter und Manager daran, dass die chinesische Unternehmensführung mit Ablehnung oder Nichtbeachtung reagiert, wenn sie selbst die Verantwortung für Entscheidungen oder Prozesse übernehmen oder aber Entscheidungen des chinesischen Managements hinterfragen.

Beziehungen sind wichtig

Unterschiedliche Vorstellungen von Professionalität und Distanz im Berufsleben können in einem chinesisch-deutschen Unternehmen schnell zu Missverständnissen führen. Deutsche trennen klar zwischen Beruf- und Privatsphäre, wohingegen persönliche Beziehungen im Geschäftsleben in China enorm wichtig sind. Gute persönliche Beziehungen aufzubauen, ob zu der chinesischen Unternehmensführung, zum chinesischen Management oder zu chinesischen Kollegen, erfordert Zeit, Verständnis für die andere Kultur und viel Einsatz. Gleichzeitig sind das die Zutaten es für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Da Chinesen nicht zwischen Sach- und Beziehungsebene unterscheiden, wird eine Zusammenarbeit ohne gute Beziehungen nicht funktionieren.

So spielen gemeinsame Unternehmungen wie Ausflüge, Veranstaltungen aber auch das gemeinsame Mittagessen eine große Bedeutung. Bei Hochzeitsfeiern oder Geburtstagen ist es üblich, dass der Chef, der nicht nur als Vorgesetzter, sondern als „väterlicher Freund“ gesehen wird, eingeladen wird. Bleiben deutsche Mitarbeiter solchen Anlässen fern, so wird das als Ausdruck mangelnden Respekts interpretiert, der sich negativ auf die Beziehung auswirkt. Das wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass der deutsche Mitarbeiter sich fachlich-konstruktiv um eine gute Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen bemüht. Die Gefahr, dass er sich schnell isoliert fühlt und von den chinesischen Kollegen oder Managern nicht akzeptiert wird, ist groß.

Empfehlungen für das Personalmanagement

Unabhängig vom jeweiligen Hintergrund der Firmenübernahme und den beteiligten Akteuren sind die hier genannten Probleme typisch und treten immer wieder auf. Einige Maßnahmen haben sich in der Praxis bewährt und helfen, Hindernisse zu überwinden:

Cultural Due Diligence: Im Vorfeld einer Firmenübernahme wird regelmäßig eine Due Diligence, eine Unternehmensbewertung, vorgenommen. Diese bezieht sich zumeist ausschließlich auf Zahlen und Fakten, die Wert und Risiken der Unternehmen beleuchten. Diese Due Diligence sollte ausgeweitet werden auf eine Auseinandersetzung mit der Kultur des anderen Unternehmens. Wer Konflikte der Unternehmenskulturen im Rahmen einer Cultural Due Diligence frühzeitig identifiziert, kann die richtigen Maßnahmen einleiten.

Sprachkompetenz fördern: Für Mitarbeiter, die in Verhandlungen mit dem chinesischen Investor eingebunden sind oder mit chinesischen Kollegen zusammenarbeiten, sollten Englischkurse angeboten werden. Chinesischkurse hingegen können zwar langfristig die Integration und Zusammenarbeit erleichtern. Da die meisten deutschen Mitarbeiter jedoch in der Regel über keinerlei chinesische Sprachkenntnisse verfügen, dauert es lange, bis ein Sprachniveau erreicht wird, das in der täglichen Arbeit tatsächlich weiterhilft.

Chinesische Muttersprachler einstellen: Die besten Ergebnisse erzielen Unternehmen, die bi- oder multilinguale chinesische Muttersprachler einstellen, die sich schon länger in Deutschland aufhalten. Insbesondere chinesische Studenten, die in Deutschland einen Abschluss gemacht haben, bringen neben den erforderlichen Sprachkenntnissen auch das kulturelle Verständnis beider Kulturen mit und können so im Tagesgeschäft und im Integrationsprozess eine wichtige Rolle spielen.

Mitarbeiteraustausch: Deutsch-Chinesische Mitarbeiterteams sowie die Teilnahme an Austausch- oder Entsendeprogrammen helfen, die interkulturellen Besonderheiten zu verstehen und zu akzeptieren. Sowohl bei Führungskräften als auch bei Mitarbeitern haben sich solche Programme in der Praxis bewährt.

Interkulturelles Training: Ein professionelles interkulturelles Training hilft, die interkulturellen Unterschiede zu verstehen und die eigene Interaktion mit dem anderen Kulturkreis zu üben. Das umfasst auch die verschiedenen Kommunikationsstile der chinesischen und deutschen Kultur.

Identifikation des Managements: Das Zusammenwachsen von Unternehmen aus so unterschiedlichen Kulturkreisen ist ein Veränderungsprozess, der den Mitarbeitern viel abverlangt. Umso wichtiger ist es, dass Management und Unternehmensleitung sich sichtbar damit identifizieren und ihre Mitarbeiter durch den Prozess führen und begleiten.

Die Zitate im Text stammen aus persönlichen Gesprächen des Autors mit Mitarbeitern und Führungskräften aus betroffenen Unternehmen. Den Personen wurde Anonymität zugesichert.

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Tobias Preising, Partner Global Mobility Services bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Tobias Preising

Dr. Tobias Preising ist Partner Global Mobility Services bei der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er berät Kunden bei Lösungen auf dem Gebiet der Global Mobility in Bereichen wie unter anderem Mobility Tax, Social Security, Mobility Process Improvement und Organizational Change. Preising verfügt über mehr als 15 Jahre Beratungserfahrung und hat Kunden aus unterschiedlichen Branchen betreut, darunter aus solche aus der Automobilindustrie, Transport und Logistik sowie Financial und Professional Services mit beruflichen Stationen in Deutschland, China und der Schweiz.

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