Im Trauerfall

Personalmanagement

Aktuell erarbeiten zahlreiche Unternehmen vor dem Hintergrund der Corona-Krise Pläne, wie sie mit trauernden Mitarbeitern, aber auch mit möglicherweise deutlich höheren Todesfällen innerhalb der Belegschaft umgehen sollten. Wie lässt sich Trauerbegleitung als Teil der Unternehmenskultur etablieren? Sieben Ratschläge einer Expertin

Der Gedanke an den Tod macht uns Angst, schnell verscheuchen wir ihn. Doch er ist Realität, auch im Arbeitsalltag. Ein Mitarbeiter kommt morgens nicht mehr ins Büro, weil er auf dem Arbeitsweg tödlich verunglückt ist. Die Kollegin, die in den Mutterschutz verabschiedet wurde, kommt Wochen später als trauernde Mitarbeiterin an den Arbeitsplatz zurück. Ihr Kind ist verstorben. Ein ganzes Team ist im Schockzustand, weil ein Kollege sich auf einer gemeinsamen Geschäftsreise am Abend im Hotel das Leben genommen hat.

Zu solchen tragischen Schicksalen kommen derzeit die Herausforderungen hinzu, die die Corona-Krise uns abverlangt. Wir können noch nicht ermessen, welche Situation uns die nächsten Monate erwartet. Führungskräfte und Personaler sind demzufolge gut beraten, sich schon jetzt mit dem Thema Trauer am Arbeitsplatz zu beschäftigen und nicht erst abzuwarten, bis der erste Todesfall eintritt. Denn nicht nur die Folgen des Coronavirus könnten zu höheren Sterbezahlen und damit zu emotional schwer belasteten Mitarbeitern führen. Auch die massive psychische Belastung aufgrund der Isolation sowie der eingeschränkten Abschiedsrituale bei Sterbenden und bei Bestattungen könnten eine große emotionale Probe für viele Mitarbeiter werden.

Es wäre für Arbeitgeber und Vorgesetzte fatal, das Thema Trauer am Arbeitsplatz zu ignorieren, denn langfristige Ausfälle sind nicht nur eine physische Belastung für alle Beteiligten, sondern können auch negative wirtschaftliche Folgen haben.

Sprachlosigkeit und Überforderung

Im Unternehmenskontext zählen in erster Linie Produktivität, Ergebnisse und Zahlen, auch wenn die meisten Personalabteilungen noch andere Themen im Blick haben wie Diversity und Work-Life-Balance. Für den Umgang mit Trauer hingegen gibt es oft keine Regeln oder verbindlichen Vorgehensweisen – Ratlosigkeit macht sich breit. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Trauernde sowie aber auch deren Vorgesetzte und Kollegen jetzt dringend brauchen. Denn sie befinden sich psychisch und physisch im Ausnahmezustand. Es ist an Personalern oder Führungskräften, menschlich und individuell zu reagieren.

Sie brauchen einen Krisenplan!

Investieren Sie in ein betriebliches Trauermanagement und entwickeln Sie einen Krisenplan oder eine Betriebsvereinbarung für die Themen Tod und Trauer am Arbeitsplatz. Trauer ist so individuell, wie Menschen verschieden sind. Das heißt, dass manche Menschen sich erst einmal in die Arbeit stürzen, um ein Stück Normalität zurückzugewinnen. Andere ziehen sich zurück oder fallen sogar völlig aus dem Leben.

Trauernde fragen selten um Hilfe, wünschen sich aber mehrheitlich zumindest ehrliche Anteilnahme. Gerade im Unternehmenskontext neigen Menschen dazu, ihre Trauer völlig zu verdrängen – bloß nicht auffallen, denn selbst jetzt wollen viele immer noch zeigen, dass sie gut funktionieren. In der Trauer greifen diese Verdrängungsmechanismen jedoch langfristig nicht und zeigen sich häufig in Krankmeldungen und langfristigen Ausfällen. Gerade bei schweren Verlustsituationen braucht die Rückkehr ins Leben Zeit. Das alte Leben ist nicht mehr das gleiche. Vieles muss neu strukturiert oder aufgebaut werden.

Was kann HR tun?

Die schlechte Nachricht ist, dass es keine allgemeingültige Anleitung gibt, die abgearbeitet werden kann. Jedes Unternehmen sollte eigene Prozesse und Rituale entwickeln und sich überlegen, welche Werte an welchen Stellen wichtig sind. Die gute Nachricht ist aber, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, die dankend angenommen werden.

Der Schlüssel für eine Trauerkultur ist immer Ihre eigene persönliche Haltung! Hören Sie zu und fragen Sie oder die zuständige Führungskraft aktiv nach, was Sie für trauernde Kollegen tun können. Trauer ist nicht ansteckend, dennoch werden Trauernde oft von anderen gemieden. Meist steht dahinter die Angst, etwas Falsches zu sagen. So rutschen Betroffene schnell in die Isolation. Werden Trauernde aber ignoriert oder mit Schweigen konfrontiert, beschreiben sie das oft als die schlimmsten Momente im Trauerprozess.

Als die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg mit 45 Jahren überraschend Witwe wurde, wich man ihr auf den Unternehmensfluren regelrecht aus. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte sie: „Vielen meiner Kollegen stand die Angst ins Gesicht geschrieben, wenn ich mich ihnen genähert habe.“ Wenn Führungskräfte und Personaler mit gutem Beispiel vorangehen und Trauernde nicht ignorieren, sondern achtsam mit ihnen umgehen, überträgt sich das auch auf die gesamte Unternehmenskultur.

Sieben Ratschläge einer Trauerbegleiterin

1. Bieten Sie flexible Arbeitszeitmodelle an
Trauerprozesse sind individuell und dauern oft länger, als es unsere schnelllebige Gesellschaft erwartet. Wer Raum für den Weg zurück ins Leben bekommt, geht aber oft gestärkt aus dieser schweren Lebenskrise hervor und ist später sehr loyal gegenüber dem Arbeitgeber. Trauer ist nicht linear, sie besteht aus vielen Höhen und Tiefen. Was heißt das konkret? Als Unternehmen legen Sie die Regeln für die Wiedereingliederung und flexible Arbeitszeitmodelle fest. Überlegen Sie gemeinsam mit der betroffenen Person, wie viel Zeit sie braucht, um alle Dinge zu regeln, wobei auch regelmäßige Auszeiten wichtig sind. Diese Abmachungen gilt es von Zeit zu Zeit neu zu besprechen, bis wieder ein normaler Arbeitsalltag möglich ist.

2. Finanzielle Unterstützung
Auch finanzielle Unterstützung kann trauernden Mitarbeitern den Druck nehmen. Ich kenne aus meiner Arbeit Unternehmen, die finanzielle Mittel für die Beerdigung zur Verfügung stellen oder die eine Trauerbegleitung für einige Sitzungen bezahlen. Es gibt auch Firmen, die beim Tod eines Mitarbeiters den Hinterbliebenen das Gehalt für ein paar Monate weiterzahlen.

3. Legen Sie fest, wer die Kommunikation intern und extern übernimmt
Eine Anwältin erzählte mir, dass sie nach dem Tod des Vaters schlussendlich gekündigt hat, weil das Unternehmen nicht in der Lage war, auf ihre Bedürfnisse angemessen zu reagieren: „Als ich nach fast zwölf Wochen Arbeitsunfähigkeit wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkam, hat keine einzige Mitarbeiterin auch nur einen Ton über den Tod meines Vaters verloren, kein Beileid, gar nichts. Und ich hatte mir vorher noch Gedanken gemacht, wie es wohl sein würde – und ob ich in Tränen ausbrechen würde, wenn sie mich dann ansprechen.“ Die Kanzlei hatte schlichtweg keine Trauerkultur entwickelt. Weder die beschriebenen langjährigen Kollegen noch die Vorgesetzte oder die Personaler fanden angemessene Worte.

Für Mitarbeiter, die vom Tod eines nahestehenden Menschen während der Arbeitszeit erfahren, sollten grundsätzlich Möglichkeiten des begleiteten Rückzugs geschaffen werden, bis dieser in der Lage ist, nach Hause oder zum Ort des Geschehens zu fahren oder gefahren zu werden. Bleiben Sie danach unbedingt in Kontakt und erfragen Sie, wie es demjenigen geht oder wie Sie ihn unterstützen können.

4. KeineFloskeln
Vermeiden Sie bei Ihrer Kondolenz unnötige Floskeln, die die Trauer verringern sollen. Nutzen Sie keine Trauersprüche aus dem Internet. Bieten Sie nur dann Unterstützung an, wenn Sie diese auch gewähren können. Verwenden Sie ein Kondolenzbuch, eine Erinnerungsbox oder ein Album, um die Anteilnahme der Kollegen für den Trauernden zu sammeln. Führungskräfte sind in der Regel sehr dankbar, wenn die Personalabteilung solche Instrumente bereithält und sie nicht erst auf die Schnelle organisiert werden müssen.

5. Individuelle Nachrufe
Achten Sie auf individuelle Traueranzeigen oder Nachrufe und verwenden Sie keine Standardanzeigen mit dem immer gleichen Text. Schalten Sie die Firmenanzeige nie vor der Familienanzeige! Und achten Sie auf den Absender – nicht das Unternehmen trauert, es trauern immer die Mitarbeiter, die Geschäftsleitung oder der Vorstand. Eine Trauerbegleiterin berichtete mir einmal, wie ein Unternehmen die gleiche Todesanzeige mit identischem Text für zwei verschiedene verstorbene Mitarbeiter in der Tageszeitung schaltete. Für die Angehörigen ist das ein Schlag ins Gesicht und in der Außenwahrnehmung peinlich und unangemessen.

6. Gestalten Sie mit den Mitarbeitern den Abschied
Manchmal ist eine interne Trauerfeier sinnvoll, gerade wenn die Teilnahme an der Beerdigung nicht möglich ist. Meiner Erfahrung nach stärkt dieses gemeinsame Ritual das Miteinander im Team und es kann allen Beteiligten dabei helfen, das Geschehene leichter zu verarbeiten. Stimmen Sie die Teilnahme von Mitarbeitern an der Beerdigung mit den Angehörigen im Vorfeld ab, denn manchmal soll die Beisetzung nur im kleinsten Familienkreis stattfinden. Erfragen Sie bei den Angehörigen, ob und in welchen Farben ein Kranz oder ein Blumengesteck erwünscht ist oder ob eher Spenden vorgesehen sind.

7. Achten Sie auf kulturelle und religiöse Unterschiede
Informieren Sie sich beim Todesfall über die besonderen kulturellen und religiösen Unterschiede. Die Teilnahme an der Beerdigung sollte grundsätzlich mit den Angehörigen abgestimmt werden, das gilt auch für Bestattungen von Menschen anderer Kulturen. Beachten Sie, dass zum Beispiel im Islam die persönliche Kondolenz der schriftlichen ganz klar vorzuziehen ist. Meiner Erfahrung nach können wir viel von der Trauerkultur aus anderen Kulturen lernen. Immer wieder erlebe ich, wie vertraute und damit tröstende Rituale helfen können. Besonders die Selbstverständlichkeit, für Trauernde zu sorgen, wie wir sie zum Beispiel im Islam oder dem Judentum erleben, ist bewundernswert. Trauernde werden dort besucht, aber nicht bedrängt, sie bekommen das Essen zubereitet und werden unterstützt. Sie behalten, auch als Trauernde, ihren Platz innerhalb der Gesellschaft.

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Petra Sutor , Trauerbegleiterin

Petra Sutor

Petra Sutor ist Business Partner bei Ernst & Young sowie systemischer Coach und Trauerbegleiterin (BVT). Aktuell erschien von ihr das Buch „Trauer am Arbeitsplatz. Sprachlosigkeit überwinden – Fürsorgepflicht wahrnehmen – Trauerkultur entwickeln“.

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