Mit Smart Work zu mehr Energie und Produktivität

Personalmanagement

Eine kluge Arbeitsweise entlastet und verhindert Erschöpfung. Stephan Pfob von Berlin Alley hat Vorschläge, die man sofort ins Unternehmen integrieren kann.

Mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer_innen gibt mittlerweile an, dass ihre Arbeitslast gestiegen sei, fast jede/r Zweite klagt, für private Dinge häufig zu erschöpft zu sein. Kreativität und Empathie sind in den letzten Jahrzehnten messbar gesunken. Dabei wächst der Bedarf. Zudem wird mehr und mehr erwartet, „lebenslang” zu lernen – die Jobs von heute, so viele Studien (PDF), sind nicht mehr die von morgen.

Die Frage ist: Wie kann HR dabei helfen, Mitarbeiter nachhaltig zu entlasten und Arbeit zukunftssicher zu gestalten? Unsere Antwort lautet: durch einen klugen, psychologisch gesicherten Umgang mit den eigenen Energien. Zeitmanagement ist längst Energiemanagement geworden. Dazu müssen wir die Arbeit ausrichten an den Stärken, Bedürfnissen und Leistungsgrenzen, die wir als Menschen alle teilen. Dies nennt man heute Smart Work.

Hören wir auf, von Work-Life-Balance zu sprechen

Ein erster Schritt ist, sich von einem Ideal zu verabschieden. Das Gleichgewicht aus Arbeit und privater Zeit, „Work-Life-Balance” genannt, ist ein Bild, das uns irreführt. Es beschwört die Vorstellung getrennter, einheitlicher Sphären und erschwert so einen nachhaltig schonenden Umgang mit unseren Energien. Hierfür sprechen zwei Gründe:

Zum einen überlappen Arbeit und Freizeit sich mehr und mehr, was sowohl Vor- als auch Nachteile bringt: Wir nehmen Privates mit zur Arbeit und die Arbeit mit nach Hause – der Digitalisierung sei Dank. Arbeitsmuster werden immer komplexer und vor allem kreative Tätigkeiten sind oft ergebnisoffen und begleiten uns über den Feierabend hinaus. Die Frage ist also längst nicht mehr, wie man zwei Hälften balanciert, sondern wie man verschiedene Tätigkeiten integriert und kombiniert. Und diese Integration erfordert neue Filter- und Erholungstechniken.

Von einem Gleichgewicht der Sphären ist schon deshalb nicht zu reden, weil diese, energetisch gesehen, aus derselben Quelle schöpfen. So greifen Konzentration, Empathie und Kreativität beruflich und privat auf dasselbe Reservoir an Willenskraft zurück. Ebenso sind unsere guten wie schlechten Gewohnheiten, mit denen wir unsere Angelegenheiten erledigen, zumeist dieselben. Ein schonender Umgang mit unseren Energien ist daher nur möglich, wenn wir dieses Reservoir und unsere Gewohnheiten ganzheitlich sehen.

Als Vorbild gegen Multitasking

Es ist inzwischen gut belegt, dass Menschen nicht multitasken können. Das Wort bezeichnet ursprünglich die Fähigkeit von Computern, mehrere Operationen gleichzeitig auszuführen. Menschen können das nachweislich nicht, jedenfalls nicht bei Aufgaben, die Konzentration erfordern. Wenn wir eine E-Mail lesen und gleichzeitig einer Kollegin zuhören, springt unser Fokus zwischen beiden hin und her und verbraucht bei diesen Übergängen mehr Kraft (und letztlich Zeit), als wenn wir das eine nach dem anderen tun. Auch die meisten Unterbrechungen am Arbeitsplatz stellen faktisch Multitasking dar.

Die Folgen sind fatal. Auf kürzere Sicht verringert Multitasking unsere geistige Leistungsfähigkeit, erhöht mittelfristig Stress und führt langfristig zu einer Abnahme von Konzentration, Kreativität und Empathie. Besonders verhängnisvoll sind hier zwei Teufelskreise: Erstens, Multitasking verstärkt sich quer über alle Lebensbereiche – das abendliche Smartphone macht uns letztlich auch am Morgen fahrig. Zweitens: Je häufiger wir abgelenkt werden, desto häufiger lenken wir uns selber ab – und anders herum.

Bloße Appelle bringen im Arbeitskontext wenig, um diese Teufelskreise zu durchbrechen. Sinnvoll ist allein eine Kombination aus Aufklärungsarbeit, einer Umgestaltung des Arbeitsumfeldes und eine Vorbildrolle des Managements. Für Personaler ist die Herausforderung oft besonders groß. Zum Beispiel steht bei vielen die Bürotür offen, um immer ansprechbar zu sein. Das Bedürfnis dahinter ist verständlich. Nur: Die Arbeit, die eine Kollegin unterbricht, die in der Tür steht, setzt unser Kopf noch fort, während wir längst mit ihr reden. Hier verlieren beide Seiten.

Hier gilt es, konsequent zu sein. Feste Sprechzeiten etwa erleichtern, genau und aufmerksam zuzuhören. Viele kleinere Angelegenheiten kann man auch auf dem Weg zum Kaffeeautomaten besprechen, Stichwort „open floor statt open door”. Digitale Kommunikation hat die Erwartung geschürt, immer und überall erreichbar zu sein. Das gilt es zurückzunehmen: Wer immer erreichbar ist, ist nie wirklich da. – Zudem merkt die Kollegin, ob wir aufmerksam zuhören, und fühlt sich, wenn das der Fall ist, mehr wertgeschätzt.

Mehr Wertschätzung reduziert Stress

Zu den Hauptquellen von Stress zählt mangelnde Anerkennung. Diese Stressform setzt sich in der Regel nach Arbeitsschluss fort. Dabei verstärken Stress und Empathiedefizit sich wechselseitig und über alle Hierarchien und Lebensbereiche hinweg. Oft fehlt uns die Kraft, einander das zu geben, was uns Kraft verleiht: Anerkennung, auch für die kleinen Dinge. Vor allem Führungskräften fällt oft schwer, jene Empathie aufzubringen, die erforderlich ist, um angemessen wertzuschätzen.

Ein erster, sehr einfacher Schritt zu mehr Anerkennung ist das Wertschätzungstagebuch. Nehmen Sie sich dazu fünf Minuten pro Tag und notieren Sie, was Sie tagsüber an Ihren Kolleg_innen geschätzt haben. Konzentrieren Sie sich dabei eher auf konkrete Handlungen als auf allgemeine Charakterisierungen. So vergessen Sie nicht, womit Sie andere glaubwürdig motivieren können, und sensibilisieren sich selbst, deren Leistungen besser zu sehen. Was Sie in dieser kurzen Zeit notieren, kann im Gespräch für lange Zeit den Selbstwert heben.

Die Zukunft erfordert Menschlichkeit

Wenn die Prognosen stimmen, gehört die Zukunft ohnehin einer Arbeit, die menschlicher ist: Sie wird statt reaktiver Fähigkeiten mehr Empathie und Kreativität von uns verlangen. Das ist einerseits eine Chance. Die Gefahr dabei: Wenn wir weiterhin arbeiten wie Computer, werden wir leichter von ihnen ersetzt. HR kann helfen, die Chance wahrzunehmen und die Gefahr abzuwenden. Dazu gilt es, Arbeit und Leben integrativ zu denken und dabei ein Vorbild zu sein. Kleine, smarte Arbeitsweisen, wie unsere drei Vorschläge, konsequent verfolgt, können hier von großer Wirkung sein.

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(c) cphotographyberlin

Stephan Pfob

Stephan Pfob ist Smart Work Guide, Co-Founder von Berlin Alley und Co-Autor von "Wertschätzung. Ein Praxisbuch". Davor war er unter anderem als Informationsdesigner, als Lehrer und in der Verwaltung tätig. Seit dem Studium der Philosophie forscht und berät er zu Fragen des Sinns und den Grundlagen unseres Denkens.

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