Sollen Gehälter offengelegt werden?

Personalmanagement

Nicht erst seit dem Vorstoß von Familienministerin Manuela Schwesig im Frühjahr wird das Thema Gehaltstransparenz diskutiert. Gerade in Deutschland ist man skeptisch. Über Geld redet man nicht, erst recht nicht über das Gehalt. Doch es gibt auch Stimmen, die für mehr Offenheit plädieren und darin generell eine Chance für mehr Transparenz in Unternehmen sehen.

Nein, meint Joachim Schledt. Für den Alnatura-Personalleiter birgt eine Offenlegung von Einkommen diverse Risiken, derer sich die Unternehmen bewusst sein müssen.

Ja, sagt Lars Vollmer. Für den Berater und Autor ist es heute schlicht eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

 

Lars Vollmer Ohne vernünftige Informationen können sich Mitarbeiter nicht ins Unternehmen einbringen, obwohl gerade dies heute gefordert wird, meint Lars Vollmer.

Die Sache mit den Gehältern bringt die Gemüter ins Wallen. Da sprudelt selbst bei Pokerface-Geschäftsmännern die Emotionalität. Begeisterung, Ärger, Missgunst, Neid, Wohlwollen, Teamgeist – alles ist dabei. Auch berechtigte Sorgen.

„Das geht doch nicht! Das verursacht doch nur Neid unter den Mitarbeitern.“

Ja, das kann ich schon verstehen. Neid will im Unternehmen keiner. Aber Neid ist auch eine tief menschliche Regung, sie ist immer da. Und wird durch Intransparenz nur verstärkt.

Außerdem ist die Frage, ob ein Gehalt gerecht ist, gar nicht so leicht zu beantworten. Was ist überhaupt gerecht? Es werden sich nie alle gerecht behandelt fühlen und individuelle Gehaltsunzufriedenheit wird es immer geben. Aber Transparenz hält die Unzufriedenheit so gering wie möglich, weil nämlich keiner raten muss, was der andere verdient. Soll heißen: Wer keine Leichen im Keller hat, kann seine Gehälter auch offen legen.

„Aber mit unseren Mitarbeitern ist das nicht machbar! Die sind noch nicht bereit dafür!“ Verstehe ich auch irgendwie. Schließlich weiß niemand, wie die Menschen ticken. Aber gehen Sie doch einfach mal davon aus, dass auch in Ihrem Unternehmen mündige erwachsene Menschen arbeiten. Was bleibt Ihnen auch anderes übrig?

In meinem Unternehmen gab es auch Gegenwehr gegen den Vorschlag, alle Gehälter offenzulegen. Inmitten des Gezeters drehte mein Kompagnon dann einfach das vorbereitete Blatt mit den Gehältern um. Da gab es eine kurze Diskussion. Aber nach wenigen Minuten war die Aufruhr schon wieder vorbei.

Viel problematischer als diese kleinen menschlichen Probleme finde ich darum etwas ganz anderes: Wenn sich Unternehmer über fehlendes Verantwortungsbewusstsein und mangelnde Eigeninitiative ihrer Mitarbeiter beschweren, aber nicht verstehen, dass sich ihre Mitarbeiter ohne vernünftige Informationen nicht ins Unternehmen einbringen können.

Es ist doch ganz einfach: Wenn Sie unternehmerisch denkende Mitarbeiter haben wollen, müssen Sie den Menschen auch unternehmerische Informationen bereitstellen. Und das bedeutet: nicht nur offene Gehälter, sondern Zugang zu allen Zahlen. Die können ruhig auch aufbereitet sein. Aber Daten zu verheimlichen, ist im Allgemeinen ein Mittel von Propaganda und führt zu unmündigen Menschen.

Ja, Mitarbeiter brauchen Wissen über Einnahmen und Ausgaben. Sie brauchen einen Einblick, wie Werte im Unternehmen entstehen und was es braucht, um Leistung für Kunden zu erzeugen. Denn absolute Transparenz ist der Rohstoff für vernünftige Diskussionen. Und wenn Sie Verantwortungsgefühl und Selbstorganisation steigern wollen – und das ist der einzige Weg, in der komplexen Welt zu bestehen –, dann brauchen Sie denkende Mitarbeiter und ein lebendiges und diskutierendes Unternehmen.

Nicht erst seit dem Vorstoß von Familienministerin Manuela Schwesig im Frühjahr wird das Thema Gehaltstransparenz diskutiert. Gerade in Deutschland ist man skeptisch. Über Geld redet man nicht, erst recht nicht über das Gehalt. Doch es gibt auch Stimmen, die für mehr Offenheit plädieren und darin generell eine Chance für mehr Transparenz in Unternehmen sehen.

Ja, sagt Lars Vollmer. Für den Berater und Autor ist es heute schlicht eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

Nein, meint Joachim Schledt. Für den Alnatura-Personalleiter birgt eine Offenlegung von Einkommen diverse Risiken, derer sich die Unternehmen bewusst sein müssen.

 

Joachim Schledt Eine Offenlegung führt zu Unzufriedenheit bei sich vergleichenden Kollegen. Solch eine Diskussion ist für Unternehmen kaum mehr einzufangen, meint Joachim Schledt.

Die gesellschaftliche Akzeptanz der Einkommenstransparenz ist in Deutschland nicht stark ausgeprägt. Menschen in unserem Land fällt es nicht leicht, in einer gewissen Souveränität und Lockerheit über das eigene Einkommen zu reden. Laut einer Studie des Gehaltsportals Glassdoor gaben 63 Prozent der Franzosen und 42 Prozent der Briten an, sie hätten kein Problem damit, über ihr Gehalt zu sprechen – in Deutschland waren es nur 28 Prozent. Diesen Aspekt sollte man als kulturelle Eigenart respektieren.

Damit verbunden ist auch das Recht des Mitarbeiters auf vertraulichen Umgang mit seinen Einkommensdaten. Wer gibt dem Unternehmen das Recht, Daten beziehungsweise Informationen über Mitarbeiter transparent zu machen, die der Mitarbeiter nicht transparent gemacht haben möchte?

Ein wesentliches Risiko bei Offenlegung der Gehälter ist für mich die Gefahr der sozialen Verwerfungen. Die dadurch entstehenden Vergleichsmöglichkeiten bieten Angriffspunkte und fordern Erklärungen bei eventuellen Einkommensunterschieden. Das Gefühl von subjektiver Ungerechtigkeit kann durch die Transparentmachung entstehen. Meine Beobachtung ist, dass Einkommensvergleiche in der Regel mit denjenigen vorgenommen werden, die ein höheres Einkommen erhalten als man selbst. Oder man vergleicht sich mit subjektiv wahrgenommenen „gleichwertigen Performern“. Dass es auch einen externen Markt für gewisse Qualifikationen gibt, wird vom Betrachter dabei häufig außer Acht gelassen. Es gibt einerseits branchenspezifische Unterschiede: So ist zum Beispiel derzeit der Markt im IT-Bereich ein anderer als der für Ökotrophologen. Andererseits gibt es auch regionenspezifische Unterschiede. Das Gehaltsgefüge in München ist ein anderes als in Görlitz. Solche Aspekte spielen in der Gehaltsfindung eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Das Argument, dass Gehaltstransparenz zu einer faireren Vergütung führt, weil die erbrachte Leistung dadurch objektiver beurteilt werden kann, ist für mich fadenscheinig. Fairnessempfinden kommt nicht aus dem Abgleich der individuellen Leistung und dem Gehalt, sondern immer aus dem Vergleich mit anderen.

Unzufriedenheit bei den sich Vergleichenden kann vielleicht im positiven Falle eine konstruktive Energie freisetzen und Klarheit schaffen. Meine These ist allerdings eher, dass in den meisten Unternehmen in Deutschland derzeit der Schuss nach hinten losgehen wird und die Diskussionen kaum noch einzufangen sind. Das Unternehmen beschäftigt sich mehr mit sich selbst und verliert Energien für den Markt.

Von daher gilt es gut zu überlegen: Cui bono? Was bringt uns eine Offenlegung der Einkommen und wem bringt sie etwas? Ich meine, in Deutschland sind wir noch nicht so weit und ich bezweifle, dass ein Gesetz das Gute bewirkt, das es beabsichtigt. Nicht alles was gut gemeint ist, ist auch immer gut.

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Lars Vollmer

Redner und Autor

Joachim Schledt

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