Corporate Fashion ist mehr als Kleidung

Corporate Wear

Zwischen den meterhohen Türmen aus metallenen Gitterboxen herrscht eigentlich geschäftiges Treiben. Für einen Moment wurde die Arbeit bei dem Blechbearbeitungsunternehmen Franz Hof für fünf Personen jedoch unterbrochen – denn es war Zeit für das geplante Fotoshooting. In schwarzen Hoodies, Shirts und Jacken posieren die Mitarbeitenden des mittelständischen Familienunternehmens und lächeln in die Kamera.

 

© Franz Hof
© Franz Hof

Fotoshooting mit den eigenen Mitarbeitenden in der neuen Arbeitskleidung beim Blechbearbeitungsunternehmen Franz Hof.

Die Fotomodelle mussten nicht lange gesucht werden, erzählt Katharina Eller. Sie arbeitet seit sieben Jahren bei Franz Hof und verantwortet dort mittlerweile das Marketing und Personalmanagement. „Wir hatten keinen Aushang oder Ähnliches, sondern gingen direkt zu unseren Mitarbeitenden und fragten, ob sie Lust daran hätten.“ Die neue Arbeitskleidung sei ein Teil des vergangenen Rebranding-Prozesses des gesamten Unternehmens gewesen. „Es war einfach Zeit für etwas Neues und wir wollten mit dem neuen Design ein Alleinstellungs- und Wiedererkennungsmerkmal in der Region haben.“

Kleidung ist Kommunikation

Corporate Fashion leistet einen enormen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Da ist sich Nicole Dornberger sicher. Sie berät seit mehr als 15 Jahren Unternehmen und Einzelpersonen in Stilfragen. Als externe Image-Beraterin wurde sie beispielsweise von dem hannoverschen Verkehrsunternehmen ÜSTRA hinzugezogen, als 1.300 Mitarbeitende eine neue Dienstkleidung bekamen. Arbeitskleidung übernimmt viele verschiedene Funktionen, doch vor allem: Sie ist ein erheblicher Kommunikationsfaktor. Wenn Mitarbeitende, die Corporate Fashion tragen, mit der Kundschaft in Kontakt treten, machen sie Unternehmenswerte sofort erlebbar. „Innerhalb weniger Sekunden entscheiden Menschen, ob sie jemanden sympathisch finden oder nicht. Dieser Eindruck überträgt sich auch auf das Unternehmen.“

Dienstkleidung sei immer auch visueller Kunden­service, ein Erkennungsmerkmal. Denn Kunden sehen auf den ersten Blick, wer der richtige Ansprechpartner für ihr Anliegen ist. Gleichzeitig werden Mitarbeitende dadurch zum Gesicht des Unternehmens. „Mitarbeitende in Corporate Wear sind immer Markenbotschafter“, so die Beraterin. Dabei gehe es um weit mehr als das äußere Erscheinungsbild der Mitarbeitenden. Das Verhalten spielt eine ebenso wichtige Rolle: Treten die Mitarbeitenden sympathisch und professionell auf? Vermitteln sie die Werte des Unternehmens auf positive Weise? Denn individuelles Fehlverhalten der Mitarbeitenden könne wiederum auch auf das Unternehmen zurückfallen. Ein neues Corporate-Fashion-Projekt soll sich laut Dornberger daher nicht nur auf die Bereitstellung neuer Arbeitskleidung beschränken, sondern bietet Unternehmen zusätzlich die Möglichkeit, Unternehmenswerte und Corporate Identity auf eine ganz andere Art den Mitarbeitenden näherzubringen. Ein Corporate-Fashion-Coaching kann die drei Branding-Bausteine Corporate Design, Corporate Communication und Corporate Behavior zusammenbringen.

Corporate Fashion ist dabei weit mehr als nur eine optische Visitenkarte, stellt Dornberger klar. „Unternehmenskleidung prägt nicht nur das Markenimage nach außen, sondern wirkt als identitätsstiftender Faktor ebenso stark nach innen.“

Gemeinschaftsgefühl stärken

Diese Beobachtung teilt auch Katharina Eller. „Ich höre immer wieder, dass ein einheitliches Branding und Unternehmenskleidung etwas in den Mitarbeitenden verändert.“ Es schaffe ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Daher ist es besonders wichtig, dass sich alle Mitarbeitenden in ihrer Kleidung wohlfühlen. Deshalb rät sie, viel Zeit für den Prozess neuer Arbeitskleidung einzuplanen und beim Design auch professionelle Dienstleister in Betracht zu ziehen und nicht nur auf Standardlösungen zu setzen. „Es ist ziemlich einfach, sein Unternehmenslogo auf Kleidung drucken zu lassen. Aber vielleicht ist es auch nicht immer das, was Mitarbeitende wirklich möchten.“ Damit die Kleidung gut angenommen wird, ist es außerdem wichtig, dass sie nicht einfach von oben verordnet wird. Projektverantwortliche könnten sich zudem selbst kontrollieren und sich die scheinbar simple Frage stellen: Würde ich die Kleidung selbst tragen wollen? Am besten werden Mitarbeitende oder ausgewählte Verantwortliche früh einbezogen. „Bei uns waren in dem Prozess neben der Geschäftsführung zum Beispiel zusätzlich der Fertigungsleiter und Kollegen vom Vertrieb involviert.“

Zusammenarbeit lohnt sich

„Wir haben immer wieder Anproben mit dem Hotelpersonal und auch mit Models gemacht, aber vor allem mit den Mitarbeitenden selbst. So konnten wir schauen, wie gut die Schnitte passen. Wie sie sich bewegen können, ob es bequem ist oder ob wir etwas ändern müssen“, erinnert sich Stefan Rennicke. Gemeinsam mit Stefanie Rennicke gründete er den nachhaltigen Work-Wear-Hersteller Kaya & Kato. In Kooperation mit dem Designer Bernd Keller entwickelten sie unter anderem die Arbeitskleidung für die Hotelkette Dorint, die dieses Jahr neu eingeführt wurde.

© Stefan Rappo

Porträt- und Nudefotograf Stefan Rappo setzte die neue Workwear-Kollektion der Dorint Hotels fotografisch ins Szene.

Besonders beeindruckte ihn die enge Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung. „Von Anfang an waren Arbeitnehmer in den Prozess mit eingebunden.“ Selbstverständlich hätten alle involvierten Parteien auch unterschiedliche Wünsche, die ausgehandelt werden müssen. Hinzu kommen die Anforderungen an die Kleidung selbst, denn die Textilien müssen einiges leisten. Das ist von Branche zu Branche unterschiedlich. In der Gastronomie und Hotellerie müssen Textilien zum Beispiel leasingfähig sein, also durch einen externen Dienstleister ausgeliefert, zurückgenommen und gewaschen werden können. Vor allem müssen sie jahrelang die strapaziöse Industriewäsche überstehen. All das musste auch getestet werden. „Die besondere Herausforderung ist hier, dass die Kleidung modisch sein muss und gleichzeitig eine Mode, die zeitlos ist.“

„Der zeitliche Faktor ist wirklich nicht zu unterschätzen“, erklärt Rennicke. Der gesamte Prozess für die neue Dienstkleidung der Dorint Hotels habe mindestens anderthalb Jahre gedauert. „Es war eine längere Abstimmung, die aber bei so einem großen Projekt mit sehr vielen Mitarbeitenden wohl auch angebracht ist.“ Die neue Kleidung kommt nun in rund 45 Ressorts zum Einsatz.

Mehr Individualität trotz ­Uniform

Ganz allgemein sei heutzutage Corporate Fashion wesentlich entspannter geworden, viel sportiver, beobachtet Beraterin Nicole Dornberger. „In vielen Business-Outfits ist die Krawatte heutzutage im Business-Bereich fast schon verschwunden – stattdessen kann man vielleicht mal ein witziges Accessoire wie Hosenträger oder ein Basecap in Erwägung ziehen.“ Die Wahl hänge dabei natürlich von der Branche und der Zielgruppe ab. Generell sei Corporate Fashion heute moderner, frecher und funktionaler. Sie sollte möglichst individuell sein und auch junge Menschen ansprechen. Ohne dass sie sich verkleidet fühlen. „Das Wohlfühlen ist entscheidend. Denn nur wenn die Kleidung bequem ist und gerne getragen wird, kann sie nach außen hin positiv vermitteln.“

Ein weiterer Trend ist in den letzten Jahren zu beobachten: mehr Individualität, auch über Geschlechtergrenzen hinweg. Im September 2022 reformierte die britische Fluggesellschaft Virgin Airlines ihre Uniform und hob die Geschlechtergrenzen auf. Die Mitarbeitenden im Cockpit oder in der Crew können nun frei zwischen Hosenanzug und Rockkombination entscheiden. Auch die im November 2022 neu eingeführte Dienstkleidung bei der Deutschen Bahn ist geschlechtsneutral. Die Angestellten können aus 80 Kleidungsstücken und Accessoires frei wählen und eigene Arbeitsoutfits individuell kombinieren. Dieses Baukastenprinzip findet sich in vielen Unternehmen wieder – so auch bei McDonald’s. Das Unternehmen führte zum 50. Firmenjubiläum in 2021 schrittweise in Deutschland eine neue Arbeitsuniform mit 20 individuell zusammenstellbaren Elementen ein, das MDress. Baukastensysteme bergen jedoch laut Dornberger auch immer zusätzliche Herausforderungen: „Es ist immer ein Balanceakt zwischen mehr Individualität für die Mitarbeitenden und einem einheitlichen Gesamterscheinungsbild.“

Auch bei Franz Hof können Mitarbeitende aus mehreren Kleidungsoptionen wählen: T-Shirts, Poloshirts, Sweatshirts, Hoodies und Jacken. Eine Auswahl gab es auch beim Slogan, der auf den Kleidungsstücken stehen sollte: „Gut in Form“, „Freedom to form“, „Stanz dich glücklich“ oder „Do Epic Sheets“. Mittlerweile werden im Unternehmen die T-Shirts mit aufgedruckten Vornamen der Mitarbeitenden bestellt. Das sorge dafür, dass sich innerhalb des Familienunternehmens alle Mitarbeitenden direkt mit dem Vornamen ansprechen können.

Je nach Einsatzort im Unternehmen gibt es bei der Arbeitskleidung Verschiedenes zu beachten. Denn anders als in der Fertigung, sei zum Beispiel in der Verwaltung das Tragen von Dienstkleidung nicht vorgeschrieben. „In der Fertigung erfüllt Arbeitsbekleidung auch zusätzliche Anforderungen. Dazu gehören auch Sicherheitsbestimmungen wie zum Beispiel das Tragen von Sicherheitsschuhen, teilweise von Gehörschutz oder Sichtschutz beim Schweißen“, erklärt Katharina Eller. Im Unternehmen gab es verschiedene Starterpakete für die neu eingeführte Arbeitskleidung. Mitarbeitende in der Fertigung erhielten acht Oberteile, mehr als beispielsweise die Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung. Damit sie für eine ganze Schicht und eine Arbeitswoche gut ausgestattet seien und noch Ersatz haben. Wenn ein Kleidungsstück kaputtgeht, sei das kein Problem. „Das ersetzen wir dann einfach und bestellen nach.“ Aufgrund der positiven Rückmeldung in der Belegschaft und der hohen Nachfrage plant das Familienunternehmen bald eine große Bestellung aufzugeben, bei der der Arbeitsgeber rund die Hälfte der Kosten für zusätzliche Kleidungsstücke übernimmt. Die übrigen Kosten der Mitarbeitenden werden vom Unternehmen separat gesammelt und für einen guten Zweck gespendet. „Manche Mitarbeitende tragen die Arbeitskleidung nämlich auch in der Freizeit.“

Nachhaltigkeit rückt in den Fokus

In den letzten Jahren rückten Fragen der Nachhaltigkeit ebenso in den gesamtgesellschaftlichen Fokus und somit auch vermehrt in Corporate Fashion. Denn auch ethische Standards sowie Einstellungen zu fairen Arbeitsbedingungen können zu den Werten gehören, die Unternehmen mit ihrer Arbeitsbekleidung repräsentieren. „Wenn ein Unternehmen Arbeitskleidung zur Verfügung stellt, übernimmt es in vielerlei Hinsicht Verantwortung“, sagt Dornberger dazu. Dieser Aspekt spiele zudem im Employer Branding eine immer größere Rolle. Mitarbeitende legen zunehmend Wert darauf, dass ihre Arbeitskleidung nachhaltig ist. „Sie möchten sich mit den Unternehmenswerten identifizieren und sie wissen, dass diese auch in der Kleidung zum Ausdruck kommen.“ Nach ihrer Einschätzung nehmen Unternehmen und Hersteller von Work Wear mitunter bei Nachhaltigkeitsfragen Vorreiterrollen ein.

Neben den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und dem Unternehmensimage zahlen auch politische Entwicklungen darauf ein, wie das Lieferkettengesetz oder Initiativen wie der Grüne Knopf, ein staatliches Siegel, das nachhaltige Textilien kennzeichnet. Und der Wunsch von Unternehmen selbst, Verantwortung zu übernehmen und im Rahmen von Corporate Social Responsibility gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Denn die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche sind in vielen Ländern katastrophal, Ausbeutung und gesundheitliche Risiken sind permanente Begleiter im Arbeitsalltag.

Ende 2020 unterzeichneten zum Beispiel der Deutsche Caritasverband und die Diakonie eine gemeinsame Absichtserklärung mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, um den Bestandteil nachhaltiger Arbeitskleidung und Flachwäsche, wie Bettwäsche oder Handtücher, in ihren Einrichtungen signifikant zu steigern. Großes Potenzial mit Auswirkungen auf über eine Million Mitarbeitende in rund 56.000 Einrichtungen. Dass sich immer mehr Unternehmen für nachhaltige Arbeitskleidung und faire Arbeitsbedingungen öffnen, sieht auch Stefan Rennicke. „Der Nachhaltigkeitsgedanke bei Work Wear war ursprünglich in der Gastronomie schon damals stärker vorhanden. Viele Köche haben beispielsweise auf nachhaltige Zutaten geachtet und das Prinzip der Nachhaltigkeit dann auch auf die Arbeitskleidung übertragen. Das weitet sich immer mehr aus.“

Neues Image

Wie Corporate Fashion wahrgenommen wird, hat sich ebenfalls in den letzten Jahren zum Positiven geändert. Das sehe man laut Dornberger bereits an den verschiedenen Bezeichnungen. „Von der Dienstkleidung geht es sprachlich viel in Richtung Corporate Wear, Work Wear oder Team Wear. Das klingt alles schon ganz anders und nicht mehr nach angestaubten Klamotten aus der Kleiderkammer.“ Am Ende kommt es immer auf die Unternehmen selbst und die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden an. „Das Wichtigste ist der Faktor Mensch, die Akzeptanz in der Belegschaft“, fasst es die Beraterin zusammen. Und Corporate Fashion könne durchaus Vorteile für die Mitarbeitenden bringen. Sie müssten nicht in die Berufskleidung investieren, wenn sie diese vom Unternehmen gestellt bekommen, Reinigungskosten werden oft übernommen oder lassen sich steuerlich absetzen. „Und ganz ehrlich: Es macht den Arbeitsalltag auch zuweilen leichter. Ich muss morgens nicht überlegen: Was ziehe ich denn eigentlich an? Sondern ich greife in meinen Kleiderschrank und habe gleich Kleidung parat, in der ich mich wohlfühle.“

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Branding. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Charleen Rethmeyer

Charleen Rethmeyer

Charleen Rethmeyer ist Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager. Dort absolvierte sie zuvor ebenfalls ihr Volontariat. Die Berlinerin hat einen Bachelorabschluss in Deutsche Literatur sowie Kunst- und Bildgeschichte und arbeitete mehrere Jahre freiberuflich für mehrere Berliner Verlage. Sie schreibt mit Vorliebe Features und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Zukunft der Arbeitswelt.

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