Deutsche Bahn: Mehr Individualität bei der Dienstkleidung

Diversity

Das Personal der Deutschen Bahn ist im Zug sofort an den Farben Burgundy und Blau zu erkennen. „Die Dienstkleidung zeigt: Ich bin jetzt für euch da“, sagt Harald Ammon, Kundenbetreuer im Nahverkehr, „und sie zeigt auch ein Stück weit, dass man zur großen Familie der Eisenbahner gehört.“ Diese Familie respektiert Vielfalt: Seit November 2022 ist die Dienstkleidung geschlechtsneutral. Die knapp 48.000 DB-Angestellten, die in ihrem Arbeitsalltag die Bahn in Burgundy und Blau repräsentieren, können aus mehr als 80 Kleidungsstücken und Accessoires wählen und sich so das eigene Arbeitsoutfit individuell zusammenstellen.

Die Einführung

Von der ersten Idee bis zur Einführung einer geschlechtsneutralen Unternehmensbekleidung dauerte es knapp drei Jahre. Bettina Melzer, Expertin für betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention und unter anderem zuständig für die Unternehmensbekleidung der Deutschen Bahn, betont, dass die Grundmotivation für die Neuregelung war, „dass sich alle Mitarbeitenden ihrer Funktion entsprechend so kleiden können, wie sie sich am wohlsten fühlen.“

Davor war es zwar für die Belegschaft auch schon möglich, unabhängig vom Geschlecht Kleidungsstücke aus der Männer- und Frauenkollektion zu wählen, doch die jeweilige Führungskraft musste dann die Wahl der Kleidungsstücke aus der jeweils anderen Kollektion genehmigen. „Nun können Mitarbeitende unabhängig vom Ermessen ihrer Führungskraft einfach die Artikel wählen, die sie am liebsten tragen möchten“, so Melzer. Die Einzelteile sind in einem unternehmensinternen Onlineshop bestellbar.Die Änderungen in der Unternehmensbekleidung sind bei der Deutschen Bahn mitbestimmungspflichtig, die Kleidungsstücke und Wahlmöglichkeiten mussten also durch die Betriebsräte und Betriebsrätinnen gestattet werden. Bettina Melzer betont, dass alle Entscheidungsinstanzen des Konzerns geschlossen hinter der Neuregelung standen. Ebenso wurden in den Richtlinien auch die Begriffe „Herren“ und „Damen“ komplett entfernt. Das Regelwerk war aber laut Melzer auch vorher schon relativ neutral formuliert.

Reaktionen der Belegschaft

Harald Ammon, der seit mittlerweile 33 Jahren für die Deutsche Bahn arbeitet, beschreibt die Reaktionen des Zugbegleitdienstes als ein „ungläubiges Staunen“ – vor allem, weil es mit der Entscheidung und der darauffolgenden Neuregelung so schnell ging. Abgesehen von ein paar Skeptikerinnen und Skeptikern innerhalb der Belegschaft seien besonders die weiblichen Angestellten von der Option begeistert, nun auch Hemden tragen zu dürfen, die davor den Herren vorbehalten waren, so der Kundenbetreuer: „Die haben einen schöneren Schnitt.“ Auch von den Hosen seien die Kolleginnen angetan. Er selbst, wie auch viele andere seiner männlichen Kollegen, nutzt vor allem die Möglichkeit, nun ein Halstuch statt einer Krawatte tragen zu können. Laut Ammon ist es in der Belegschaft auch mit einem leichten Stolz verbunden, dass die Deutsche Bahn so modern ist. „Man hat die Dienstkleidung ja den ganzen Tag an, da soll man sich wohlfühlen. Ein Mensch, der sich wohlfühlt, macht auch gute Arbeit.“

Unterstützung von queerem Netzwerk

Auch Norbert Nirschl, ICE-Bereitstellungsdisponent und ehrenamtlicher Sprecher von Railbow, dem LGBTIQ*-Netzwerks der Deutschen Bahn, begrüßt die Neuregelung. Die genderunabhängige Arbeitskleidung sei eine Forderung gewesen, die das Netzwerk schon seit vielen Jahren immer wieder platziert hatte. „Deswegen war die Freude umso größer, als das dann tatsächlich umgesetzt worden ist.“ Die Mitglieder des Railbow-Netzwerks waren positiv überrascht, als Bettina Melzer mit dem Vorhaben auf sie zukam, und standen dazu immer wieder im Austausch. „Ich habe die Vorabinformation bekommen und es war wirklich sehr schwer, das bis zum Veröffentlichungstermin zurückzuhalten“, so Nirschl. Gendergerechte Arbeitskleidung habe für ihn mit Gleichheit und vor allem auch mit Wertschätzung und Respekt zu tun – egal ob sich eine Person wegen eines queeren Hintergrunds für ein bestimmtes Kleidungsstück entscheide oder aus anderen Gründen. „Man respektiert damit die Mitarbeitenden in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit.“

Vor allem für trans* Personen sei die neue Regelung eine sehr große Erleichterung. Sie könnten jetzt die gewünschte Unternehmensbekleidung einfach bestellen, ohne mit der Führungskraft Rücksprache halten zu müssen, was letztlich immer eine kleine Hemmschwelle gewesen sei. Die Deutsche Bahn hat im vorletzten Jahr bereits einen Transitionsleitfaden entwickelt, um Mitarbeitende zu unterstützen, die diese Entwicklung durchleben, in alle Abteilungen hinein und in allen Prozessen, die daran beteiligt sind.

Eine Umsetzung mit Nachahmungseffekt

Bei Bettina Melzer haben sich auch Bahnunternehmen aus anderen Ländern gemeldet, darunter die Österreichischen Bundesbahnen. „Sie haben uns nach Tipps für die Umsetzung gefragt, weil sie das auch gerne einführen würden.“

Der Kundschaft sei die Änderung nicht direkt aufgefallen. „Als die Änderung kommuniziert wurde, haben viele erwartet, dass dann überall Männer in Röcken arbeiten. Das ist aber bisher nicht der Fall“, sagt Railbow-Sprecher Nirschl. Melzer fügt hinzu: „Wir haben die Reform aber auch zur kalten Jahreszeit eingeführt, mal gucken, ob sich das im Sommer ändert.“ Kundenbetreuer Harald Ammon stellt fest, dass gerade die ältere Bevölkerung auf dem Land dafür überraschend offen sei: „Bei mir saß mal eine ältere Dame im Zug, die meinte, sie freut sich darauf, wenn mal der erste Schaffner einen Rock anhat, denn sie möchte auch mal ein schönes Männerbein sehen.“

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Spielen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Jasmin Nimmrich, Volontärin Human Resources Manager

Jasmin Nimmrich

Volontärin
Quadriga Media GmbH
Jasmin Nimmrich war Volontärin beim Magazin Human Resources Manager. Zuvor hat sie einen Bachelor in Politik und Wirtschaft an der Universität Potsdam abgeschlossen.
Senta Gekeler, Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager

Senta Gekeler

Senta Gekeler ist freie Journalistin. Sie war von 2018 bis 2023 Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager.

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