Die Magie des guten Rufs

Reputation

Im April des laufenden Jahres brennen in Deutschland und in Italien Teslas ab. Der Verdacht liegt nahe: Brandstiftung. Parallel demonstrieren Menschen weltweit, darunter auch in Berlin, vor Tesla-Autohäusern gegen den Elektroautokonzern. Hintergrund: Die Nähe des Gründers und CEOs Elon Musk zur Regierung von US-Präsident Donald Trump und zu rechtspopulistischen Positionen, die in Europa zu einem massiven Imageschaden geführt hat.

Viele boykottieren den Hersteller nun, darunter auch Firmenkunden wie Rossmann. In Europa brechen die Verkaufszahlen allein diesen April um rund 50 Prozent ein, weltweit fallen die Verkäufe im ersten Quartal 2025 um 13 Prozent. Wer den Tesla in seiner Garage behalten, sich aber vom Konzern distanzieren will, versieht seinen Wagen inzwischen mit einem Sticker mit der Aufschrift „I bought this before Elon went crazy“. Der Fall zeigt deutlich: Ist der Ruf des Unternehmens oder des Eigentümers einmal beschädigt, kann das harte wirtschaftliche Konsequenzen und auch gesellschaftspolitische Folgen haben.

Umgekehrt lebt es sich mit einem intakten Ruf federleicht. So dürfte es etwa derzeit das HR-Team der Zeit Verlagsgruppe erleben, das nahezu erfolgsverwöhnt wirkt. Christin Spitzner leitet seit 2018 das HR-Ressort und blickt auf eine beachtliche Entwicklung zurück: Die Zahl der Bewerbungen ist laut eigenen Angaben seither von 4.500 auf 15.000 pro Jahr gestiegen.

Auf der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu steht die „Zeit“ mit 4,6 Sternen da, circa 90 Prozent der bewertenden Angestellten empfehlen den Arbeitgeber weiter. Immer wieder betonen Mitarbeitende die moderne Führungskultur, die strukturierten Onboarding-Prozesse und das respektvolle Miteinander. Und auch sonst geht’s dem Verlag trotz der Wirtschaftsflaute in Deutschland derzeit blendend, im vergangenen Jahr erzielte er einen Umsatzrekord. „Dass unsere Arbeitgebermarke so strahlt, hilft uns sehr“, sagt Spitzner.

Dank ihrer starken Reputation fliegen manchen Unternehmen Talente, Kundschaft und Kooperationen zu. Andere Betriebe müssen dagegen um all das stärker kämpfen. Sei es, weil sie als Hidden Champions oder Newcomer unbekannt sind oder weil sich im Internet die schlechten Bewertungen häufen. „Es dauert 20 Jahre, um sich einen Ruf aufzubauen, und fünf Minuten, um ihn zu ruinieren“, hat Investoren-Legende Warren Buffett einst treffend formuliert. Heute braucht es dafür nicht einmal einen riesigen Skandal, schon kleine Fehltritte können für gläsern gewordene Unternehmen fatal sein. Wie der Fall Tesla zeigt.

Ein guter Ruf eilt voraus

Das Image eines Unternehmens ist in erster Linie eine Entscheidungsabkürzung, sagt Karsten Kilian, Professor für Marketing und Markenmanagement an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Verbinden wir positive Gefühle mit einem Unternehmen, geben wir ihm unvermittelt den Vorzug.

Er vergleicht das mit einem Einkauf im Supermarkt: Müsste man sich etwa in einem asiatischen Laden unter lauter unbekannten Produkten und Marken zurechtfinden, wäre das im heimischen Discounter: Hier greift die Kundschaft meist automatisch zu den bereits vertrauten Produkten und Marken, die sie bereits mit einem positiven Image verbindet. „Ein guter Ruf hat eine Signalwirkung, das führt auch zur Bereitschaft, höhere Preise zu zahlen“, sagt Marketing-Experte Kilian.

Solche Effekte zahlen auch auf das Unternehmen als Arbeitgebermarke ein: Kilian erinnert sich an eine Studierende, die unbedingt bei Hugo Boss arbeiten wollte und sich nach ihrem fünfzehnten Bewerbungsversuch sehr über eine Stelle als Praktikantin freute – das dürfte einem unbekannten kleinen Modelabel als Arbeitgeber so wohl eher nicht passieren.

Die Privilegien eines Positiv-Images

Wie mächtig Reputation als Wirtschaftskapital ist, zeigt die neueste Reputations-Studie der Münchner Unternehmensberatung Biesalski and Company mit dem Fokus Markenwert. 2023 legten sie darin den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit – und das aus gutem Grund: „Nachhaltigkeit deckt 70 bis 80 Prozent aller relevanten Reputationsthemen ab“, sagt Alexander Biesalski, Geschäftsführer und Co-Autor der Studie. Mit anderen Worten: Ein Großteil der Aspekte, die zu einem guten Unternehmensruf beitragen, sortieren Menschen unter diesem Schlagwort ein. Allerdings geht es dabei nicht in erster Linie um ökologische Verantwortung und Bio-Siegel. Noch viel prägender für den Nachhaltigkeitsruf ist aus Sicht der Konsumenten, wie fair ein Unternehmen gegenüber seiner Kundschaft, seinen Mitarbeitenden und der Gesellschaft handelt und zum Beispiel auch, ob es langfristig Arbeits- und Ausbildungsplätze sichert.

Darum wurden etwa Automarken wie Audi, BMW und, trotz des Abgasskandals, sogar Volkswagen bei den Befragten als nachhaltiger wahrgenommen als die Deutsche Bahn – und das, obwohl Züge Deutschlands ökologischstes Verkehrsmittel sind. „Wenn Kunden es immer wieder am eigenen Leib erfahren, dass sich Züge um eine halbe Stunde verspäten, raubt das negative Erlebnis dem Unternehmen die Glaubwürdigkeit“, erläutert Biesalski. Entsprechend nahmen die Studienteilnehmenden die Deutsche Bahn als weniger fair gegenüber der Gesellschaft wahr als beispielsweise Audi. Selbst beim Thema Umweltschutz hatte der Autobauer eine höhere Bewertung erzielt als die Deutsche Bahn. Das zeigt: Eine gute Reputation kann bei den Menschen mitunter die Wahrnehmung verzerren.

Andersherum sorgt ein fairer Umgang mit Mitarbeitenden dafür, dass auch die potenzielle Käuferschaft ein Unternehmen als zukunftsfähig wahrnimmt. „Die Fairness als Arbeitgeber spielt für den Gesamtruf eines Unternehmens eine sehr wichtige Rolle“, sagt Biesalski. Umgekehrt dürften gerecht handelnde Unternehmen auch besonders gefragt bei Talenten sein, die in ihrem Job auf Sinnsuche gehen – und nicht zur Konkurrenz wechseln, sobald diese beim Gehalt einen Euro drauflegt.

Wie sehr die Reputation eines Unternehmens grundsätzlich den Umsatz und die Zahl der Bewerbungen beeinflusst, lässt sich schwer messen, sagt der Berater und Studienautor. Allerdings zeigt seine Studie, wie sich die Nachhaltigkeitswahrnehmung – die ja eng an Reputation gekoppelt ist – auf die Wertschöpfung auswirkt: Der Anteil am Umsatz, der sich allein durch die Nachhaltigkeitswahrnehmung von Unternehmen begründen lässt, liegt laut der Studie bei durchschnittlich zehn Prozent. Damit hat er sich im Vergleich zu einer vergleichbaren Studie aus dem Jahr 2016 verdoppelt.

Wie entsteht ein guter Ruf?

Wichtig ist: Unternehmen werden stets als Ganzes wahrgenommen – Kunden und Käuferinnen können selbst zu Bewerbenden werden, Angestellte sind oft gleichzeitig die Zielgruppe im Verkauf. Die Arbeitgebermarke und die Qualität des Produkts bedingen ihren Ruf also gegenseitig. Markenexperte Biesalski regt Unternehmen daher dazu an, Silos aufzulösen und als HR-Abteilung beispielsweise mit dem Marketing an einer gemeinsamen Strategie zu feilen. Doch wie lässt sich der Ruf konkret aufbessern?

In der analogen Welt bilden eine gute Qualität der Dienstleistungen und Produkte, qualifizierte Mitarbeitende und ein guter Service wie eh und je die wichtigste Grundlage für eine solide Reputation – so weit, so klassisch. Außerdem muss ein Unternehmen sichtbar sein, um an Kundschaft und an Talente zu kommen. „Suchmaschinenergebnisse, Kununu-Bewertungen und LinkedIn-Posts sind vor allem zentral für Unternehmen, die eher unbekannt sind“, sagt Marketing-Professor Kilian. Wenn Erfahrungswerte und Assoziationen fehlen, recherchieren Bewerbende besonders umfassend und formen sich ihr Bild vom Unternehmen auf Basis dessen, was sie online darüber finden.


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Mit Online-Kritik umgehen

Ist der im Netz vermittelte Eindruck negativ, haben Unternehmen ein Problem. Manche von ihnen wenden sich dann an Reputativ, eine Beratung, die Firmen bei ihrem digitalen Reputationsmanagement unterstützt. „Bei uns melden sich Kunden, die einen Schmerz in der Reputation erleiden – manche werden Opfer von Fake-Bewertungen, andere verzeichnen viele echte Negativbewertungen im Internet“, erzählt Geschäftsführer Alexander Hundeshagen. Manche der Arbeitgeber berichten ihm, sie müssten sich in Bewerbungsgesprächen wegen der schlechten Bewertungen bei Kununu und Co. rechtfertigen – sofern sie überhaupt noch Bewerbungen erhalten.

Klar: Manchen Unternehmen geschieht das recht, immerhin ist es eine Errungenschaft, dass sich interessierte Fachkräfte sowie Käuferinnen und Kunden online informieren können. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ganz gerecht werden Online-Bewertungen den Unternehmen nicht immer. „Grundsätzlich ist das Bild online immer etwas negativer dargestellt, da Menschen eher Bewertungen abgeben, wenn sie unzufrieden sind“, sagt Hundeshagen. Immerhin seien öffentliche Verrisse oft auch ein Ventil für starke Emotionen wie Frustration.

Aber es gibt Hoffnung, auch für diese Fälle. Hundeshagen erzählt von einem Kunden aus dem Einzelhandel, der auf Trustpilot seinen Bewertungsscore von 1,5 Sternen innerhalb von neun Monaten auf 4,2 Sterne aufbessern konnte. Eine der Maßnahmen war, die Kundschaft gezielt im Kaufprozess um Bewertungen zu bitten, um das Feld nicht den Unzufriedenen zu überlassen. So wuchsen die zuvor 318 Bewertungen um 1.700 weitere. Auch die Rezensionen auf Arbeitgeberplattformen lassen sich durch ähnliche Maßnahmen aufbessern, zeigt ein weiterer Beispiel-Case: Ein mittelständisches Unternehmen aus der Elektronikbranche konnte seinen Bewertungsscore auf Kununu durch Reputationsmanagement in drei Monaten um 31 Prozent verbessern, von anfangs 3,06 auf 4 Sterne.

Am Ende räumen jedoch selbst die Reputationsberater ein: Der eigene Leumund lässt sich nicht vollends kontrollieren und nur bis zu einem bestimmten Punkt beeinflussen. Es darf also nicht darum gehen, mit Online-Marketing das kursierende Image zu manipulieren. Das Ziel sollte vielmehr sein, sich als Unternehmen weiterzuentwickeln. Dabei zählen wie so oft die inneren Werte: eine starke Führung, die auch mal Fehler eingestehen kann, eine klare, werteorientierte Unternehmenskultur, Transparenz und Wertschätzung innerhalb der Belegschaft. Eine gute Formel für den Reputationserfolg.

Tipps für das digitale Reputationsmanagement

von Reputativ-Geschäftsführer Alexander Hundeshagen

• Am Anfang steht eine Reputationsanalyse: Welche Bewertungen und Berichterstattung gibt es? Einzelne Portale analysieren und Zufriedenheit mit dem Branchendurchschnitt vergleichen.
• Aufbau und Pflege einer starken Online-Reputation nach außen ist ein konsistenter Prozess und beginnt mit einer professionellen, benutzerfreundlichen Firmenwebsite.
• Social-Media-Profile und Bewertungsportale regelmäßig pflegen, sich dabei auf die wesentlichsten konzentrieren, etwa Google-Unternehmensprofile als reichweitenstärkstes Netzwerk, Arbeitgeberportale wie Kununu, Indeed und Glassdoor sowie Kundenbewertungsportale wie Trustpilot.
• Lückenloses Monitoring betreiben: zeitnah auf Kommentare reagieren und bei negativen Bewertungen Feedback-Gespräche anbieten. No-Go dabei: vorgefertigte Textbausteine zusammenfügen. Nützlich sind nur Texte, die individuell auf die Kritik eingehen und zeigen, dass man sich wirklich intern damit befasst.
• Auf Social Media aktiv den Dialog mit der Community suchen und kommentieren. Dabei hilft es auch, Google-Alerts einzurichten und Social-Media-Administratoren damit zu beauftragen, stets zu reagieren, wenn das Unternehmen irgendwo getagged wird.
• Online-PR als wichtiger Baustein: Positive Berichterstattung, wie SEO-optimierte Pressemitteilungen und Fachartikel, erzeugen ein Grundrauschen und stärken die Online-Reputation und Expertise.
• Echte positive Bewertungen einholen, Kundschaft und Mitarbeitende gezielt dazu ermutigen, eine Bewertung abzugeben.
• Negativbewertungen als Chance begreifen, sich zu verbessern.
• Absolutes No-Go sind gekaufte Bewertungen: Das fällt auf und kann sich erst recht rufschädigend auswirken – ein guter Name lässt sich nicht kaufen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Erfolg. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Porträt einer Frau mit dunklen Haaren, die in einem hellen Pullover vor einem Bücherregal lächelt.

Mariam Misakian

Mariam Misakian ist Senior-Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion Wortwert.

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