„Wir wachsen mit der Transparenz“

Interview

Das Oberlandesgericht Hamburg gab der Klage eines Arbeitgebers statt, der die Echtheit einer negativen Bewertung anzweifelte. Danach ging ein regelrechtes mediales Beben wegen des „Klarnamen“-Urteils durch die HR-Landschaft. Hat euch die Aufmerksamkeit des Urteils überrascht?
Sehr. Doch es zeigt, dass die Relevanz von Arbeitgeberbewertungen für Unternehmen und Talente zunimmt. Was die Streitfrage angeht, sind wir bei Kununu entspannt, da der Bundesgerichtshof die Abgabe anonymisierter Bewertungen in Bewertungsportalen wie kununu mehrfach anerkannt hat. Auch wenn es zwischendurch ein Urteil des Oberlandesgerichts gab, bleiben wir zuversichtlich und sehen uns im Recht. Es wird aber auch deutlich, dass wir noch intensiver Aufklärungsarbeit betreiben müssen. Anonymität wird bei uns nicht als Freifahrtschein für verbale Entgleisungen oder unwahre Behauptungen missverstanden. Arbeitgeber können uns jederzeit Bewertungen melden, wenn sie anzweifeln, dass diese echt sind oder ob ein Mitarbeiter wirklich bei ihnen gearbeitet hat.

Wie oft werden Bewertungen angefochten?
Letztes Jahr gab es insgesamt um die 700.000 Bewertungen auf der Plattform. In Relation zu der Anzahl aller Bewertungen liegen wir bei den angefochtenen Kommentaren im einstelligen Prozentbereich und bei gerichtlichen Verfahren nur im Promillebereich. Für uns ist entscheidend, dass alle, die unsere Plattform nutzen, Vertrauen in unsere Arbeit haben.

Was macht Kununu, um das Vertrauen zu gewinnen?
Wir haben ein ganzes Team, das bei uns nur für die Überprüfung der Bewertungen zuständig ist. Gegebenenfalls prüfen sie mit Technologien, um Mehrfachbewertungen oder Missbrauch zu identifizieren, wie etwa Schimpfwörter. Gleichzeitig kämpfen wir für die Anonymität der Menschen, die ihre Bewertungen abgeben und vor allem dafür, dass das auch so bleibt. Denn ohne die Transparenz ginge ein authentischer Austausch verloren.

Warum braucht es dafür die Anonymität?
Ehemalige, aber insbesondere auch derzeitige Mitarbeitende eines Unternehmens, sollen ihre Meinung offen äußern können – ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Das ist unsere höchste Priorität. Wir bieten eine Kommunikationsplattform, auf der Arbeitnehmer sagen können, wie es ihnen geht und wie sie ihre Arbeit empfinden. Für Arbeitgeber ist das Feedback von aktuellen Mitarbeitenden besonders wertvoll, weil sie auf deren Kritik unmittelbar reagieren und unter Umständen gegensteuern können.

Aber die Arbeitswelt ist auch ein People Business. Nicht alle haben das gleiche Maß an Kritikfähigkeit oder wollen das Feedback. Kritik wird oft nur im negativen Sinn verstanden.

Wie meinen Sie das?
Der durchschnittliche Bewertungsscore liegt bei 3,6 bis 3,7 von 5 möglichen Punkten. Also insgesamt eine ausgewogene und faire Darstellung der Arbeitgeber. Neben positiven, gibt es aber eben auch negative Bewertungen. In dem Fall plädiere ich immer dafür, dass Unternehmen das so stehen lassen, erst so entsteht ein authentischer Einblick. Einige Kritikpunkte sind sicherlich auch reine Ermessenssache und sehr subjektiv. Nur weil jemand zum Beispiel unstrukturierte Prozesse kritisiert, muss es für eine andere Person kein Ausschlusskriterium für eine Bewerbung bei dem Unternehmen sein. Eine negative Bewertung ist auch nicht zwingend das Ende der Kommunikation, ganz im Gegenteil.

Gesprächsbereitschaft ist also vorhanden?
Definitiv, auf beiden Seiten. Viele Unternehmen haben zwar Berührungsängste auf negative Kommentare zu antworten, das ist aber meistens unbegründet. Wir analysieren Bewertungen über mehrere Jahre hinweg und können so auch Veränderungen, wie etwa Führungswechsel oder Kündigungswellen erkennen. Selbst in diesen schwierigen Situationen können Unternehmen durch gute Kommunikation viel erreichen. Sie sollten zeigen, dass sie das Feedback ihrer Mitarbeitenden verstehen. Denn unsere Daten zeigen: Über 80 Prozent der User sind an den Antworten der Arbeitgeber interessiert und über 40 Prozent sind sogar bereit, ihre Meinung nach einer Antwort des Unternehmens zu ändern.

Was treibt das Feedback auf Kununu an?
Es gibt ein paar grundsätzliche Trends. Ganz vorweg: das Gehalt. Ganz nach dem Motto: Nobody is talking about the salary – aber jeden interessiert es. Vor allem der jungen Generation gibt es Orientierung, die noch wenig Erfahrungswerte haben und danach mitunter die nächsten Karriereschritte ausrichten. Seit der Coronapandemie rückt zunehmend auch das Thema Flexibilität in den Vordergrund. Wird Homeoffice angeboten? Wie sieht es mit flexiblen Arbeitszeiten aus? Dann kommt das Vorgesetztenverhalten. Der Spruch: Man kommt wegen der Firma und geht wegen der Vorgesetzten ist immer noch wahr.

Welche Rolle spielen Bewertungsplattformen in Zeiten des Fachkräftemangels?
Oft konkurrieren Unternehmen um die gleichen Talente. Auf herkömmliche Art und Weise erreicht man sie vor allem über die Karriereseite. Heute reicht das aber nicht mehr aus. Bewerberinnen und Bewerber beschäftigen sich deutlich mehr mit den Unternehmen, ehe sie eine Bewerbung abschicken. Drei Viertel der Talente informieren sich auf Bewertungsplattformen über die potenziellen Arbeitgeber. Ein Unternehmensprofil auf einer Plattform, auf der sich Arbeitgeber präsentieren und bewertet werden können, sollte mittlerweile ein fester Bestandteil des Employer Brandings sein.

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Gilt das auch für KMU?
Ja. Es bringt allen voran Sichtbarkeit. Viele kleine und mittlere Unternehmen, oder auch Krankenhäuser, Geschäfte oder Bäckereien, können sich durch eine Bewertungsplattform bekannter machen. Sie haben oft nicht die finanziellen Mittel für große Werbekampagnen. Wir haben mittlerweile eine große Breite an Unternehmen bei uns versammelt. Aktuell arbeiten wir daran, noch mehr Unternehmen und Talente zu erreichen.

Gibt es spezielle Altersgruppen, auf die ihr euch fokussiert?
Besonders die Zielgruppe zwischen 18 Jahren und Mitte 30 ist uns wichtig. Wir setzen verstärkt auf Social-Media-Plattformen, wie Tiktok und Instagram, um diese Generationen zu erreichen. Auffällig ist, dass diese Altersgruppen Transparenz besonders schätzen. Mit Formaten wie Straßeninterviews zum Thema Gehalt stoßen wir bei der jungen Generation auf großes Interesse, dort sind sie unglaublich transparent. Viele ältere Menschen sind dort noch zögerlicher. Aber es findet langsam ein demografischer Wandel statt und diesen Prozess wollen wir aktiv unterstützen.

Über die Gesprächspartnerin:
Nina Zimmermann ist seit Juni 2021 CEO der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Sie wechselte von Hubert Burda Media, wo sie als CPO/Geschäftsführerin die übergreifende Managementverantwortung für Bunte.de, das Affiliate-Netzwerk Tracdelight und Burdas Content-Influencer-Plattform Brands You Love verantwortete.

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Charleen Rethmeyer

Charleen Rethmeyer

Charleen Rethmeyer ist Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager. Dort absolvierte sie zuvor ebenfalls ihr Volontariat. Die Berlinerin hat einen Bachelorabschluss in Deutsche Literatur sowie Kunst- und Bildgeschichte und arbeitete mehrere Jahre freiberuflich für mehrere Berliner Verlage. Sie schreibt mit Vorliebe Features und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Zukunft der Arbeitswelt.

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