Schule und Wirtschaft – das sind schon längst keine getrennten Sphären mehr. Neu ist, dass Unternehmen immer häufiger versuchen, mit Imagekampagnen potenzielle Azubis zu erreichen.
Ein Firmenlogo und ein knackiger Spruch auf den Umschlagseiten, dazu ein Link zu weiterführenden Informationen. So sehen Collegeblöcke aus, für die Eltern kein Geld auslegen mussten und mit dessen Hilfe Schüler Tag für Tag ihre Hausarbeiten erledigen. Denn was noch vor einigen Jahren kaum denkbar war in Deutschland, ist heute an vielen Schulen Alltag und wird von Schülern, Lehrern und Eltern zunehmend als normal empfunden: Die Präsenz von Unternehmen an den Schulen.
Präsent sind zum einen werbetreibende Firmen, für die die Schüler eine interessante und solvente Zielgruppe sind, die sie auf dem Schulhof direkt und ohne Streuverluste erreichen können. Denn auch wenn die direkte Werbung an Schulen in Deutschland verboten ist, so ist Sponsoring erlaubt, wenn sichergestellt ist, dass seitens der Wirtschaft kein Einfluss auf die Unterrichtsinhalte ausgeübt wird.
Präsent sind auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände, die der Ansicht sind, die Schule vermittle insgesamt zu wenig Wirtschaftswissen und bereite nicht gut genug auf das Berufsleben in der Wirtschaft vor. Da werden eigene Unterrichtsmaterialien produziert und kostenlos bereitgestellt oder ein Schulfach Wirtschaft gefordert. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will beispielsweise mit dem Internetportal Wirtschaft und Schule den Lehrern Unterstützung bei der Vorbereitung ihres Wirtschafts-Unterrichts bieten. Und unter dem Logo „Wirtschaft macht Schule“ vermitteln manche Industrie- und Handelskammern Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen.
Abseits von Produktmarketing und Lobbying gibt es aber noch einen anderen Grund, der die Unternehmen an die Schulen treibt: Nachwuchssorgen aufgrund des drohenden Fachkräftemangels und des demografischen Wandels. Deshalb versuchen Firmen seit einigen Jahren immer häufiger, sich Schülern als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren und damit für die eigenen Ausbildungswege und Möglichkeiten des Berufseinstiegs zu werben.
Schulen suchen den Kontakt
Dabei ist es nicht so, dass dieser Weg nur eine Einbahnstraße ist, weiß André Mücke. Er ist Geschäftsführer bei der DSA youngstar, einer Agentur für Jugend- und Schulmarketing, und meint, dass „sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass Wirtschaft in der Schule nicht böse sein muss, sondern dass sich beides auch gegenseitig befruchten kann“. Der Kontakt zur Wirtschaft werde auch von den Schulen durchaus gesucht, sagt er. Dies folgt dem Konzept, dass sich Schulen mehr für außerschulische Einrichtungen öffnen sollen, um andere Lernorte als das Klassenzimmer zu nutzen. Ebenso ist es Aufgabe der Schule, die Kinder und Jugendlichen aufs Berufs- und Arbeitsleben vorzubereiten. Auch Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes für Bildung und Erziehung e.V. (VBE), steht dem Engagement von Firmen beim Thema Berufsorientierung grundsätzlich offen gegenüber. Er betont aber, dass dabei nicht die Neutralitätspflicht der Schule durchbrochen werden dürfe: „Wir Lehrer haben in der Regel kein Problem damit, solange die einzelne Firma nicht versucht, unmittelbar Einfluss auf das Geschehen der Schule zu nehmen.“
Den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen, den betonen auch die für Schulpolitik zuständigen Bundesländer, wenn es um die Einordnung des Engagements von Unternehmen an Bildungseinrichtungen geht. Diesem Auftrag dürfen Aktivitäten wirtschaftlicher Akteure nicht zuwiderlaufen, so lautet die grundsätzliche Antwort der Ministerien. Und für den Fall, dass sich Firmen den Schülern als potenzieller Arbeitgeber präsentieren wollen, sehen sie keine Probleme, solange dies im Rahmen eines Konzepts für Berufs- beziehungsweise Studienorientierung stattfindet und nicht kommerzieller Werbung zuzurechnen ist. In Baden-Württemberg gelten die sogenannten Bildungspartnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen sogar als „absolutes Erfolgsmodell“, wie das dortige Kultusministerium mitteilt. Dort haben demnach rund 90 Prozent der allgemeinbildenden weiterführenden Schulen eine Bildungspartnerschaft mit mindestens einem Unternehmen der Region abgeschlossen, 3.500 Unternehmen sind an diesen Kooperationen beteiligt. Dabei sind den Beteiligten dort zwei Aspekte besonders wichtig: Die Unterstützung der Schüler beim Übergang von der Schule in Ausbildung und Studium sowie die Förderung der ökonomischen und naturwissenschaftlich-technischen Bildung.
Ähnliche Ziele verfolgen die Personaler von Imtech mit ihrer Idee von Schulmarketing. Das Unternehmen, das energieeffiziente Lösungen für Gebäudetechnik entwickelt, sieht gleich mehrere Gründe dafür, mit den Schülern ins Gespräch zu kommen, wie Personaldirektor Ole Hesse erklärt: „Vor allem wollen wir Imtech als Arbeitgeber in Deutschland bekannter und baldige Absolventen neugierig auf die Themen machen, mit denen wir uns beschäftigen, also auf die speziellen Berufsbilder im gewerblich-technischen Bereich. Denn es ist schwieriger geworden, gute und passende Auszubildende zu finden. Darüber hinaus spielt das Thema Energieeffizienz an sich eine Rolle als wichtiges Zukunftsthema.“
Tour durch die Republik
An diesem Punkt setzte das Unternehmen mit einer Kampagne an, die unter dem Titel „Imtech: Energie. Bildung. Zukunft“ in drei verschiedene Event-Reihen gegliedert und als Roadshow quer durch Deutschland konzipiert war. Hesse war klar, dass die Aktivitäten an Schulen besonderen Anforderungen unterliegen: „Wir haben uns bewusst so darstellen wollen, dass die teilnehmenden Schulen nicht das Gefühl hatten, dass wir etwas verkaufen wollen. Uns ging es um die inhaltliche Tiefe der Kampagne.“ Daniela Philipp, die bei Imtech für die Durchführung der Schulkampagne zuständig ist, ergänzt: „Wir wollten mit dem Fokus auf die Energieeffizienz ein inhaltlich spannendes Thema aufbereiten und den Bildungsaspekt betonen.“
Entstanden ist daraus zum einen ein Energiequiz für die Stufen 5 bis 8, bei dem verschiedene Klassen gegeneinander antraten. Außerdem ein Planspiel, das sich vorrangig an die Abgangsklassen von Gymnasien und Gesamtschulen richtete und in dem sich die Schüler in die Rolle einer Stadt hineinversetzen sollten, die ihren Energieverbrauch um 25 bis 30 Prozent reduzieren sollte. Und eine Experimentierstunde mit einem als verrücktem Professor verkleideten Moderator, in der Grundschüler sich spielerisch mit verschiedenen Themen wie Physik, Technik und Energie befassten – also alles Themen, mit denen Imtech zu tun hat.
Feedback von Lehrern
Inhaltlich entwickelte Imtech die Events zwar weitgehend selbstständig, holte sich aber auch zusätzlich punktuelle Unterstützung, wie bei der Entwicklung des Planspiels. Dabei half ein professioneller Planspielentwickler. Außerdem gab es eine aus Lehrern zusammengesetzte externe Fokusgruppe, die Imtech Feedback zu den einzelnen Veranstaltungen gab. Und bevor es auf Tour ging mit der Event-Reihe, gab es einen kompletten Testdurchlauf der drei Veranstaltungen. Insgesamt hat das Unternehmen mit seiner Roadshow circa 6.000 Kinder an 35 Schulen erreicht.
Die Kampagne von Imtech zeigt, dass bei weitem nicht nur die Abschlussjahrgänge im Fokus der Unternehmen stehen. An welche Schulform man sich als Firma wendet und welche Altersklassen man anspricht, hängt demnach sowohl von der Zielsetzung der Kampagne ab als auch von den Jobs, die man als Unternehmen anzubieten hat. Natürlich seien Firmen besonders an Schulen interessiert, von denen aus die Schüler nach dem Abschluss direkt in eine betriebliche Ausbildung starten, meint Udo Beckmann vom VBE. „Aber auch Gymnasiasten werden zunehmend interessant für die Firmen, weil viele Abiturienten den Weg in die berufliche Bildung gehen“, sagt er. Genauso sind auch Kinder, die erst in die fünfte oder sechste Klasse gehen, mögliche Adressaten. Da geht es dann natürlich nicht darum, direkt potenzielle Auszubildende anzusprechen. Eher will man einen authentischen Eindruck von der Arbeitswelt vermitteln oder Interesse für eine bestimmte Branche oder ein Thema wecken.
Diese Unterscheidung macht auch Ole Hesse, wenn er die Imtech-Kampagne rückblickend betrachtet. Die Experimentierstunde sei sehr gut bei Schülern und Lehrern angekommen. Dennoch werde man das Engagement an den Grundschulen in dieser Form überdenken: „Vielleicht werden wir so etwas zukünftig mehr unter den CSR-Aspekt stellen und nicht als Personalmarketing-Maßnahme durchführen.“
Unterstützt wurde Imtech bei der Planung und Umsetzung der Events von DSA youngstar, der Agentur von André Mücke. Der vorrangige Vorteil dieser Zusammenarbeit liege, so Hesse, zum einen darin, dass die Hamburger Agentur sehr jung ist und daher nah dran an der Zielgruppe. Zum anderen habe DSA youngstar einen großen Adresspool an Schulen. André Mücke spricht von 11.000 Schulen, zu denen er und sein Team den Kontakt halten. Denn die Unternehmen sind zwar die Kunden von Mücke, doch wenn die Firmen an Schulen agieren wollen, ist man in erster Linie auf die Kooperation der Schulen angewiesen. Diese müssen das Angebot der Betriebe für sinnvoll erachten, sonst wird es schnell abgelehnt. „Manchmal haben Schulleiter auch Vorbehalte gegenüber manchen Berufen oder Branchen. Oder wollen bestimmte Unternehmen nicht an ihre Schüler lassen“, weiß Mücke zu berichten.
Auch Imtech hat von ein paar Schulen Absagen kassiert. Dabei bezeichnet Mücke die Durchführung einer Roadshow, wie sie die Gebäudetechniker konzipiert haben, als „Königsdisziplin“ des Schulmarketings. Daneben gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten und Kanäle, wie sich Unternehmen den Schülern präsentieren können. Dazu zählen Tage der offenen Tür, Praktika, Bewerbungstrainings, Projektwochen und Messen genauso wie Postkarten, Flyer, Broschüren, Plakate und der Collegeblock mit Firmenlogo.
Employer Branding an der Schule scheint für alle Beteiligten positiv zu sein. Die Unternehmen können sich mit ihren Themen möglichen zukünftigen Mitarbeitern vorstellen. Die Lehrer, meint Agenturchef Mücke, seien über den Kontakt zur Praxis und über die Unterstützung in Sachen Berufsvorbereitung dankbar.
Im Interesse der Eltern
Genauso wie die Eltern, die großes Interesse daran haben, dass ihre Kinder eine möglichst gute Ausbildung bekommen. Oder wie Mücke es formuliert: „Die Eltern sind froh, dass sich die Kinder endlich mit der Frage danach, was nach der Schule kommt, beschäftigen.“ Bei den Schülern sei immerhin ein erstes Interesse am Thema Berufsfindung geweckt, auch wenn sie die Relevanz solcher Maßnahmen vielleicht noch nicht direkt erkennen würden.
Die Kampagne von Imtech lief bis Ende letzten Jahres. Inzwischen haben die Personaler dort vereinzelt Initiativbewerbungen für Praktika oder Ausbildungsplätze erhalten. Und hoffen auf mehr, wenn die nächsten Bewerbungszeiträume anstehen. Das Personalmarketing an den Schulen will man nach den Erfahrungen mit der Roadshow auf jeden Fall weiterverfolgen. Schulische Bildung ohne jeglichen Kontakt zur Arbeits- und Wirtschaftswelt wird es wohl zukünftig nicht mehr geben.