Die Anti-Girlboss

Nachgefragt

Das Girlboss-Mindset bedeutet …
zu glauben, dass man durch harte Arbeit und Fleiß alles erreichen kann, was man möchte – und damit nicht nur sein eigenes, sondern auch das Leben anderer verbessern kann.
Ich sehe das kritisch, weil …
das Girlboss-Mindset vor allem von Aufstiegsfantasien lebt. Dabei ist vor allem die soziale Mobilität in Deutschland im internationalen Vergleich eher niedrig. Auch die Vorstellung, dass individueller Erfolg soziale Missstände lösen kann, halte ich für nicht zutreffend.
Weil …
wir in einer Zeit leben, in der es noch nie so viele Superreiche gab wie jetzt – und gleichzeitig sind die politischen Aussichten im globalen Norden der Welt sehr düster.
Ein Anti-Girlboss zu sein, bedeutet für mich, …
dass ich nicht glaube, dass beruflicher und finanzieller Erfolg für alle Menschen gleichermaßen vorgesehen ist. Und zu verstehen, dass nicht jeder von uns Chefin oder Firmeninhaber sein kann.
Das ständige Streben nach mehr Leistung finde ich …
allgegenwärtig und problematisch. Zudem geht es nicht immer mit mehr Produktivität einher.
Ich bin auch gerne mal faul, weil …
das einfach zum Leben dazu gehört. Ich kann nicht immer produktiv sein. Wobei ich „Faulheit“ nach wie vor für einen puritanischen Mythos halte.
Ein „normales“ Leben zu führen, heißt auch …
sich in einer kapitalistischen Gesellschaft oft unzulänglich, unsicher und ausgebrannt zu fühlen. Dabei ist das „normale“ Leben ohne Reichtum und Glitzerkarriere der Alltag der meisten.
In der Komfortzone zu bleiben, schützt vor …
Überforderung und unangenehmen oder belastenden Situationen. Deswegen finde ich, dass man durchaus auch mal für die Komfortzone werben kann – sie hat zu Unrecht einen schlechten Ruf.
Wenn ich auf der Couch liege, …
hantiere ich am liebsten mit mehreren technischen Geräten herum. Am Handy scrollen, während der TV läuft: Ein Träumchen. Oder einfach ein schönes Nickerchen machen – immer gut.


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Mein liebster Sofa-Snack ist …
selbstgemachtes Popcorn.
Arbeit ist nicht für alle gleich, weil …
es immer Berufsbereiche geben wird, die zwar wichtig und oft auch systemrelevant sind, die aber weniger Status haben und schlecht bezahlt werden.
Arbeit immer mehr an Emotionalität zu koppeln, ist …
ein relativ neues Phänomen. Früher durfte man noch ohne Probleme und sogar mit dem Segen der Kirche arm und arbeitslos sein. Die Idee, dass man seine Arbeit „lieben“ soll, kam erst vor ein paar Jahrzehnten auf.
Leistung ist nicht die Lösung für soziale Missstände, weil …
viele Menschen trotz starker Leistungen immer noch benachteiligt werden – vor allem finanziell und sozial.
Statt uns über unsere Arbeit zu definieren, könnten wir auch …
wieder mehr Wert auf Gemeinschaft und zwischenmenschliche Begegnungen legen.
Unproduktive Momente sollten wir schätzen, weil …
sie oft die schönsten sind. Oder wie mein Chef einmal sagte: „Ich weiß, wo ich vor zehn Jahren im Urlaub war. Aber ich weiß nicht mehr, was ich da gerade bei der Arbeit gemacht habe!“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Performance. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Nadia Shehadeh

Nadia Shehadeh ist Soziologin und Autorin. Im Februar 2023 erschien ihr erstes Buch Anti-Girlboss – Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen im Ullstein Verlag. Zuvor war sie Mitautorin verschiedener Sammelbände, unter anderem Eure Heimat ist unser Albtraum (2019) und langjährige Kolumnistin beim Missy Magazine.

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