Weltweit stehen Unternehmen vor starken Veränderungen, Geschäftsmodelle sind schnell überholt und verlangen nach neuer Ausrichtung, „Disruptive Business“ ist das aktuelle Schlagwort. Talentmanagement und Digitalisierung stehen für HR im Mittelpunkt, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Derzeit versuchen alle Global Player mit unterschiedlichsten Maßnahmen den prognostizierten Marktveränderungen vorzugreifen, um frühzeitig und vor allem schneller als ihre bekannten, aber auch neuen unbekannten Mitbewerber erfolgreich zu agieren. Dabei steht HR in einer Reihe von Spannungsfeldern vor der Aufgabe, unterschiedlichste Anforderungen zu bedienen: Qualität vs. Kosten, Standardisierung vs. Flexibilität, Stabilität vs. Innovation.
Dieses Bild spiegelt sich in den Ergebnissen der Hackett Studie „HR Key Issues 2017“: Wie im vergangenen Jahr befragte The Hackett Group Führungskräfte im Personalumfeld von rund 180 internationalen Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens einer Milliarde US-Dollar, rund ein Drittel davon europäische Unternehmen, darunter fast alle DAX-Unternehmen. In der Studie wurden aktuelle und bekannte „Unternehmens- und HR Herausforderungen“ vorgegeben. Die Befragten mussten diese Vorgaben einerseits bezüglich der Wichtigkeit und andererseits der Fähigkeit von HR, sie zu realisieren, bewerten.
Wie schon in der Studie von 2016 aufgezeigt, werden sich die Rahmenbedingungen im Geschäftsjahr 2017 noch mehr verengen: Die Budgets für das Personalwesen werden um 1,6 Prozent gekürzt (2016: 0,3 Prozent), der Personalbestand wird in diesem Jahr um 1,4 Prozent reduziert, 2016 lag die Einsparung bei 1,3 Prozent.
Problembereich Talentmanagement
Trotz dieser Einsparungen muss sich das Personalwesen in den Unternehmen als Innovator und „Challenger“ positionieren, der die strategischen Unternehmensanforderungen optimal unterstützt – HR muss also aus der oft eher defensiveren in eine aktivere Rolle finden und sich stärker positionieren, darüber sind sich die führenden Personaler klar. Das aber wird erschwert durch zwei Hindernisse, die durchaus selbstkritisch erkannt werden:
- Das „eigene“ HR Talentmanagement liegt oft im Argen: Es fällt HR allzu oft noch schwer, sich für potentielle Kandidaten attraktiv darzustellen. Ergebnis: Ein Defizit an kompetenten Talenten, die das Personalwesen analog zum Disruptive Business neu definieren und aufstellen.
- HR Analytics wird in den untersuchten Unternehmen zwar als wichtiger Faktor gesehen, die eigene Kompetenz wird allerdings in diesem Bereich als sehr gering eingeschätzt: Es fehlt häufig an der Fähigkeit, Daten in strategisch wichtige Informationen umzusetzen, Datenquellen sinnvoll zu verknüpfen und zu korrelieren, um Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen abzuleiten – für effektives und erfolgreiches Talentmanagement sind das zukünftig durchaus kritische Erfolgsfaktoren.
Die größten Lücken bei gleichzeitig niedriger HR Fähigkeit, sie zu schließen, werden gesehen:
- In der Anpassung des Talentmanagements auf Geschäftsveränderungen – 57 Prozent der Unternehmen planen diesbezüglich Initiativen.
- Bei der Effektivität, kritische Talentanforderungen zu bedienen, dafür werden Initiativen bei 24 Prozent der Unternehmen geplant.
- Bei nachhaltigen Implementierungen von wichtigen organisatorischen Veränderungen.
- In Entwicklung und Förderung von Führungskräften, die kompetent auf zukünftige Marktanforderungen reagieren können und
- der Unterstützung von Unternehmensinnovation.
Vor allem die ersten beiden Punkte sind gegenüber dem Vorjahr nicht kleiner, sondern größer geworden – dies liegt vor allem am immer mehr steigenden Druck, der aktuellen Innovationsdynamik des Marktes gerecht zu werden.
… und Digitalisierung im Fokus
Wie schon 2016 haben die Modernisierung der HCM Systeme (Human Capital Management) und HR Analytics bei den Unternehmen hohe Priorität. Der Bereich HR Operating Model – Organisation & Prozesse mit den Themen Prozessoptimierung oder Shared Service Modelle verlor gegenüber dem Vorjahr etwas an Bedeutung – hier haben viele Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht und Shared Service Organisationen und Process Owner installiert. Denn solche optimierte HR Operating Modelle dienen auch weiterhin als die Fundamente für die erfolgreiche HR Serviceerbringung, die Synergien, Standardisierung und die notwendige Servicequalität ausbalanciert.
Neu ist gegenüber 2016 aber der Schwerpunkt HR Digitization, deren Stellenwert und Auswirkungen in der aktuellen Hackett-Studie von den Befragten durchaus realistisch und fernab vom herrschenden Digitalisierungs-Hype eingeschätzt wird: Für die kommenden zwei Jahre werden allenfalls allmähliche, schrittweise Veränderungen zur Optimierung bei der HR Service Delivery erwartet, da die oft noch sehr heterogenen Systemlandschaften zunächst weiter und konsequent integriert werden müssen, bevor das volle Digitalisierungspotential ausgeschöpft werden kann.
Danach aber, also für die nächsten drei bis fünf Jahre, sehen die meisten der befragten Führungskräfte fundamentale Veränderungen in der Art der Leistungserbringung im HR Bereich durch die Digitalisierung. Dabei sind alle Auswirkungen en detail noch nicht klar. Mit Sicherheit aber werden HR Analytics mit Hilfe der Digitalisierung eine effektivere Steuerung des Talentmanagements erlauben und eine erhöhte Planbarkeit ermöglichen, etwa durch Vorhersagen über die Wechselwilligkeit einzelner Mitarbeitergruppen. Darüber hinaus rechnen die meisten Personaler auch mit neuen Aufgabenstellungen und Positionen innerhalb der HR, damit das Thema Digitalisierung zielgerichtet vorangetrieben werden kann.