Mit Konzernerfahrung bestens gerüstet für eine Start-up-Gründung?

Start up, HR!

Wir beide kommen aus der Konzernwelt und haben uns entschieden, mit Great2know ein Start-up zu gründen. Nach vielen Jahren im Großkonzern wissen wir, was es bedeutet, mit komplexen Strukturen umzugehen, mit Betriebsräten und Gewerkschaften zu verhandeln sowie große Projekte zu leiten.

Ein Sprung ins kalte Wasser

Von außen betrachtet mag der Weg in die Gründung aus einer Konzernkarriere leicht erscheinen: Wer jahrelang Verantwortung in Führungspositionen getragen hat, sollte doch bestens gerüstet sein, um ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Prozesse kennen, Netzwerke nutzen, Herausforderungen meistern – all das gehört schließlich zum Alltag im Konzern. Aber ganz so einfach ist das nicht!

Leidenschaft und Überzeugung für ein Thema treiben uns an

Unsere Motivation entsprang aus der Überzeugung, dass kein Problem zweimal gelöst werden muss. Wissen ist die wertvollste Ressource in Unternehmen. Der Verlust von Wissen und ineffiziente Prozesse kosten Unternehmen Zeit, Ressourcen und Innovationskraft. In Organisationen „weiß die rechte Hand oft nicht, was die linke tut“. Wissen bleibt in Silos gefangen, versteckt sich in Notizen, internen Datenbanken oder fast ausschließlich in den Köpfen erfahrener Kolleginnen und Kollegen. Das Ergebnis: langes Suchen nach Informationen, ineffiziente Meetings, Schockstarre und Chaos, wenn erfahrene Experten das Unternehmen verlassen, verbunden mit dem Abhängigkeitsgefühl von einzelnen „Wissenshütern“ im Arbeitsalltag.

Unsere Vision

Unsere Vision ist es, die kollektive Intelligenz eines Unternehmens so zu nutzen, dass sie jederzeit zugänglich, nutzbar und zukunftsweisend ist, denn Unternehmen können nur dann ihr volles Potenzial entfalten, wenn sie ihre Wissensbasis gezielt aktivieren, vernetzen und weiterentwickeln.

Das haben wir in der von uns entwickelten Plattform umgesetzt. Diese trainiert ein unternehmensspezifisches KI-Tool ,das als zentrales Wissensmodell fungiert. Sie vereint explizites Unternehmenswissen mit individuellen Erfahrungen, dem Know-how und der Intuition der Mitarbeitenden. Mit Hilfe eines eigens entwickelten, dialogbasierten Ansatzes – inspiriert durch unsere jahrzehntelange Erfahrung im HR-Bereich – wird vor allem Wissen erfasst und nutzbar gemacht, das sich bislang nur in den Köpfen der Mitarbeitenden befunden hat. Diese intelligente und lernfähige Lösung ermöglicht es, Probleme schneller und gezielter zu lösen.

Konzernerfahrung: Ein starkes Fundament, aber kein Garant

Unsere Zeit im Konzern hat uns wertvolle Erfahrungen mitgegeben: die Fähigkeit, komplexe Projekte zu steuern, den Fokus auf langfristige Strategien zu legen und Stakeholder auf allen Ebenen einzubinden. Diese Stärken waren gerade in der frühen Gründungsphase ein Vorteil, da wir schnell strukturierte Entscheidungen treffen und mit Rückschlägen umgehen konnten. Doch wir mussten auch lernen, dass nicht alles, was im Konzern funktioniert, im Start-up sinnvoll ist. Große Projekte im Konzern erfordern detaillierte Planungen und mehrstufige – meist lange Abstimmungen – im Start-up kann das lähmend sein. Geschwindigkeit und Feedback sind hier entscheidender als Perfektion.

Verantwortung im Start-up: mehr Freiheiten, neue Herausforderungen

Was für eine großartige Chance! Wir gestalten Produkte aktiv mit, erhalten direktes Feedback und können schnell reagieren. Der direkte Einblick in den Alltag unserer Nutzerinnen und Nutzer schärft unseren Blick für die Bedürfnisse der Kunden und macht Entscheidungen agiler.

Allerdings: Im Konzern kann man auf ein internes Ökosystem wie IT, HR oder Einkauf zurückgreifen. Im Start-up macht man vieles selbst – vom Strategieentwurf über die Unternehmensanmeldung, Finanzierung, Vertrieb und Marketing bis zur Umsetzung der Vision in die Praxis. Das ist nicht immer einfach, denn viele Themen unterscheiden sich elementar von der Konzernwelt. Begriffe wie Wandeldarlehen, Vesting oder die Ausgestaltung von Preismodellen für eine Software-as-a-Service-Lösung gehörten früher nicht zu unserem Konzernalltag. Eine große Portion Lernbereitschaft und das doppelte Maß an Resilienz sind ebenso Grundvoraussetzung, wie sich daran zu gewöhnen, dass das Gehalt nicht selbstverständlich jeden Monat auf das Konto fließt – jeder Cent muss verdient werden.

Führung in der neuen Welt – Was bleibt und was sich verändert

Hat sich unsere Führungsphilosophie durch die Gründung verändert? Nein! Wir leben die gleichen Werte wie Transparenz, Respekt und Verantwortungsbewusstsein. Gleichzeitig mussten wir kritisch reflektieren, dass wir uns anfangs schwergetan haben, uns von Mitarbeitenden zu trennen, die gut, aber nicht herausragend waren. Dieser Lernprozess war entscheidend. Denn zur Realität gehört auch, dass nur diejenigen Mitarbeitenden im Start-up langfristig erfolgreich arbeiten können, die stets bereit sind, die Extrameile zu gehen. Auch wenn der Satz „hire slow and fire quick“ hart erscheint, kann sich unserer Meinung nach kein Start-up eine andere Vorgehensweise erlauben.

Infrastruktur versus „hands-on“

Angenehm waren wohlorganisierte Strategieklausuren im Schulungszentrum und „normal“ waren Abteilungs-Weihnachtsfeiern im Restaurant. Heute schauen wir auf jeden Cent, treffen uns bei uns Gründerinnen zuhause und schaffen so eine Nähe und das Gefühl, „gemeinsam in einem Boot“ zu sitzen, wie wir es selten erlebt haben. Das schweißt zusammen. Was zählt, sind die gute Idee und die Kreativität – nicht die Hierarchie.

Lässt es sich mit Konzernerfahrung besser gründen?

Die Antwort ist komplex: Konzernerfahrung bietet ein stabiles Fundament für strategisches Denken und Führung. Aber erfolgreich zu gründen, bedeutet auch, alte Denkmuster und Gewohnheiten loszulassen. Schon im Konzernumfeld haben wir schnell und pragmatisch gehandelt – doch wir stießen dort durch langwierige Abstimmungsschleifen häufig an Grenzen. Heute können wir ohne diese Einschränkungen agieren und Vorhaben direkt umsetzen.

Trotzdem mussten wir erkennen, dass wir manchmal zu lange an Ideen oder Vorgehensweisen festgehalten haben, weil uns noch die Konzern- und ausgeprägte Diskussionsmentalität begleitete. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es entscheidend ist, sich schneller von Dingen zu trennen, die nicht funktionieren, um den Fokus auf das Wesentliche zu behalten. Und dass es dabei ohne Hierarchie auch nicht geht.

Weitere Beiträge aus der Kolumne:

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren

Dr. Bettina Volkens

Dr. Bettina Volkens war Mitglied des Vorstands der Deutschen Lufthansa AG und verantwortete den Bereich Personal und Recht. Sie ist Co-Gründerin und Geschäftsführerin von Great2know.

Christine Lutz

Christine Lutz war langjährige Führungskraft im HR-Bereich und ist ebenfalls Co-Gründerin und Geschäftsführerin von Great2know. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, Wissen, das nur in den Köpfen vorhanden ist, zu erfassen und nutzbar zu machen, um so ein Unternehmensgedächtnis gegen das organisationale Vergessen zu schaffen.

Weitere Artikel