„Hinter jeder Zahl steckt ein Mensch“

Young Professionals

Herr Zhang, HR ist nicht mehr nur in einer administrativen Rolle. Inwieweit spiegelt der Bereich People Analytics, in dem Sie arbeiten, ein neues Rollenverständnis von HR wider?

HR wird immer noch zu Teilen als administrativer Dienstleister gesehen. HR ist aber viel mehr als das. People Analytics ist wie eine Stabsstelle in einer Stabsstelle. HR berichtet an die Geschäftsführung, People Analytics berichtet an HR. Im Grunde genommen ist People Analytics wie eine Weiterentwicklung des Personalcontrollings.

Das Personalcontrolling ist für die HR-Daten zuständig und berichtet diese an Geschäftsführung, Führungskräfte, Stakeholder und den Vorstand. Das können Zahlen sein wie der Headcount, also wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade in dem Unternehmen beschäftigt sind, die aktuelle Krankenquote und andere klassische Reportings. Dabei wird geschaut: Wie war es in der Vergangenheit? Wie ist es aktuell? Und gibt es einen Trend für die Zukunft? People Analytics geht nochmal einen Schritt weiter.

Inwiefern?

Das lässt sich am besten anhand eines Fluktuationsberichts erklären. Der zeigt zum Beispiel, dass in einem Jahr hundert Mitarbeitende das Unternehmen verlassen haben, davon haben 30 gekündigt, einige sind in Rente gegangen und so weiter. Diese Beschreibung ist aber sehr deskriptiv. Sie zeigt das „Was“, aber nicht das „Warum“.

Wenn ich also einem Vorstand lediglich zeige, wie viele Leute gegangen sind, bringt das noch nicht viel. Es muss den Gründen auf die Spur gegangen werden. Das macht People Analytics: Schauen, welche Daten noch gebraucht werden und diese erheben. Beim Fluktuationsbericht zum Beispiel braucht es zusätzlich qualitative Daten, die die Erfahrungen der Mitarbeitenden abbilden. Die können zum Beispiel in persönlichen Gesprächen oder einer Umfrage erhoben werden.

Das Ergebnis könnte dann sein, dass die Homeoffice-Quote zu niedrig oder die Arbeitszeiten zu unflexibel sind und deshalb viele Mitarbeitende die Kündigung einreichen. In diesem Fall, würden dann die Homeofficeregelungen und Benefits des eigenen Unternehmens mit denen der Konkurrenz verglichen und entsprechende HR-Maßnahmen abgeleitet, um die Fluktuationsrate wieder zu senken. Nach einem Jahr wird die Situation erneut evaluiert.

Wussten Sie schon immer, dass Sie in diesem Bereich arbeiten wollen?

Überhaupt nicht. Mein erstes Studium war Lehramt. Das habe ich aber abgebrochen. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, in einem Konzernumfeld zu arbeiten. Irgendwie hat es sich dann aber doch ergeben, dass ich bei einem großen Versicherungskonzern eine IT-kaufmännische Ausbildung gemacht und berufsbegleitend Wirtschaftsinformatik im Bachelor studiert habe. Ab dann war für mich klar, dass ich auch in Zukunft etwas mit Daten machen möchte.

Woher kam dann der HR-Bezug?

Ich habe mir einfach das Organigramm des Unternehmens angesehen und nach Abteilungen gesucht, die etwas mit Daten zu tun haben. Das waren dann vor allem die Controlling-Bereiche, auch das HR-Controlling. Das fand ich besonders interessant, denn: hinter jeder Zahl steckt ein Mensch.

So bin ich eigentlich in den HR-Bereich gerutscht und habe mich dann erst in das Thema verliebt und angefangen, mich intensiver mit HR-IT-Themen zu beschäftigen. Jetzt arbeite ich im Bereich People Analytics bei Arvato Systems und mache nebenbei meinen Master in der Wirtschaftspsychologie.

Wie passt dieser Studiengang zu Ihrer IT-geprägten Tätigkeit?  

Meiner Erfahrung nach ist es oft der Fall, dass man BWL, Wirtschaftspsychologie oder Personalmanagement studiert, später vielleicht eine technische Affinität findet und so in eine IT-Rolle rutscht. Bei mir war es umgekehrt: Ich habe einen IT-Background und bin dadurch in ein HR-Umfeld gerutscht. Ich habe mich für den Master Wirtschaftspsychologie entschieden, um neben der Wirtschafts- und IT-Komponente eben auch die Psychologie mitzunehmen. Meine Schwerpunkte im Studium liegen im HR-Bereich und der Arbeits- und Organisationspsychologie.

Welche Kompetenzen sind neben dem fachlichen Know-how Ihrer Meinung nach für angehende Personalerinnen und Personaler unverzichtbar?

Angehende HRler sollten auf jeden Fall eine gewisse Neugier mitbringen und offen für neue Themen sein. Es ist ein Umfeld, das viele Veränderungen mit sich bringt – vor allem im technischen Bereich. Außerdem sind Empathie und soziale Kompetenz besonders wichtig.

Auch, wenn es nicht um direkten Kundenkontakt geht. Ich bin zum Beispiel nicht im klassischen operativen Bereich tätig und habe keine beratenden Aufgaben, bei denen ich direkt mit Mitarbeitenden zu tun habe. Trotzdem denke ich, dass es auch im Bereich People Analytics wichtig ist, ein gewisses Einfühlungsvermögen und soziale Kompetenz mitzubringen. Egal, was ich entwickle oder welche Analysen ich durchführe: Im Mittelpunkt steht immer der Mensch.

Wenn Sie anderen jungen Menschen, die eine Karriere im HR-Bereich anstreben, einen Tipp geben könnten, welcher wäre das?

Wer gezielt eine Karriere im Bereich Human Resources plant, profitiert oft von einem einschlägigen Studium, wie Human Resources. Wer aber als Quereinsteiger in den HR-Bereich möchte, sollte sich für einen Fokus entscheiden. Ist es eher die Rolle des Business Partners, die Personalentwicklung, die Payroll oder die technische Seite, die einen interessiert?

In diesen Bereichen sollte man sich dann weiterbilden. Gleichzeitig denke ich, die meisten Chancen im Berufsumfeld ergeben sich einfach. Es kann sich immer eine Elternzeitstelle oder ein Praktikum auftun. Der erste Schritt in Richtung HR ist der Schwierigste. Das Wichtigste ist, dranzubleiben.

Sie sind in diesem Jahr zusammen mit anderen Young Professionals in der Jury der HR Excellence Awards. Warum ist Ihnen dieses Engagement wichtig?

Ich finde es immer wichtig, dass es einen möglichst breiten Querschnitt an Stimmen gibt, um gute Diskussionen zu ermöglichen. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir junge Vertreterinnen und Vertreter in der Jury haben. Wir können selbst neue Ideen einbringen, aber auch neue Eindrücke mitnehmen, sodass Veränderung angestoßen wird.

Die HR Excellence Awards werden jährlich vom Human Resources Manager und der Quadriga Media Berlin vergeben. In rund 30 Kategorien werden herausragende HR-Leistungen ausgezeichnet. Die Jury der HR Excellence Awards besteht aus mehr als 40 erfahrenen Persönlichkeiten und Führungskräften der HR-Branche sowie Young Professionals.

Wo sehen Sie HR in der Zukunft?

Durch die Digitalisierung und immer mehr KI-Tools braucht HR auch eine gewisse digitale Affinität in allen Rollen – nicht nur in den technischen. Dadurch kann der administrative Aufwand hoffentlich reduziert werden und beispielsweise ein HR Business Partner dem Unternehmen wirklich beratend zur Seite stehen. Es werden immer mehr Prozesse digitalisiert und automatisiert. Ich glaube, dass sich HR dadurch endlich auf die Themen konzentrieren kann, für die HR wirklich da ist.

Über den Gesprächspartner

Eddy Zhang ist People Analyst bei Arvato Systems. Er hat einen Bachelor in Wirtschaftsinformatik, ist TÜV-zertifizierter Datenschützer und ausgebildeter Kaufmann für Digitalisierungsmanagement (IHK). Seine berufliche Laufbahn startete er in der IT-Koordination eines Versicherungskonzerns, verlagerte seinen Fokus jedoch schnell auf die Bereiche Datenanalyse und HR. Derzeit arbeitet Zhang als People Analytics Experte bei Arvato Systems, wo er innerhalb der Division den Aufbau und die Weiterentwicklung von People Analytics vorantreibt und dabei auch die cross-divisionale Zusammenarbeit im Bertelsmann Konzern unterstützt.

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Salome Häbe

Salome Häbe ist Volontärin beim Magazin Human Resources Manager. Sie hat im Bachelorstudiengang Internationale Kommunikation in den Niederlanden studiert und nebenbei freiberuflich für Magazine und Start-ups im Bereich der Nachhaltigkeit geschrieben.

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