Künstliche Intelligenz ist ohne Zweifel das Buzzword und Mega-Thema auf allen HR-Konferenzen und Panels, in allen Fachmagazinen und im Austausch der Personalverantwortlichen sowieso. Doch: Wie sieht es tatsächlich aus? Reden alle nur darüber oder wird schon ordentlich experimentiert, ausprobiert und umgesetzt? Die Studie KI im Job 2024 hat genau danach bei HR-Profis gefragt. Und Antworten bekommen. Die wichtigsten Ergebnisse und Analysen im Überblick.
Status Quo: Viel Planung – übersichtliche Umsetzung
Geredet wird viel, umgesetzt eher wenig. Eine Mehrheit der befragten Personalverantwortlichen, (55,9 %) , gibt an, dass es in ihrem Unternehmen noch keine konkreten KI-Projekte im HR-Bereich gibt. Demgegenüber stehen 44,1 Prozent der Unternehmen, die bereits entsprechende Projekte initiiert haben. Von diesen Projekten befinden sich 59,1 Prozent noch in der Prototypenphase, während 40,9 Prozent bereits in laufenden Anwendungen umgesetzt werden. Das bedeutet, in rund jedem fünften der befragten Unternehmen ist KI bereits im laufenden Einsatz.
Handelt es sich bei den KI-Projekten in HR um Prototypen oder laufende Anwendungen?
Für die Zurückhaltung beim KI-Einsatz nennen die Befragten unterschiedliche Gründe. Ein Drittel hat andere Projekte der Digitalisierung ganz oben auf der Prioritätenliste. Ein weiteres Drittel gibt an, dass die KI-Expertise im Unternehmen zumindest momentan nicht vorhanden sei. Jede zehnte befragte Person gibt an, dass es im eigenen Unternehmen noch an sinnvoll definierten Use Cases für KI fehle. Rund 15 Prozent haben für KI-Projekte nicht genug Budget eingeplant.
Die Umfrage zeigt, dass KI am häufigsten im Bereich Recruiting verwendet wird, das sagten 44,4 Prozent der Befragten. Andere Einsatzgebiete umfassen die Unternehmenskultur (11,1 %), Onboarding (7,4 %) sowie Training & Development (7,4 %). Kleinere Anteile nannten Bereiche wie Performance Management, Employee Engagement und Talent Management, jeweils mit 3,7 Prozent. Diese Ergebnisse sind sowohl mit den Bedürfnissen der Unternehmen als auch mit den Stärken von KI erklärbar. Recruiting ist ein echter „Pain Point“ für viele Unternehmen, die dringend Fachkräfte brauchen. Eine Hilfe und Effizienzsteigerung mittels KI kommt da wie gerufen.
Recruiting und KI
Der Recruiting-Prozess hat aus technischer Sicht für den KI-Einsatz viele Pluspunkte: Das Verfahren ist von der Struktur her mehr oder weniger standardisiert und in Unternehmen fast aller Branchen mehr oder weniger gleich. Es gibt klare Zuordnungen zwischen Bewerbungen und zu besetzenden Stellen; die Kriterien für die Auswahl sind klar definiert (Anforderungen der Stelle versus Qualifikationen der Bewerber) und das Filtern der „richtigen“ Bewerber ist eine Optimierungsaufgabe, die sehr gut mathematisch-statistisch formuliert werden kann.
Die Befragten sehen im Onboarding (17,6 %) und Recruiting (26,5 %) künftig die Bereiche mit dem größten Potenzial für den KI-Einsatz. Andere Bereiche wie Training & Development und Talent Management werden ebenfalls als vielversprechend angesehen. Das ergibt Sinn. Denn auch Onboarding-Prozesse sind in Unternehmen weitgehend standardisiert und haben grundsätzlich immer den gleichen Ablauf. Alle wichtigen und relevanten Informationen, die einem neuen Mitarbeiter oder einer neuen Mitarbeiterin im Onboarding geliefert werden müssen, sind in den Unternehmen vorhanden und verfügbar. Insofern kann dieser Prozess über eine entsprechend trainierte KI mehr oder weniger einfach automatisiert werden. Das bedeutet Kostenvorteile für das Unternehmen und gleichzeitig eine ständige Verfügbarkeit aller Infos für die Menschen im Onboarding-Prozess und damit eine höhere Zufriedenheit, Motivation und Bindung – wenn die Systeme gut funktionieren. Die genannten Punkte gelten mehr oder weniger deckungsgleich für Training und Development.
Hindernisse für die Planung von KI-Projekten
Für Unternehmen, die noch keine konkreten KI-Projekte planen, liegen die größten Hindernisse in einer unsicheren Kosten-Nutzen-Analyse (23,5 %) und fehlenden Ressourcen oder Expertise (11,8 %). Einige Unternehmen verfolgen eine abwartende Haltung und beobachten zunächst die Entwicklungen auf dem Markt (5,9 %). Diese Unsicherheiten bei der Kosten-Nutzen-Analyse sind im Zusammenhang mit fehlender KI-Expertise und fehlenden Use Cases zu sehen. Ohne konkrete Einsatzszenarien, sind Kosten-Nutzen-Abwägungen schwer zu berechnen. Für konkrete Einsatzszenarien braucht es wiederum KI-Fachleute, die verlässlich benennen und definieren können, wo KI im Unternehmen konkret eingesetzt und genutzt werden kann. Eine Mehrheit von 91,2 Prozent der Unternehmen hat keine Data Science oder KI-Spezialisten im HR-Bereich. Jedoch sind 70,6 Prozent der Meinung, dass es solche Spezialisten geben sollte. Dies unterstreicht die wahrgenommene Notwendigkeit, entsprechendes Fachwissen im Unternehmen zu entwickeln oder es sich zumindest von externen Expertinnen und Experten zu holen.
Ein weiteres Problem: Daten und Datentransparenz und Datenqualität. Bezüglich der Datenqualität und Datenverfügbarkeit für einen umfassenderen KI-Einsatz sind 41,2 Prozent der Unternehmen der Meinung, dass sie nicht über ausreichende Daten verfügen. 35,3 Prozent haben keine klare Vorstellung über die Qualität ihrer Daten, während nur 23,5 Prozent angeben, über ausreichend hochwertige Daten zu verfügen. Dreiviertel aller Unternehmen könnten also gar nicht mit KI-Anwendungen loslegen, weil ihnen die Daten zumindest in nutzbarer Form und Klarheit fehlen, um der KI sozusagen „ausreichend Futter“ zu geben. Hier geht es letztlich um den klassischen Data Cleaning Cycle, der unausweichlich immer durchgezogen werden muss, um Daten gezielt zu analysieren und für KI zu nutzen. Dieser Cycle besteht aus folgenden Schritten: Daten zusammenführen, Lücken füllen, Standardisieren, Normalisieren, De-Duplizieren und anreichern. In den allermeisten Unternehmen sind Daten in ausreichender Menge und Qualität durchaus vorhanden. Die schlechte Nachricht: Die Daten liegen verteilt in den berühmt-berüchtigten Datensilos und es fehlt oft an Transparenz, was für Silos es überhaupt gibt und welche Daten dann dort drinnen liegen.
Neues Spiel mit generativer KI
Bei diesen Herausforderungen kann KI nun wieder sehr gut helfen. Mit dem Siegeszug der generativen KI, gibt es immer mehr Möglichkeiten über große Sprachmodelle wie ChatGPT, Google Gemini, Claude, Mistral oder auch Aleph Alpha die Datenvorbereitung und auch die Datenauswertung von einer Experten- zu einer Profi-Anwendung zu machen. Bedeutet: Um mit KI zu arbeiten, muss ich heute keine Python oder Programmierkenntnisse mehr haben; es reicht völlig aus, mit der KI über Dialoge und Prompting professionell zu interagieren und damit die gleichen Ergebnisse zu produzieren. Zudem gibt es viele spezialisierte Tools dafür, die auf den genannten Sprachmodellen aufbauen und ohne technisches Expertenwissen gezielt nutzbar sind. Generative KI erweitert also das Spielfeld ungemein. Eine beträchtliche Anzahl der Befragten (64,7 %) hat auch bereits mit generativer KI experimentiert, während rund ein Drittel dies noch nicht getan haben. Schaut man aber genauer in die Ergebnisse, so zeigt sich eine Mischung aus Experimentierfeldern von Texterstellung über Bildgenerierung über Payroll bis hin zum Sourcing. Offenbar gibt es eine große Offenheit und Neugier gegenüber generativer KI, die aber momentan noch ungesteuert und ungenutzt ist. Deswegen wäre es sehr sinnvoll, diesen Schwung zu nutzen und fokussiert für die wichtigsten Fragen im HR-Management im eigenen Unternehmen zu nutzen. Es war noch nie so einfach, Künstliche Intelligenz für sich einzuspannen.
Über die Studie
Für die Studie hat das JuS.TECH Institut in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Personalmanager*innen (BPM) HR-Verantwortliche in Unternehmen verschiedener Branchen quantitativ befragt. Die mehr als 500 Teilnehmer/innen der Studie füllten online einen Fragebogen aus, in dem es sowohl Multiple Choice Antworten als auch Freitext-Antworten gab. Die Befragung lief über einen Zeitraum von rund vier Monaten.
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