Die Arbeitswelt ist im Wandel und die Generation Z zeigt auf Tiktok, wie sie Job, Werte und Stil neu interpretiert. Ein Blick auf die aktuellen Arbeitstrends und Buzzwords auf der Video-Plattform zeigt, was sich in den Köpfen – oder besser auf den Bildschirmen – der jungen Generation abspielt und könnte für Personalverantwortliche aufschlussreich sein.
1. Bare Minimum Monday
Montagmorgen. Der erste Flat White mit Hafermilch wird auf dem Weg zur Bahn getrunken, dazu ein Croissant. Die Augenringe vom Wochenende werden mit einer eckigen, getönten Brille kaschiert. Allein montags ins Büro zu kommen, sollte einen Bonus bringen, oder etwa nicht?
„Bare Minimum Monday“ nennt sich dieser Tiktok-Arbeitstrend. Ins Rollen gebracht hat diesen neuen Start in die Arbeitswoche laut der Wirtschaftswoche die Start-up-Gründerin Marisa Jo Mayes, die auf Tiktok stolz verkündete, dass sie montags immer nur das erledige, was unbedingt nötig sei.
Dazu erstelle sie eine Liste mit den allernötigsten „bare minimum“-Aufgaben. Ist diese abgearbeitet, entscheide sie frei, wie sie den Rest des Montags verbringen möchte. Oft bedeute das, Zeit für Selbstfürsorge oder „anything that sets me up to have a really good week”. Das erklärt Mayes in einem Video, das inzwischen mehr als 700.000 Menschen gesehen haben. Wer auf Tiktok nach dem „Bare Minimum Monday“ sucht, findet tausende Videos zu den Bare-Minimum-Routinen der Gen Z.
2. Act your wage!
Den eigenen Job nach dem eigenen Gehalt leben. Das bedeutet: keine Boni, keine E-Mails nach Feierabend und keine Meetings vor dem ersten Kaffee. Das beschreibt den Tiktok-Arbeitstrend „Act your wage“. Wer auf der Plattform danach sucht, stößt auf Clips, in denen Nutzerinnen und Nutzer zeigen, wie sie in ihrem Job nur das tun, wofür sie auch bezahlt werden und was vertraglich festgelegt ist. Nach dem Motto: Kein Extralohn, keine Mehrarbeit.
Dahinter steckt die Idee, die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und den Wert der eigenen Arbeit neu zu definieren. Der Trend äußert sich in humorvollen oder sarkastischen Untertönen mit Sätzen wie „Wenn du bei der Arbeit einen Fehler machst, dir dann aber einfällt, wie wenig du bezahlt wirst“ oder „Mein Gesicht, wenn eine Kollegin plötzlich so tut, als wäre sie Managerin. Bitte, Karen, mach einfach deine Arbeit“.
Ein Video mit über 800.000 Likes zeigt zu Beginn ein Banner mit folgendem Text: „POV: Acting your wage in 2023.“ Es folgt ihr Tagesablauf: Sich gerade noch pünktlich einstempeln, ganz, ganz viele Pausen und bei der Frage, ob sie denn diese eine Aufgabe noch erledigen könne, sieht man die Nutzerin nur lachend und Chips essend erwidern: „Do you know how much I get paid?“
3. Shift Shock
Wer einen neuen Job antritt, befindet sich am Anfang oft in der Honeymoon-Phase. Alles erscheint neu und aufregend. Nicht aber, wenn der Job in der Realität nicht das hält, was er zuvor versprochen hat. Dann übernehmen schnell Frust und Ärger, was zum sogenannten „Shift Shock“ führt.
So jedenfalls nennen Nutzerinnen und Nutzer auf Tiktok dieses Gefühl der Enttäuschung. Oft hat dieser Schock einen Jobwechsel oder sogar die Rückkehr zum alten Arbeitgeber zur Konsequenz. Ausgelebt wird der Tiktok-Arbeitstrend in Form von Erfahrungsberichten, Memes, Tipps und Vergleichsvideos, die die Diskrepanz zwischen der idealisierten Vorstellung des Jobs und der Realität aufzeigen.
4. Office Siren
Nicht alle Tiktok-Arbeitstrends befassen sich mit neuen Arbeitsformen. Bei einigen geht es zum Beispiel auch um Corporate Fashion. Beim Trend „Office Siren“, auch bekannt unter Begriffen wie „corpcore“ oder „corporate fetish“, geht es um einen bestimmten Dresscode für Frauen am Arbeitsplatz. In Anlehnung an Figuren wie Serena (gespielt von Gisele Bündchen) im Film The Devil wears Prada zeigen Tiktok-Nutzerinnen und Nutzer Tutorials für Bürooutfits mit Titeln wie „How to dress like an Office Siren“ oder „Get ready with me to dress like an Office Siren“. Zu sehen sind Kleidungsstücke wie Blazer, Bleistiftröcke, Blusen und Accessoires wie falsche Brillen, Handtaschen oder Haarspangen. Das klischeehafte Bild einer Sekretärin also.
Während Befürworterinnen und Befürworter den Trend als eine Form von Selbstbestimmung verstehen, sehen Kritikerinnen und Kritiker darin einen Rückfall in überholte Geschlechterrollen. Eine Influencerin auf Tiktok beschreibt den Trend sogar als albern. Niemand würde sich wirklich so zur Arbeit anziehen – der Trend sei von denen gemacht, die selbst nicht in Bürojobs arbeiten.
Gleichzeitig gibt es Videos, in denen HR-Verantwortliche die Office-Siren Outfits bewerten. Eine US-amerikanische Creatorin kommentiert in einem Video mit über 193.000 Likes verschiedene Screenshots mit Office-Siren-Outfits und betont dabei, bei welchen Outfits sie die Person als HRlerin leider ermahnen müsse: „Hier würde ich dir sagen, der Rock ist leider viel zu kurz fürs Büro“ oder „Hierfür würdest du keinen Ärger bekommen“.
5. Resenteeism
Wer den Tiktok-Arbeitstrend „Resenteeism“ praktiziert, bleibt am Arbeitsplatz, obwohl sie oder er eigentlich kündigen möchte – häufig aus finanziellen Gründen oder aufgrund von wirtschaftlicher Unsicherheit. Den persönlichen Groll auf den eigenen Job lassen sie regelmäßig aus. Es besteht kein Zweifel: Diese Mitarbeitenden hassen ihre Arbeit. Von einigen wird der Trend als eine neue Stufe des „Quiet Quitting“ erlebt.
Der Begriff setzt sich aus „Presenteeism“ (deutsch: Präsentismus) und „to resent“ (ärgern oder grollen) zusammen. Beim Präsentismus kommen Mitarbeitende trotz Krankheit zur Arbeit und sind daher nicht voll leistungsfähig. „To resent“ bedeutet, über etwas ärgerlich oder wütend zu sein, das akzeptiert werden muss. Obwohl es als unfair oder unangenehm empfunden wird – in diesem Fall die Arbeit.
Unter dem Hashtag „Resenteeism“ finden sich auf Tiktok zum Beispiel Memes, in denen es heißt: „Wenn du in deiner Healing Era bist und deine Managerin dir einen Termin für Freitag um 16:30 einstellt.“
Gleichzeitig finden sich Videos, die dem Trend gegensteuern. „Working while feeling resentful is worse for you than it is for your bosses” sagt eine Nutzerin mit über 190.000 Followerinnen und Followern, die auf der Plattform psychologische Tipps für den Arbeitsalltag gibt.
6. Career Cushioning
Schnell noch den Suchverlauf löschen, bevor der aktuelle Chef oder die Chefin die Suche nach neuen Stellenangeboten sieht? So eine Situation könnte beim „Career Cushioning“ entstehen. Bei diesem Trend suchen sich Beschäftigte einen Plan B – für den Fall, dass die eigene Karriere unerwartet endet.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer halten sich neue Karrieremöglichkeiten offen (in Form von gespeicherten Stellenangeboten, Weiterbildungen oder Nebentätigkeiten) und schaffen sich auf diese Weise eine Art Polster, das ihnen im Falle einer Entlassung eine weiche Landung ermöglicht.
Auf Tiktok findet der Trend seinen Ausdruck in Videos mit Titeln wie „Drei Dinge, die man tun muss, um seine Karriere durch Career Cushioning zu schützen“ oder Anleitungen, wie sich Mitarbeitende „highly employable“, also „sehr gut vermittelbar“ halten können.
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