Zukunftskompetenz Resilienz

Healthy Workplace

Kaum ist ein Projekt abgeschlossen, steht das nächste in den Startlöchern, Budgets werden neu verteilt, Strategien überarbeitet, Teams umstrukturiert: Veränderung ist längst zum Grundrauschen des Arbeitsalltags geworden. Das bringt sowohl Organisationen als auch Mitarbeitende oft an ihre Belastungsgrenze.

Wir fragen uns in diesen Phasen oft: Wie sollen wir das aushalten? Die entscheidende Frage sollte jedoch sein: Wie können wir daran wachsen? Was es braucht, sind resiliente Organisationen und resiliente Teams.

Was bedeutet das konkret? Wie lässt sich Resilienz auf Unternehmensebene stärken? Und wie können HR-Teams dazu beitragen, dass sich Mitarbeitende auch in stürmischen Zeiten weiterentwickeln und das Unternehmen vorantreiben?

Resilienz wird oft mit Härte verwechselt. Doch Resilienz bedeutet nicht, um jeden Preis durchzuhalten. Vielmehr geht es darum, eine mentale Widerstandskraft zu entwickeln, die uns hilft, auch unter Druck klar zu denken, handlungsfähig zu bleiben und uns schnell von Rückschlägen zu erholen.

Und Resilienz endet nicht beim Individuum. Auch Unternehmen können – und müssen – resilient sein, wenn sie dauerhaft bestehen wollen. Auf organisationaler Ebene bedeutet das: anpassungsfähig bleiben, ohne im Chaos zu versinken. Unternehmen müssen flexibel auf sich verändernde Bedingungen reagieren können, um Ziele zu erreichen, um zu überleben und um erfolgreich zu sein.

Stressfaktoren verdichten sich

Veränderungen und Umbrüche waren schon immer Teil der modernen Arbeitswelt. Aber in den letzten Jahren scheinen sich die Stressfaktoren zu verdichten: Geopolitische Krisen, wirtschaftlicher Druck, ein Fachkräftemangel, der sich immer weiter zuspitzt – der Ausnahmezustand scheint zu Normalität geworden zu sein. Das geht nicht spurlos an uns vorbei:

  • 85 Prozent der Unternehmen haben laut einer Deloitte Studie von 2021 mindestens eine größere Transformation in den letzten Jahren durchlaufen.
  • 64 Prozent der Beschäftigten fühlen sich laut der Techniker Stressstudie von 2021 gestresst bei der Arbeit.
  • Psychische Belastungen zählen laut dem DAK-Psychreport 2025 inzwischen zu den häufigsten Ursachen für Fehltage.

Das Resultat: Unternehmen geraten in einen Erschöpfungszustand, der Innovation und Wachstum hemmt. Genau deshalb ist Resilienz inzwischen zum Überlebensfaktor geworden.

Die drei Säulen der Resilienz

Resiliente Organisationen zeichnen sich durch die Fähigkeit aus, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren. Drei Faktoren sind dabei besonders entscheidend: eine tragfähige Kultur, klare Strukturen und starke Menschen.

  1. Sichere Kultur: Psychologische Sicherheit, Lernbereitschaft und unterschätzter Optimismus

Ohne psychologische Sicherheit keine Resilienz. Nur wenn Menschen das Vertrauen haben, offen über Schwierigkeiten, Fehler oder Zweifel sprechen zu können – und zwar bevor sie eskalieren – entsteht die Basis für eine gemeinsame Entwicklung und echte Problemlösung. Fehlt dieses Vertrauen, suchen Mitarbeitende oft erst dann Unterstützung, wenn es zu spät ist: Wenn Lösungen nicht mehr viel ausrichten können oder die persönliche Belastungsgrenze längst überschritten ist.

Gerade in komplexen, dynamischen Arbeitskontexten ist es nahezu unvermeidbar, dass Fehler passieren. Entscheidend ist daher nicht, ob Fehler passieren. Entscheidend ist, wie damit umgegangen wird. In einer resilienten Kultur wird nicht nach dem (oder der) Schuldigen gesucht, sondern nach einer Lösung für das Problem. Die erste Frage sollte sein, wie die aktuelle Herausforderung bewältigt werden kann. Die zweite sollte sein, welche Learnings das Team für die Zukunft ziehen kann.

Nur auf dieser Grundlage lassen sich größere Umstrukturierungen, technologische Neuerungen oder tiefgreifende Veränderungen überhaupt bewältigen – all das, was Unternehmen heute laufend abverlangt wird. Organisationen können das nur dann erfolgreich meistern, wenn Teams Neues testen können, Fehler machen dürfen und daraus lernen.

Dafür braucht es auch eine funktionierende Feedbackkultur. HR kann hier mit Guidelines und Strukturen unterstützen, gleichzeitig braucht es aber auch die Bereitschaft im Team, Feedback anzunehmen und umzusetzen.


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Und dann ist da noch ein Aspekt, der oft unterschätzt wird: Optimismus als strategische Haltung. Damit ist die feste Überzeugung gemeint, dass schwierige Phasen bewältigbar sind – gemeinsam und mit Blick nach vorn. Es ist Aufgabe der Führung, diesen Optimismus vorzuleben und ins Team zu tragen – auch und gerade dann, wenn der Weg noch unklar ist. Selbst wenn die Zukunft ungewiss ist: Wir vertrauen auf unsere Stärken, auf die Fähigkeiten unseres Teams und auf das Potenzial unseres Unternehmens, aktuelle Herausforderungen zu meistern.

  1. Klare Struktur: Kommunikation, Prioritäten und agile Teams

Wenn ein Unternehmen mit einer Krise oder einer Herausforderung konfrontiert ist, stehen zu starre Strukturen meist nur im Weg. Die wichtigste Frage sollte sein: Wie schaffen wir es, die aktuelle Situation gut zu überstehen und uns anzupassen?

Als Grundlage braucht es dafür Klarheit und Transparenz. Unsicherheit ist einer der größten Blocker für Resilienz. Deshalb ist es gerade in Krisenzeiten entscheidend, dass Rollen, Zuständigkeiten und Entscheidungswege eindeutig geregelt sind – und dass niemand lange überlegen muss, was als Nächstes zu tun ist.

Besonders bewährt haben sich kleine, agile Teams mit klaren Prioritäten. Sie sind näher am Geschehen und können schneller reagieren. In herausfordernden Zeiten können sie schnell Lösungsansätze testen und so den Weg aus der Krise finden.

Wichtig ist, diesen Teams eine gewisse Entscheidungsfreiheit zu geben: Sie müssen in der Lage sein, eigenverantwortlich und ohne Angst vor Sanktionen auf Unerwartetes zu reagieren. Mitarbeitende, die Angst davor haben, für eine falsche Entscheidung abgestraft zu werden, treffen im Zweifel gar keine. Und das kann in kritischen Situationen fatal sein.

  1. Starke Menschen: Ressourcen stärken und Eigenverantwortung fördern

Organisationale Resilienz beginnt bei den Mitarbeitenden. Unternehmen, die nachhaltig bestehen wollen, müssen präventiv und systematisch in die mentale Gesundheit und Entwicklung ihrer Mitarbeitenden investieren.

HR-Teams sollten deshalb gezielt Ressourcen zur Stärkung der Resilienz und des mentalen Wohlbefindens anbieten: Resilienztrainings, Workshops zum Umgang mit Stress und Belastungen oder Sitzungen mit Coaches und Psychologinnen und Psychologen.

Neben der Verantwortung des Arbeitgebers sollte jedoch eines nicht außer Acht gelassen werden: die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. Denn Resilienz liegt als Kompetenz auch stark beim Individuum – sie ist erlernbar und lässt sich wie ein Muskel trainieren.

Unternehmen können das fördern und profitieren am Ende auch davon: Das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung des Wirtschaftsministeriums (KOFA) Initiative KOFA fasst die Benefits für den Unternehmenserfolg zusammen: „Resilienzförderung senkt Fehlzeiten, stärkt Bindung und Motivation, reduziert Fluktuation und steigert Innovationsfähigkeit. Besonders mittelständische Unternehmen profitieren spürbar vom ‚ROI der Resilienzförderung.‘“

Resiliente Organisationen fördern eine Kultur, die mentales Wohlbefinden als Teil unternehmerischer Verantwortung begreift. Aber sie trauen ihren Mitarbeitenden auch zu, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.

Praktische Ansätze für HR

HR-Verantwortliche und Führungskräfte sind zentrale Treiber für Resilienz in Unternehmen. Ihre Aufgabe ist es, die drei Säulen der Resilienz zu verankern. Sie müssen eine resiliente Kultur fördern, klare und agile Strukturen aufbauen und gezielt Ressourcen bereitstellen.

Konkrete Maßnahmen dazu sind etwa:

  • Messbare Ziele festlegen: Sie helfen, Resilienz greifbar zu machen. Idealerweise werden diese Ziele mit den Unternehmenswerten verknüpft. Wird zum Beispiel „Verantwortung übernehmen“ als Wert definiert, könnte das in Bezug auf Resilienz bedeuten: „Wir achten auf unsere eigenen Belastungsgrenzen und die unseres Teams.“
  • Frühwarnsysteme für Belastung einführen: Regelmäßige Pulse Checks, Stimmungsbarometer oder digitale Feedbackformate helfen dabei, potenzielle Belastungen frühzeitig zu erkennen. Kombiniert mit HR-Analytics lassen sich Zusammenhänge zu Fluktuation oder Krankenstand sichtbar machen.
  • Externe Anlaufstellen und Schulungen anbieten: Regelmäßige Workshops zu Achtsamkeit, Stressbewältigung, Konfliktmanagement und mentaler Flexibilität helfen dem Team, ihre Resilienz zu stärken. Viele Plattformen für mentale Gesundheit bieten außerdem Sitzungen mit Coaches und Psychologinnen und Psychologen.
  • Räume für Austausch schaffen: Austauschformate wie „Lunch & Learn“ oder Peer-Mentoring bieten emotionale Entlastung im Alltag. Eine Möglichkeit könnten auch „Resilience Circles“ sein, in denen kleine Teams regelmäßig über Herausforderungen sprechen und Lösungen entwickeln.
  • Führungskräfte einbinden und schulen: Die emotionale Kompetenz von Führungskräften ist ein zentraler Hebel für die organisationale Resilienz. Trainings, Coachings und Entwicklungsformate sollten Fähigkeiten wie aktives Zuhören, Empathie und Entscheidungsfähigkeit unter Druck gezielt fördern.

Organisationen, die lernen, aus Krisen stärker hervorzugehen, sichern sich ihre Zukunft: Sie gehen gestärkt aus Krisen hervor, verbessern ihre Kultur und am Ende auch ihre Leistung nachhaltig. Resilienz sollte dabei nicht nur auf individueller Ebene gefördert, sondern fest in Kultur, Struktur und Führung verankert werden. Langfristig erfolgreich und gesund bleiben Organisationen vor allem dann, wenn sie ihre eigene Widerstandskraft genauso ernst nehmen wie die ihrer Mitarbeitenden. Denn für Menschen wie Unternehmen gilt gleichermaßen: Resilienz heißt nicht, nie zu fallen, sondern zu wissen, wie man wieder aufsteht.

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Lächelnder Mann mit gestreiftem Hemd vor einem Fenster mit unscharfem Hintergrund.

Jonas Keil

Jonas Keil ist Co-CEO und Co-Founder vom HR-Tech-Unternehmen nilo, einem Anbieter zur Förderung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz. Keil ist zudem als Speaker für Organisationsentwicklung, nachhaltige Unternehmenskultur und gesunde Führung tätig. In seiner Kolumne "Healthy Workplace" schreibt er darüber, wie mentale Gesundheit, Performance und eine nachhaltige Unternehmens- und Führungskultur zusammenhängen.

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