Unternehmen erkennen, dass die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden so wichtig ist, dass sie Einfluss auf ihre Employer Brand und den Erfolg des Unternehmens hat. Dies ist ein wichtiger Trend, doch er hat auch Schattenseiten.
Leider gehen die Erkenntnisse in den meisten Fällen nicht über die Grenzen des HR-Teams hinaus. Vielmehr ist auf der Unternehmensebene eine Tendenz zum sogenannten Wellness-Washing zu beobachten. Ein Phänomen, bei dem sich Unternehmen selbst ein arbeitnehmerfreundliches Image verleihen, ohne jedoch die realen Herausforderungen anzugehen, die das Wohlbefinden der Mitarbeitenden beeinträchtigen.
In Bezug auf Initiativen rund um die mentale Gesundheit entscheiden sich diese Unternehmen für die einfachste und günstigste Maßnahme. Einfach, um einen Haken unter das Thema zu setzen und den Anschein zu erwecken, in diesem Bereich gut aufgestellt zu sein.
Wellness-Washing kann nur schiefgehen
Das kann nur schiefgehen. Erstens, weil eine gesunde Unternehmenskultur und die Unterstützung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz nicht komplett ausgelagert werden können. Es braucht interne Strukturen und Prozesse, um eine nachhaltig gesunde Kultur zu entwickeln. Zweitens ist mentale Gesundheit ein zu komplexes und sensibles Thema, um eine einfache One-size-fits-all-Lösung darüber zu stülpen. HR-Manager sollten sich gut überlegen, was ihr Team braucht, welches Angebot dazu passt und wie sie die beste Lösung für ihre Mitarbeitenden erkennen.
Ein Risiko für das gesamte Unternehmen
Am Ende birgt Wellness-Washing nicht nur das Risiko, nichts zu bewirken, sondern – was weitaus schlimmer ist – negative Auswirkungen zu haben. Mitarbeitende spüren, wenn Wellness-Washing betrieben wird und ihre mentale Gesundheit nicht ernst genommen wird. Sie spüren, wenn sich oberflächliche Maßnahmen nicht in den internen Strukturen oder im Führungsverhalten widerspiegeln. Das schafft Unmut, verschlechtert die Unternehmenskultur und verstärkt das Stigma rund um mentale Gesundheit.
Und ganz am Rande: Wellness-Washing ist rausgeschmissenes Geld. Statt Budget in Maßnahmen zu investieren, die schlecht sind und am Ende nicht genutzt werden, ist es vielleicht sogar besser, es einfach sein zu lassen.
Prevent, Listen, Act: die saubere Alternative zu Wellness-Washing
Personalverantwortliche sollten die mentale Gesundheitsversorgung des Teams immer als ein vielschichtiges Projekt angehen, das eine ganzheitliche Lösung erfordert: Es braucht eine klare Strategie, um das Stigma abzubauen, eine gesunde Unternehmenskultur zu etablieren, klare Prozesse zu definieren und die richtigen externen Partner zu finden. Eine Orientierung gibt das Framework: Prevent-Listen-Act:
1. Prevent: Zunächst ist es wichtig, einen psychologisch sicheren Arbeitsplatz zu schaffen. Mitarbeitende sollten das Gefühl haben, dass sie Herausforderungen ansprechen können und dass Fehler erlaubt sind. Mentale Gesundheit sollte fest in der Unternehmens-Agenda verankert sein und es sollte regelmäßig dazu kommuniziert werden, zum Beispiel in Form von Mental Health Days oder Leadership Workshops. Letzteres ist besonders wichtig, da ohne eine Einbindung der Führungsebene und ohne einen entsprechenden Führungsstil keine psychologische Sicherheit möglich ist.
2. Listen: Im nächsten Schritt sollten gezielt Gespräche angeregt und regelmäßige Check-ins eingeplant werden, um Einblicke in das mentale Wohlbefinden des Teams zu bekommen. Das können auch anonyme Umfragen sein. Sie helfen HR nicht nur dabei, den Status quo und das Stresslevel im Team besser zu verstehen, sondern liefern auch erste Informationen, welche mentalen Unterstützungsangebote die Bedürfnisse im Team am besten abdecken würden. Und so ganz nebenbei eignen sich die Ergebnisse von Umfragen wunderbar, um das Management von den jeweiligen Initiativen zu überzeugen
3. Act: Auf Basis dessen und mit dem Input der Mitarbeitenden zu ihren Bedürfnissen und Wünschen müssen am Ende unbedingt konkrete Handlungen gesetzt werden, in Form von Richtlinien und Unterstützungsangeboten.
Wie sich qualitative Unterstützung von Wellness-Washing unterscheidet
Psychologische Sicherheit aufzubauen und die Unterstützung des mentalen Wohlbefindens ganzheitlich anzugehen, ist klarerweise aufwändiger als eine schnelle Wellness-Washing-Lösung. Aber es macht sich am Ende bezahlt. Im Wesentlichen sind es für mich aber vor allem zwei Aspekte, die qualitative Unterstützung auszeichnen: Das erreichte Engagement der Mitarbeitenden und die messbaren Effekte.
Ein hohes Engagement der Mitarbeitenden kann nur mit hoher Qualität erreicht werden. Dazu gehören einfacher Zugang zu Initiativen, transparente Kommunikation zu mentaler Gesundheit, eine offene Gesprächskultur und individualisierte Angebote. Bei externen Partnern sollte deshalb darauf geachtet werden, dass HR bei der Einführung des Angebots begleitet und im weiteren Verlauf unterstützt wird.
Qualität zeigt sich schließlich auch in messbaren Ergebnissen, wie etwa weniger Stress und Burnout, gesteigertem Wohlbefinden und einer besseren Arbeitskultur. Klar, nicht alle Initiativen im Unternehmen lassen sich messen, doch gerade bei Tools und externen Angeboten sollte sichergestellt werden, dass der Erfolg an konkreten Daten und in Umfragen gemessen werden kann, um die Qualität sicherzustellen und um Feedback für Verbesserungen zu bekommen. Diese beiden Aspekte hängen direkt zusammen: Nur, wenn die eingeführten Maßnahmen gut kommuniziert werden, Strukturen zur Nutzung geschaffen werden und das Team einfach Zugang hat, kann ich auch gute und messbare Ergebnisse erwarten.
Es gibt keine Abkürzungen zu mentalem Wohlbefinden im Team
Vor allem ist eines zu betonen: Wellness-Washing kann nur schiefgehen. Es schadet den Beschäftigten. Wer Mitarbeitende tatsächlich unterstützen möchte, sollte sich eingehende Gedanken dazu machen, was das Team braucht, wie die eigenen Strukturen und die eigene Kultur das mentale Wohlbefinden beeinflussen und welche externen Unterstützungsangebote Sinn machen. Das Team wird es danken. Denn wir alle arbeiten lieber in einem Umfeld, das unsere Bedürfnisse ernst nimmt und unser Wohlbefinden unterstützt.
Weiteres aus der Kolumne Healthy Workplace: