Deutsche Wirtschaft im Umbruch: Warum es jetzt auf HR ankommt

Die Kolumne zum strategischen Personalmanagement in Zeiten des Umbruchs

People Playbook Restrukturierung – Die HRM-Kolumne zum strategischen Personalmanagement in Zeiten des Umbruchs.

Obwohl Personalkostensenkungen auf der Agenda stehen, befinden sich längst nicht alle Unternehmen im Krisenmodus. Eine Chance für HR, Restrukturierung nicht nur als Kostenfrage zu begreifen, sondern auch die Zukunft des Unternehmens und das Wohl der Mitarbeitenden nachhaltig zu gestalten.

Laut einer Studie von Mercer vom Februar 2025 unter deutschen Großunternehmen planen 60 Prozent der Unternehmen Personalmaßnahmen. Die meisten dieser Unternehmen befinden sich noch nicht in einer akuten Krise, sondern in einer Übergangsphase. Die häufigste Maßnahme ist die Reorganisation, die von 88 Prozent der Unternehmen in Betracht gezogen wird. Das ist ein gutes Zeichen: Die Unternehmen haben noch Spielraum, den Wandel aktiv und strategisch zu gestalten.

Dennoch ist ein Personalabbau in vielen Fällen unumgänglich, insbesondere dann, wenn durch strukturelle Veränderungen ein Personalüberhang entsteht. Zu den häufigsten Instrumenten zählt laut unserer Befragung ein Mix aus vergleichsweise geräuschlosen Maßnahmen wie Programme zum Ausscheiden gegen Zahlung einer Abfindung (84 Prozent), das Auslaufen befristeter Verträge (72 Prozent) oder vorzeitige Renteneintritte (63 Prozent). Um die mit den freiwilligen Programmen verknüpften Abbauziele schnell zu erreichen, sehen 41 Prozent der Unternehmen zusätzlich sogenannte Sprinterprämien vor für Beschäftigte, die das Unternehmen freiwillig vorzeitig verlassen. In erster Linie auf betriebsbedingte Kündigungen setzen dagegen nur 34 Prozent der befragten Unternehmen.

Auffällig ist jedoch, dass viele Unternehmen kaum über alternative Personalkostenmaßnahmen nachdenken – lediglich 16 Prozent setzen auf Lohnanpassungen und nur 9 Prozent auf Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverzicht. Dies kann zweierlei bedeuten: Entweder vollzieht sich in den Unternehmen ein echter Strukturwandel, so dass bestimmte Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen und deshalb Personalabbau der einzig richtige Weg ist. Oder aber Personalabbau ist die erste Maßnahme, die den Unternehmen einfällt – nach dem Motto: 10 Prozent gehen immer.

Die drei Dimensionen einer zukunftsfesten Restrukturierung

Eine effektive Restrukturierung erfordert mehr als nur Kostensenkungen – sie muss strategisch und mit Bedacht durchgeführt werden. Wir sprechen in diesem Fall von zukunftsfester Restrukturierung.

An Einsparungen führt häufig kein Weg vorbei, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und die Liquidität zu stärken. Wenn sich HR jedoch ausschließlich dem Diktat der Kostensenkung beugt, läuft das Unternehmen Gefahr, langfristig in eine Abwärtsspirale zu geraten. Personalabbau ist kurzfristig oft eine verlockende Lösung, kann aber langfristigen Schaden an Innovationskraft, Leistungsfähigkeit und Unternehmenskultur anrichten.

Gleichzeitig muss HR die Zukunft des Unternehmens im Blick haben. Wie wird sich der Markt entwickeln und welche Anforderungen werden künftig an die Organisation gestellt? Welche Kompetenzen werden benötigt und wie sieht die passende Kultur aus? Nur wenn HR und Unternehmensleitung gemeinsam ein klares Zielbild entwickeln, können die richtigen Restrukturierungsmaßnahmen identifiziert werden, die nicht nur schnell Kosten sparen, sondern das Unternehmen langfristig fit für den Markt und zukünftige Chancen machen.

Der dritte Aspekt ist der Mensch: In Zeiten des Fachkräftemangels ist er das viel beschworene wichtigste Kapital der Unternehmen. Man sollte ihn nicht leichtfertig ziehen lassen, denn es ist nicht gesagt, dass man in späteren Wachstumsphasen schnell adäquaten Ersatz findet. Zudem gilt es, Unsicherheiten abzubauen und die Beschäftigten durch transparente Kommunikation in die Veränderungsprozesse einzubinden. Eine sozialverträgliche Umsetzung von Restrukturierungen ist nicht nur für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig, die gehen müssen, sondern auch für die, die bleiben. Wenn sie sehen, dass mit denjenigen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, fair umgegangen wird, stärkt das ihre Bindung an das Unternehmen und kann auch in schwierigen Zeiten die Motivation erhöhen.

Zwischen Kostendruck, Zukunftsfähigkeit und sozialen Aspekten

Bei der Umsetzung von Restrukturierungen müssen Entscheidungen immer im Spannungsfeld zwischen Kosten, Zukunftsfähigkeit und sozialen Aspekten getroffen werden. Ein Beispiel ist der Einstellungsstopp: Laut unserer Befragung setzen 35 Prozent der Unternehmen einen Einstellungsstopp von sechs bis zwölf Monaten um, 24 Prozent planen einen Einstellungsstopp von ein bis zwei Jahren, 18 Prozent sogar für einen noch längeren Zeitraum. Solche Maßnahmen sind leicht umsetzbar, gefährden aber langfristig die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Ohne frisches Know-how von außen hemmt das Unternehmen seine Entwicklung, und die Arbeitgebermarke verliert an Attraktivität. HR sollte daher Ausnahmen für kritische Kompetenzen sowie Ersatzeinstellungen zulassen. Auch die Weiterbildung darf nicht vernachlässigt werden.

Ein anderes Beispiel ist die Sprinterprämie. Sie wird häufig genutzt, weil sie ohne langwierige Verhandlungen auskommt und Mitarbeitende schnell das Unternehmen verlassen können. Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Wird die Sprinterprämie unbedacht eingesetzt, verliert das Unternehmen womöglich seine besten Mitarbeitenden, die schnell anderswo eine neue Stelle finden. HR sollte klare Bedingungen wie doppelte Freiwilligkeit oder den Ausschluss von Schlüsselpositionen definieren, um dieses Risiko zu minimieren.

HR als unverzichtbare Instanz in Zeiten des Umbruchs

Das zeigt: HR kann nur dann verantwortungsvolle Restrukturierungsentscheidungen treffen, wenn es Kosten, Zukunft und Menschen gleichermaßen im Blick hat. Deshalb: Unternehmen brauchen in Umbruch- und Krisenzeiten keine Personalabteilung, die sich als Ausputzer des Finanzvorstands versteht. Sie brauchen auch keine Personalabteilung, die sich als sozialer Motor des Unternehmens versteht. Dafür gibt es den Betriebsrat. Was Sie brauchen, ist eine im besten Sinne strategische Unterstützungsfunktion, die die finanziellen Notwendigkeiten, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einklang bringt. Das macht HR-Arbeit anspruchsvoll und gleichzeitig für jedes Unternehmen unverzichtbar.

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Patrick Maloney

Patrick Maloney berät Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen bei der Entwicklung von HR-Strategien, der Gestaltung von HR-Transformationen, der Entwicklung zeitgemäßer Labor Relations sowie der Positionierung und Kommunikation von HR-Arbeit. Er blickt auf fast 20 Jahre Berufserfahrung in Industrie und Beratung zurück. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre arbeitete er mehr als 10 Jahre im E.ON-Konzern, zuletzt als Leiter Kommunikation einer Konzerngesellschaft mit rund 3.500 Mitarbeitenden in acht Ländern. Es folgte der Wechsel in die strategische Kommunikationsberatung zu FGS Global, anschließend in die HR-Management Beratung zur hkp///group (inzwischen Mercer).  

Johannes Brinkkötter

Johannes Brinkkötter berät branchenführende Unternehmen in den Bereichen Workforce- und HR-Transformation. Zu seinen Kunden gehören schnell wachsende Tech-Unternehmen sowie internationale Unternehmensgruppen. Sein inhaltlicher Fokus liegt auf der Konzeption und dem Aufbau skalierbarer Plattformen sowie leistungsfähiger, agiler Personalfunktionen. Vor seinem Wechsel in die Beratung war er fast 15 Jahre in zwei DAX-Unternehmen für internationale HR-Transformationsprojekte und den Aufbau von Global Business Service Organisationen verantwortlich. Als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht verfügt Johannes Brinkkötter über umfassende Erfahrung bei der Verhandlung von Tarif- und individuellen Arbeitsverträgen und hat zahlreiche Restrukturierungsprojekte verantwortlich begleitet.

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