Muss HR sich selbst abschaffen?

Future of Work

Die Debatte zu New Work ist in vollem Gange. Mitarbeiter wollen mehr Beteiligung, mehr Freiheit, mehr Sinnstiftung. Klassische Führung scheint an Grenzen zu stoßen und HR muss sich neu finden. Eine Diskussion.

Wie viel Demokratie ist in Unternehmen möglich und vielleicht sogar notwendig? Um diese Frage drehte sich die Diskussion am Donnerstagvormittag auf dem Personalmanagementkongress. Moderator und Chefredakteur des Human Resources Manager, Jan C. Weilbacher, diskutierte im großen Saal mit Gitta Blatt, Personalchefin bei Sky, Stefan Ries, Chief Human Resources Officer von SAP, Rupert Felder, Leiter Personal bei Heidelberger Druckmaschinen sowie Heiko Fischer, Gründer von resourceful humans.

Es wurde in der Runde schnell klar, dasses Mitarbeitern in der Regel nicht um Demokratie im Sinne von Wahlen geht. Und selbst Heiko Fischer, der ein Verfechter vonselbstorganisierten Teams ist,sagte, dass er zumindest Basisdemokratie in Unternehmen nicht für sinnvoll halte.Dennoch müssen Unternehmen, um auch künftig erfolgreich zu sein, das Potenzial ihrer Mitarbeiter ausschöpfen.In einer dynamischen und komplexen Welt sind die Unternehmen auf die Wertbeiträge der Beschäftigten angewiesen. Gerade wenn agil gearbeitet werden muss, geht es nicht ohne Freiraum. Doch auch Agilität brauche Strukturen, sagte Heiko Fischer. Und es sei wichtig, dassMitarbeiter wissen, wo sie in der Wertschöpfungskette stehen.

Zu Anfang lieferten SAP und Sky zwei Beispiele für mehr Mitarbeiterbeteiligung: Bei SAP wurden die weltweit fünf neuen Behavioursmit den Mitarbeitern zusammen erarbeitet. Diese seien nicht so abstrakt wiebisherige Unternehmenswerte, so der Chief Human Resources Officer and Member of the Global Managing Board beim Softwareunternehmen SAP. Auch Bei Skyhat Mitarbeiterbeteiligung eine wichtige Bedeutung. Personalchefin Gitta Blatt nannte die aktuelle interaktive Employer-Branding-Kampagneals Beispiel. Bei dieserwurdeneinige Mitarbeiter als Role Model eingesetzt und standen selbst vor der Kamera. Wer letztendlich am Ende für die Kampagne genommen wurde undim Fernsehen zu sehen gewesen ist, entschieden die Mitarbeiter.

„Wissen ist Macht“ gilt nicht mehr

Eine veränderte Arbeitswelt braucht eine neue Art der Führung. Laut einer INQA-Studie sind sogar drei von vier Führungskräften der Meinung, dass sich die Führungskultur verändern muss. Jan C. Weilbacher fragte:„Ist Führung ein Herrschaftsverhältnis?“, und zitierteJoachim Sauers Aussage, dass Führung immer Herrschaft bedeute. Keiner der Diskussionsteilnehmer war dieser Ansicht. Führungskräfte müssen zuhören können, darinwaren sich alle einig. „Das Prinzip ‚Wissen ist Macht‘ funktioniert nicht mehr“, sagte Gitta Blatt. Das Wissen sei nun bei den Mitarbeitern, es müssenur noch gut moderiert werden. Und Heiko Fischer meinte, dass Unternehmen selbstbewusste Mitarbeiteraushalten können und Erfahrungen sammeln müssten.

HR sollte als Kompetenz in jedem Team leben

Alle waren der Meinung, dass HR eine wichtige Rolle beim Wandel spiele, selbst Heiko Fischer. Doch das Ziel, das er für HR ausgab, überraschte: Was solltenwir verändern, damit es uns gar nicht mehr geben muss?, fragteer provokant. Aus dem Publikum kam die Anmerkung, dass HR doch sehr wohl einen Wertbeitrag leiste. Heiko Fischer widersprach dem nicht: HR solle aus einer Position der Stärke – nicht der Schwäche – heraushandeln. Wenn HR sich mal überflüssig machen sollte, wie Heiko Fischer es ausgab,wären die HR-Prozesse in der Linie. Rupert Felder sah es skeptisch, diese abzugeben. Denn die Professionalität könne die Linie nicht liefern. „Wir sind der diplomatische Dienst in Unternehmen.“

Gitta Blatt prognostizierte, dass HR äußerst wichtig bleibe, sich jedoch die Struktur der Abteilung ändern würde. So ist in ihrem HR-Team beispielsweise ein Experte aus derSupply Chain dazugekommen.Er bringt Fähigkeiten mit, die die Sky-Personalabteilung vorher nicht hatte.

Stefan Riesbeendete die Diskussion um das Selbstverständnis der HR mit dem Satz: „Wenn Sie nicht wissen, ob sie einem Platz am Tisch haben. Bleiben sie am Tisch stehen und dann ran an den Speck“. Dafür bekam er viel Applaus.

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Jeanne Wellnitz (c) Mirella Frangella Photography

Jeanne Wellnitz

Redakteurin
Quadriga
Jeanne Wellnitz ist Senior-Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion Wortwert. Zuvor war sie von Februar 2015 an für den Human Resources Manager tätig, zuletzt als interimistische leitende Redakteurin. Die gebürtige Berlinerin arbeitet zusätzlich als freie Rezensentin für das Büchermagazin und die Psychologie Heute und ist Autorin des Kompendiums „Gendersensible Sprache. Strategien zum fairen Formulieren“ (2020) und der Journalistenwerkstatt „Gendersensible Sprache. Faires Formulieren im Journalismus“ (2022). Sie hat Literatur- und Sprachwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und beim Magazin KOM volontiert.

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