People Playbook Restrukturierung – Die HRM-Kolumne zum strategischen Personalmanagement in Zeiten des Umbruchs.
Es ist noch gar nicht so lange her: Lockdown in der Corona-Krise. Die Büros leerten sich, die Innenstädte verwaisten, Cafés und Restaurants mussten schließen. Die Folgen für die Beschäftigten im Gastgewerbe waren gravierend. Wenige konnten in Kurzarbeit gehen, die meisten verloren ihren Arbeitsplatz. Viele kehrten nach der Corona-Krise nicht mehr zurück. Bis heute leidet das Gastgewerbe unter Personalmangel. Einer der Autoren übernachtete kürzlich in einem familiengeführten Wellnesshotel in Franken. Seit der Corona-Krise arbeiten in der Küche nur noch Aushilfskräfte – mit Folgen für das Speiseangebot und die Öffnungszeiten im Restaurant. Der Hotelier hätte gerne Mitarbeitende in Festanstellung, aber niemand hat Interesse daran. Das Beispiel zeigt: Personalabbau kann zwar kurzfristig Kosten senken und damit Bilanzen retten. Die Kostensenkung kann aber durchaus auf Kosten der Zukunft des Unternehmens gehen.
Zugegeben. Das ist ein extremes Beispiel. Aber es zeigt, was passiert, wenn die Personalpolitik aufgrund des Kostendrucks nur auf das Heute schaut und das Morgen aus den Augen verliert. Viele Unternehmen stehen derzeit vor oder befinden sich bereits in Restrukturierungsprozessen. Wegen der geopolitischen Großwetterlage. Wegen des Wettbewerbsdrucks. Wegen steigender Lohn- und Energiekosten. Auch hier oft der erste Impuls: Die Personalkosten als relativ leicht zu beeinflussender Kostenblock müssen runter. Doch Vorsicht: Was kurzfristig entlastet, kann langfristig zur Belastung werden. Nicht selten haben Maßnahmen zur Senkung der Personalkosten gravierende Folgen, von denen sich die Unternehmen nicht so schnell erholen:
- Unternehmen verhängen einen Einstellungsstopp – und berauben sich damit frischer Impulse von außen und einer Verjüngung ihrer Belegschaft.
- Unternehmen legen ein Freiwilligenprogramm auf – und verlieren insbesondere die leistungsstarken, gut ausgebildeten Mitarbeitenden, die ohne Probleme eine neue Stelle finden.
- Unternehmen trennen sich von Mitarbeitenden – und verlieren zukunftskritische Kompetenzen.
- Unternehmen bauen Stellen ab – und verlieren nachhaltig an Reputation als Arbeitgeber, die dann nur mit teuren Employer-Branding-Kampagnen mühsam wiederhergestellt werden kann.
- Unternehmen streichen die Weiterbildungsprogramme zusammen – und stellen nach einiger Zeit fest, dass sie es versäumt haben, frühzeitig in zukunftskritische Skills zu investieren.
- Unternehmen kümmern sich um die Bottom-Line – und vernachlässigen dabei die Top-Line, so dass Wachstumschancen ungenutzt bleiben und die Innovationsfähigkeit des Unternehmens verkümmert.
- Unternehmen fahren auf Sicht – und versäumen es, ein Zukunftsbild zu entwerfen, das die Menschen mobilisiert und motiviert, weil sie wissen, dass sich ihre Sparanstrengungen am Ende auch für sie auszahlen.
- Unternehmen überwerfen sich mit der Mitbestimmung – und hinterlassen verbrannte Erde, auf der auch nach der Krise keine konstruktive Zusammenarbeit mehr gedeihen kann.
Erfolgreicher Turnaround – Weitblick zahlt sich aus
Das Problem ist nicht die Kostensenkung an sich. Auch Personalabbau lässt sich nicht immer vermeiden. Entscheidend ist die Umsetzung und die Frage, ob bei aller kurzfristigen Krisenbewältigung auch eine langfristige Perspektive eingenommen wird. Denn nach der Krise soll es ja wieder aufwärts gehen. Und dann soll das Unternehmen – bildlich gesprochen – auch stark genug sein, um schnell wieder auf die Beine zu kommen und Fahrt aufzunehmen. Hier schlägt die Stunde von HR. Allzu oft wird HR in der Krise zum „Ausputzer“ degradiert – oder nimmt sich diese Rolle selbst – und stürzt sich auf die administrative und rechtskonforme Umsetzung des Personalabbaus. Dabei müsste HR auch in der Krise eine gestaltende Rolle einnehmen und dafür sorgen, dass Kostensenkungen nicht zu Lasten der Zukunft des Unternehmens gehen.
Drei Merkmale einer zukunftsfesten Restrukturierung
Ein Restrukturierungsansatz, der sich nicht nur an Finanzkennzahlen orientiert, sondern auch die Entwicklung des Humankapitals im Blick hat, bezeichnen wir als zukunftsfest. Er stärkt Unternehmen nicht nur bilanziell, sondern substanziell. Eine zukunftsfeste Restrukturierung zeichnet sich durch drei Merkmale aus:
- Sie ist kostenoptimiert: Die Maßnahmen sichern einen schnellen wirtschaftlichen Turnaround und damit den Fortbestand des Unternehmens – und zwar so schnell wie möglich und ohne Leistungseinbußen gegenüber den Kunden.
- Sie ist chancenorientiert: Kostensenkung ist notwendig, aber nicht auf Kosten der Zukunft des Unternehmens. Für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit ist es entscheidend, die Resilienz und Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu stärken, um dem Unternehmen langfristige Perspektiven zu eröffnen und die Basis für neues Wachstum zu schaffen.
- Sie ist mitarbeiterfokussiert: Die nächste Krise ist vorprogrammiert, wenn aufgrund von Sparmaßnahmen vor allem die Leistungs- und Potenzialträger gehen, wichtige Kompetenzen verloren gehen oder die Belegschaft den Kurs nicht mitträgt. Bei der Neuausrichtung des Unternehmens müssen daher die Mitarbeitenden, Führungskräfte und ihre Interessenvertretungen im Mittelpunkt stehen.
Lesen Sie auch:
Strategisches Personalmanagement als erfolgreicher Weg aus der Krise
Eine zukunftsfeste Restrukturierung basiert nicht nur auf finanziellen Aspekten. Sie hängt entscheidend von der aktiven und strategischen Rolle des HR ab. HR muss sich zum Anwalt der Zukunft des Unternehmens machen, der mit vorausschauenden Personalstrategien und einer starken Mitarbeiterorientierung langfristige Perspektiven aufzeigt. Indem HR sicherstellt, dass die richtigen Talente gehalten, qualifiziert und involviert werden, trägt es entscheidend dazu bei, dass das Unternehmen nicht nur kurzfristig überlebt, sondern langfristig erfolgreich bleibt. Nur so kann die Restrukturierung als nachhaltiger Prozess gestaltet werden, der die Zukunft des Unternehmens sichert.