Betriebsratswahl 2022: Diese Neuregelungen gibt es

Arbeitsrecht

Das Gesetz zur „Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt“ (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) ist am 18. Juni 2021 in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist unter anderem die Förderung von Betriebsratsgründungen. Laut der Gesetzesbegründung ist das ein Schlüsselfaktor für die Gestaltung einer modernen Arbeitswelt. Dementsprechend enthält das Gesetz einige wesentliche Neuerungen, die für die kommenden Betriebsratswahlen wichtig sind.

1. Verringerung der Stützunterschriften für kleine und mittelgroße Betriebe

Um die Hürden rund um die Wahl besonders für kleine und mittelgroße Betriebe abzusenken, wird die Zahl der erforderlichen Stützunterschriften reduziert. Stützunterschriften helfen herauszufinden, welcher Kandidat beziehungsweise welche Kandidatin realistische Chancen hat, Teil des Betriebsrates zu werden. Dabei dürfen alle Beschäftigten mit ihrer Unterschrift nur einen einzigen Vorschlag unterstützen. Werden zukünftig allerdings in Betrieben mit maximal 20 wahlberechtigten Personen Wahlvorschläge eingereicht, sind gar keine Stützunterschriften mehr notwendig. Auch in mittelgroßen Betrieben wird die erforderliche Anzahl abgesenkt. In Betrieben mit bis zu 100 wahlberechtigten Beschäftigten reichen bereits zwei Unterschriften aus. Erst darüber gilt die bekannte Grenze von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten. Weiterhin sind jedenfalls 50 Stützunterschriften ausreichend.

2. Erleichterung von Wahlen im vereinfachten Wahlverfahren?

Das vereinfachte Wahlverfahren gilt wegen der verkürzten Fristen als besonders attraktiv. Der Anwendungsbereich wurde auch hier erweitert. Für Betriebsratswahlen wird das vereinfachte Verfahren nun bereits für Betriebe mit fünf bis 100 wahlberechtigten Mitarbeitenden angewandt. Vorgeschrieben war dies bisher nur für Betriebe bis maximal 50 Wahlberechtigten. Zudem kann es auch auf Betriebe mit höchstens 200 wahlberechtigten Mitarbeitenden ausgedehnt werden – allerdings nur, wenn Arbeitgeber und Wahlvorstand dies vereinbaren.

3. Wählen nun schon ab 16 Jahren

Die Altersgrenze für die aktive Wahlberechtigung wird von 18 auf 16 Jahre abgesenkt. Nur das passive Wahlrecht (wer darf kandidieren und gewählt werden) kann weiterhin erst ab 18 Jahren ausgeübt werden. Die Frage des aktiven Wahlrechts ist auch für Belegschaftsgröße bedeutsam, da der Gesetzgeber bis zu einer Betriebsratsgröße von fünf Mitgliedern auf dieses Kriterium verweist. Für einen Betriebsrat mit drei Mitgliedern muss der Betrieb zwischen 21 und 50 wahlberechtigte Mitarbeitende umfassen. Für einen Betriebsrat mit fünf Mitgliedern sind mindestens 51 Wahlberechtigte erforderlich. Erst für die nächste Stufe – also ab 101 Beschäftigten – ist die Wahlberechtigung der Mitarbeitenden für die Bestimmung der Mitgliederanzahl des Betriebsrats irrelevant.

4. Einschränkungen bei der Wahlanfechtung

Wenn gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts verstoßen wird, kann die Wahl angefochten werden. Wird die Wahl wegen einer unrichtigen Wählerliste angefochten, ist die Anfechtung nur zulässig, wenn zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt wurde. Der oder die Anfechtende selbst muss allerdings nicht die Person sein, der auch den Einspruch eingelegt hat. Eine Ausnahme von dieser Regelung gilt nur, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist dann ausgeschlossen, wenn sie zum einen auf die Unrichtigkeit der Wählerliste gestützt wird und zum anderen die Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht

5. Erweiterung des besonderen Kündigungsschutzes

Die Frage des Sonderkündigungsschutzes hat sich zudem geändert. Wenn zur Wahl des Wahlvorstandes eingeladen wird, hatten bisher die ersten drei Mitarbeitende auf der Einladung besonderen Kündigungsschutz. Der Gesetzgeber hat die Anzahl geändert und erweiterte den geschützten Personenkreis auf jetzt sechs Personen.

Neu ist auch, dass die Kündigung von Beschäftigten, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen, unzulässig ist, wenn die Kündigungsgründe in der Person oder in dem Verhalten des oder der Beschäftigten liegen. Das können beispielsweise Gespräche mit anderen Mitarbeitenden oder Kolleginnen sein, zur Unterstützung für eine Betriebsratsgründung, um das Für und Wider einer Betriebsratsgründung zu besprechen oder um Schritte zu entwickeln, die für die Planung und Durchführung der Betriebsratswahl relevant sein können. Das für sich allein würde zu einem ausufernden Kündigungsschutz führen. Deshalb hat der Gesetzgeber Einschränkungen formuliert. So muss der oder die jeweilige Beschäftigte zusätzlich eine notariell beglaubigte Erklärung darüber abgeben, dass er oder sie die Absicht hat, einen Betriebsrat zu gründen. Mit diesem formalen Erfordernis dürfte die Ausweitung des Sonderkündigungsschutzes an praktischer Relevanz verlieren.

Fazit: Vereinfachung der Betriebsratswahlen gelungen?

Im Ergebnis werden die mit dem Wort der „Modernisierung“ geweckten Erwartungen nicht erfüllt. Zwar werden Hürden für Wahlvorschläge und das vereinfachte Wahlverfahren abgesenkt. Ob damit aber die erwünschte Zunahme der Gründung von Betriebsräten vorangetrieben wird, bleibt fraglich. Auch Neuregelungen zur Digitalisierung der Wahl fehlen. Einzig für Betriebsratssitzungen wurde die Möglichkeit der Video- und Telefonkonferenz – unter Vorrang der Präsenzsitzung – eingeführt. Die rechtlich notwendigen Voraussetzungen für eine Online-Wahl wurden bisher nicht geschaffen.

Weitere Beiträge aus unserer Artikelserie zu den Betriebsratswahlen 2022:

Betriebsratswahlen: Die 10 größten Fehler für Arbeitgeber

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Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Anja Naumann

Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.
Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Maximilian Koschker

Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät Unternehmen in allen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und der zunehmenden Digitalisierung (Arbeitswelt 4.0).

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