Betriebsratswahlen 2022: Pflichten, Rechte, Anfechtbarkeit

Arbeitsrecht

Arbeitgeber haben bei den anstehenden Betriebsratswahlen diverse Pflichten, mit denen sie sich vorab vertraut machen sollten. Doch auch wenn Unternehmen ihre Pflichten verletzen oder es sonst zu Wahlfehlern kommt, muss das nicht immer (nachteilige) rechtliche Konsequenzen haben. Auch im Übrigen gilt, dass Arbeitgeber mit Blick auf die Wahl nicht rechtlos gestellt sind.

Informationspflichten des Arbeitgebers, insbesondere: Wählerliste

Die Wählerliste ist für die Wahl des Betriebsrats von entscheidender Bedeutung, denn nur die dort Genannten dürfen wählen beziehungsweise gewählt werden. Der Wahlvorstand erstellt die Wählerliste, welche dann im Betrieb bekanntgemacht wird. Für die Erstellung muss der Arbeitgeber dem Wahlvorstand alle erforderlichen Auskünfte geben und notwendigen Unterlagen bereitstellen. Hier müssen Arbeitgeber schon im eigenen Interesse besonders sorgfältig sein: das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das zum 18. Juni 2021 in Kraft getreten ist, schließt eine Anfechtung der Wahl durch den Arbeitgeber gestützt auf die Fehlerhaftigkeit der Wählerliste aus, wenn diese Fehler auf seinen Angaben beruhen.

Keine unzulässige Wahlbeeinflussung

Niemand darf die Betriebsratswahl behindern oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen. Dieses gesetzliche Verbot richtet sich vor allem an den Arbeitgeber. Beispiele für eine unzulässige Wahlbehinderung oder Wahlbeeinflussung durch den Arbeitgeber sind

  • die Verweigerung von notwendigen Angaben zur Aufstellung der Wählerliste,
  • die Ablehnung der Bereitstellung von notwendigen Wahlunterlagen und Hilfsmitteln zur Betriebsratswahl,
  • die Androhung oder der Ausspruch einer Kündigung beziehungsweise einer Versetzung auf einen schlechteren Arbeitsplatz sowie
  • das Versprechen oder Austeilen von Geschenken und sonstigen Zuwendungen.

Pflicht zur Übernahme der Kosten

Der Arbeitgeber hat alle Sachkosten, die im Rahmen der Betriebsratswahl anfallen, zu tragen. Das gilt auch für die persönlichen Kosten des Wahlvorstands im Rahmen der Erforderlichkeit. Die Kostentragungspflicht bezieht sich etwa auf

  • Kosten für die Beschaffung von Wählerlisten, Stimmzetteln, Wahlurnen, Wahlkabinen und Vordrucken,
  • Portokosten für die Briefwahl,
  • Kosten für Reisen des Wahlvorstands,
  • Kosten für einschlägige Gesetzestexte, Kommentierungen und Wahlmappen,
  • Schulungskosten der Wahlvorstandsmitglieder,
  • Kosten für die vom Wahlvorstand beziehungsweise bei der Stimmabgabe genutzten Räumlichkeiten.

Freistellungspflichten bezogen auf die Wahl

Der Arbeitgeber muss den Wahlvorstand für die Wahrnehmung seiner wahlbezogenen Aufgaben bezahlt von der Arbeit freistellen. Auch die sonstigen Arbeitnehmer des Betriebs haben einen Anspruch auf bezahlte Freistellung, soweit das zur Ausübung ihres (aktiven oder passiven) Wahlrechts erforderlich ist. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers bezieht sich also auch auf den wahlbedingten Ausfall von Arbeitszeit.

Wesentliche Rechte des Arbeitgebers

Neben dem arbeitgeberseitigen Recht, eine aus seiner Sicht fehlerhafte Wahl gerichtlich überprüfen zu lassen, kommen dem Arbeitgeber im Kontext der Wahl auch weitere Rechte und Ansprüche zu.

So hat der Arbeitgeber – in den Grenzen der gesetzlichen Behinderungs-/Beeinflussungsverbote (siehe oben) – das Recht, sich zur Wahl und dem von ihm gewünschten Wahlausgang zu äußern. Er darf auch den amtierenden Betriebsrat kritisieren, solange er hierbei sachlich bleibt. Ferner darf er auf aus seiner Sicht geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zugehen und diese ermutigen, sich zur Wahl zu stellen.

Auch muss der Arbeitgeber nicht „sehenden Auges“ Fehler des Wahlvorstands tolerieren. Vielmehr kommt ihm auch schon vor Abschluss des Wahlverfahrens das Recht zu, gegen einzelne Maßnahmen und Entscheidungen des Wahlvorstands – zum Beispiel die Aufstellung der Wählerliste, die Beanstandung eines Wahlvorschlags oder die Entscheidung über den Zeitpunkt der Betriebsratswahl – gerichtlich vorzugehen.

Nach Abschluss der Wahl hat der Arbeitgeber schließlich einen Anspruch auf Einsichtnahme in die vom Wahlvorstand geführten Wahlakten. Das soll dem Arbeitgeber unter anderem die Prüfung ermöglichen, ob er die Wahl anfechten möchte. Soweit Bestandteile der Wahlakten Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer zulassen, ist das Recht zur Einsichtnahme beschränkt – es sei denn, die Ordnungsmäßigkeit der Wahl kann ohne diese Unterlagen nicht beurteilt werden.

Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Betriebsratswahlen

Wird eine fehlerhafte Betriebsratswahl mit Erfolg angefochten, prüft das Arbeitsgericht zunächst, ob eine Korrektur des Wahlergebnisses in Betracht kommt. Wenn das so ist, nimmt es die Korrektur vor. Ist eine Korrektur nicht möglich und wird die Wahl insgesamt für ungültig erklärt, bleibt nur eine Neuwahl des Betriebsrats. Wird demgegenüber die Nichtigkeit einer Wahl festgestellt, wird die Wahl rückwirkend so behandelt, als hätte sie nie stattgefunden. Eine Korrektur des Wahlergebnisses ohne Neuwahl ist nicht möglich.

Die Nichtigkeit stellt in der Praxis allerdings die Ausnahme dar und kommt nur dann in Betracht, wenn noch nicht einmal der Anschein einer ordnungsgemäßen Wahldurchführung gegeben ist. Typische Nichtigkeitsgründe sind etwa die Wahl eines Betriebsrats für eine nicht betriebsratsfähige Einheit oder einen Betrieb, der gar nicht dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz unterliegt. Die Nichtigkeit kann von jeder Person zu jeder Zeit und in jedem Verfahren geltend gemacht werden.

Fehler, die zu einer Anfechtung der Betriebsratswahl führen können, sind da deutlich häufiger. Zu nennen sind

  • Nichtzulassung von wahlberechtigten Mitarbeitenden,
  • Zulassung eines Nichtberechtigten zur Wahl,
  • Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl,
  • Durchführung einer Online-Betriebsratswahl.

Zur Anfechtung sind nur die Wahlberechtigten (zur Anfechtung müssen sich mindestens drei Wahlberechtigte zusammenfinden), eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft sowie der Arbeitgeber berechtigt. Auch gilt – im Sinne des baldigen Rechtsfriedens – eine kurze Ausschlussfrist für die Wahlanfechtung von zwei Wochen, gerechnet ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses im Betrieb.

Fazit

Arbeitgeber sollten ihre Pflichten, aber auch ihre Rechte in Bezug auf die Betriebsratswahl kennen. So leisten sie einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Durchführung der Wahl. Geht trotzdem etwas schief, muss das noch nicht das Ende bedeuten: viele Fehler bleiben im Ergebnis folgenlos, was auch eine ganz bewusste Entscheidung des Gesetzgebers ist.

Weitere Beiträge aus unserer Artikelserie zu den Betriebsratswahlen 2022:

Betriebsratswahlen: Die 10 größten Fehler für Arbeitgeber

Betriebsratswahl 2022: Diese Neuregelungen gibt es

 

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Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Anja Naumann

Dr. Anja Naumann ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.
Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

Maximilian Koschker

Dr. Maximilian Koschker ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Er berät Unternehmen in allen individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere im Zusammenhang mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt und der zunehmenden Digitalisierung (Arbeitswelt 4.0).

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