Offene Urlaubsansprüche bei fristloser Kündigung

Arbeitsrecht

Ausgangssituation:

Spricht ein Arbeitgeber gegenüber einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin eine außerordentliche, fristlose Kündigung aus, wird diese regelmäßig vorsorglich mit einer ordentlichen Kündigung verbunden und soll das Arbeitsverhältnis mit dem Tag des Zugangs beenden. Da offene Urlaubsansprüche wegen der sofortigen Beendigung mit Zugang nicht mehr in Natur gewährt werden können, sind diese Urlaubsansprüche abzugelten (§7 Abs.4 BUrlG).

Wird gegen die außerordentliche Kündigung fristgemäß Kündigungsschutzklage erhoben, steht die sofortige Beendigung unter der Einschränkung, dass die Klage abgewiesen wird. Wenn das Ergebnis der Kündigungsschutzklage ist, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung, sondern im Vergleichsweg durch die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung beendet wird, kann der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zusätzlich zur Urlaubsabgeltung in der Regel für den Zeitraum ab dem Zugang der Kündigung Fortzahlung der Vergütung verlangen. Der Arbeitgeber könnte also finanziell doppelt durch die Urlaubsabgeltung und durch die Vergütungsnachzahlung belastet werden.

Das BAG hat mit seinem Urteil vom 25.August 2020 zum Az.: 9AZR612/19 nun instruktiv eine Gestaltungsmöglichkeit dargestellt, wie diese Doppelbelastung für den Arbeitgeber vermieden werden kann.

Urteil des BAG

Das BAG hatte ein Kündigungsschreiben zu beurteilen, in dem der Arbeitgeber im Anschluss an die fristlose außerordentliche Kündigung sowie eine vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung wörtlich Folgendes ergänzt hat:

„Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab.

Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt folgendes:

Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19. September 2017 bis 11.Oktober 2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“

Der Rechtsstreit endet schließlich durch Vergleich, wobei die Beendigung auf der Grundlage der vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung erfolgte. Entgegen der Erwartung des Arbeitnehmers erhielt der Arbeitnehmer nicht die rückständige Vergütung und eine Urlaubsabgeltung. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass der vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung erteilte Urlaub zur Erfüllung der Urlaubsansprüche des Klägers geführt habe. Daher bestehe kein Anspruch auf Zahlung der rückständigen Vergütung.

Das BAG teilte die Auffassung des Arbeitgebers und nahm an, dass ein Anspruch auf rückständige Vergütung wegen des gewährten Urlaubs ausgeschlossen ist. Dabei bestätigte das Gericht, dass für den Fall einer unwirksamen (außerordentlichen oder ordentlichen) Kündigung eine vorsorgliche Urlaubsgewährung möglich und rechtlich zulässig ist. Damit die vorsorgliche Urlaubsgewährung den Urlaubsanspruch wirksam erfüllt, ist jedoch auch erforderlich, dass der Arbeitgeber trotz der Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eindeutig zum Ausdruck bringt, (i) den Arbeitsnehmer zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Arbeitspflicht zu befreien und (ii) die Vergütung für die Zeit des Urlaubs vor Urlaubsantritt zu zahlen oder dessen Zahlung vorbehaltslos zu zusagen.

Die vom Arbeitnehmer hiergegen erhobenen Einwände sah das BAG als nicht durchgreifend an. Den Einwand, dass bei Urlaubsantritt das Bestehen einer Arbeitspflicht nicht abschließend geklärt war, entkräfte das BAG, indem es auf die Realisierung des Urlaubszwecks abstellte und festhielt, dass es hierfür ausreicht, wenn durch die Urlaubserteilung die Gewissheit besteht, während eines bestimmten Zeitraums nicht zur Arbeit herangezogen zu werden. In den sozialrechtlichen Handlungsobliegenheiten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit erkannte das BAG zwar eine Beeinträchtigung des gewährten Urlaubs. Jedoch stellte das Gericht fest, dass diese Beeinträchtigung dem persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zuzuordnen ist und daher der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegensteht.

Fazit und Handlungsempfehlung

Das BAG bestätigt mit der aktuellen Entscheidung die Tendenzen aus vorherigen Entscheidungen und erklärt die vorsorgliche Gewährung von Urlaub im Zusammenhang mit dem Ausspruch von Kündigungen für zulässig. Zugleich bewertet das BAG typische Einwände und erklärt sie für nicht durchgreifend.

Die Klarheit dieser Entscheidung ist sehr erfreulich. Aus Arbeitgebersicht ist zudem erfreulich, dass das Gericht einen Weg aufzeigt, wie bei einer außerordentlichen Kündigung Urlaubsansprüche abgegolten werden können und eine Doppelbelastung durch Vergütungsnachzahlung und Urlaubsabgeltung vermieden wird. Da das BAG die hier konkret vom Arbeitgeber verwendete Erklärung für ausreichend erachtete, um die Urlaubsansprüche wirksam zu erfüllen, ist eine Orientierung an dieser Formulierung möglich.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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