Politisches Engagement versus Firmeninteresse

Arbeitsrecht

Für Beschäftigte gilt die Meinungsfreiheit – auch in Bezug auf politische Ansichten abseits des gemäßigten Spektrums. Müssen Unternehmen die politische Betätigung ihrer Angestellten im Betrieb oder in sozialen Netzwerken uneingeschränkt tolerieren?

Der Fall ging durch die Medien: Im August 2020 nahm der Profi-Basketballer Joshiko Saibou an einer großen Demonstration gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Berlin teil. Zuvor hatte er wiederholt in sozialen Medien die Corona-Pandemie relativiert und sich geringschätzig über Schutzmaßnahmen geäußert. Sein Arbeitgeber, die Telekom Baskets Bonn, kündigte im Anschluss an die Demonstration das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit dem Hinweis auf „Verstöße gegen Vorgaben des laufenden Arbeitsvertrags als Profisportler“.

Zwar ging es dem Unternehmen – so die kommunizierte Begründung – in diesem Fall vorrangig um eine mögliche Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten beziehungsweise der übrigen Teammitglieder. Dennoch warf der Fall die Frage auf, ob Arbeitgeber die politische Betätigung ihrer Beschäftigten uneingeschränkt akzeptieren müssen oder sie eine Mäßigung im Betrieb oder gar in der Öffentlichkeit verlangen dürfen.

Politische Betätigung ist Privatsache

Insbesondere bei Beschäftigten, die sich öffentlichkeitswirksam mit politischen Aktivitäten abseits des Mainstreams positionieren, wird schnell die Forderung nach Mäßigung laut. Die Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers sind aber begrenzt. Auch im Kontext des Arbeitsverhältnisses garantiert das Grundgesetz das Recht auf freie Meinungsäußerung. Während Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Arbeitspflicht dem Direktionsrecht unterliegen, sind sie bei der Meinungsbildung und -äußerung grundsätzlich frei. Die bloße Teilnahme an Demonstrationen außerhalb der Arbeitszeit sowie die Unterstützung politischer Parteien oder Interessengruppen unterliegt keiner Kontrolle des Arbeitgebers. Selbst extremistische oder gar verfassungsfeindliche Meinungen von Beschäftigten geben im Grundsatz keinen Anlass, arbeitsrechtliche Sanktionen wie eine Abmahnung oder eine Kündigung zu veranlassen. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Angestellte wie für Führungskräfte in exponierter Position.

Schranken findet die freie politische Betätigung in den arbeitsrechtlichen Loyalitätspflichten, also der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers und der Pflicht zur Förderung des arbeitsvertraglichen Zwecks. Daraus folgt insbesondere eine Einschränkung für Aktivitäten innerhalb des Betriebs. Auch dort sind politische Meinungsäußerungen nicht verboten. Handlungen, die den Betriebsfrieden stören, müssen Arbeitgeber allerdings nicht dulden. Damit ist jedoch nicht jede unliebsame Äußerung potenziell verboten. Erst wenn sich konkrete negative Auswirkungen ergeben – zum Beispiel anhaltende Dispute innerhalb der Belegschaft oder Beschwerden von Personengruppen, die sich verunglimpft glauben –, können Arbeitgeber ein Unterlassen der Aktivitäten fordern beziehungsweise je nach Intensität der Störung auch unmittelbar mit einer Abmahnung reagieren. Auch eine Kündigung wäre denkbar, die jedoch wegen des grundrechtlichen Schutzes der politischen Betätigung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt.

Sonderregeln für öffentlichen Dienst und den Betriebsrat

Andere Regelungen gelten für Angestellte des öffentlichen Dienstes. Ihr Arbeitgeber ist der Staat, welcher zu einer politischen Neutralität und der Wahrung der verfassungsrechtlichen Ordnung verpflichtet ist. Diese Pflicht ist zu einem gewissen Grad Inhalt des Arbeitsvertrages. Die Beschäftigten haben für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten, womit etwa das aktive Engagement für eine verfassungsfeindliche Partei auch im privaten Bereich kollidieren kann. Auch Angestellte in sogenannten Tendenzbetrieben, die beispielsweise politische oder weltanschauliche Zwecke verfolgen, sind zu besonderer Rücksichtnahme verpflichtet. Die wohl strengsten Regeln gelten für Beamtinnen und Beamte. Aus ihrem Dienstverhältnis selbst ergibt sich unmittelbar eine Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung. Für diese Gruppen gilt ein von der Rechtsprechung entwickeltes und komplexes System zulässiger Handlungen.

Besonderen Beschränkungen unterliegen außerdem gewählte Betriebsratsmitglieder. Ihnen ist gemäß §74 Abs. 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz jede parteipolitische Betätigung im Betrieb verboten. Zulässig sind lediglich allgemeinpolitische Äußerungen wie ein Aufruf, sich an Wahlen zu beteiligen. Im Vergleich zu Beschäftigten ohne Betriebsratsamt – denen wie dargestellt politische Äußerungen ohne konkrete Störung des Betriebsfriedens gestattet sind – gilt also ein strengerer Maßstab.

Die Grenze: öffentlicher Bezug zum Arbeitgeber

Nicht jede politische Betätigung im privaten Kontext ist auch wirklich Privatsache. Steht eine politische Betätigung im Widerspruch zur Tätigkeit oder den Unternehmenswerten, müssen Beschäftigte negative Auswirkungen auf ihren Arbeitgeber vermeiden. Unzulässig ist daher eine politische Betätigung, die den Eindruck erweckt, der Arbeitgeber teile die Ansichten oder habe gar die Tätigkeiten gebilligt oder in Auftrag gegeben.

Insbesondere bei Äußerungen in sozialen Medien ist damit Vorsicht geboten. Gibt das Profil, in dessen Rahmen die Äußerung erfolgt, einen Rückschluss auf den Arbeitgeber, gelten deutlich strengere Maßstäbe als bei politischen Betätigungen in der Offline-Welt. In diesem Fall kann die Öffentlichkeit einen Kontext zwischen der politischen Äußerung und dem Arbeitgeber herstellen. Eine derartige Verbindung müssen Unternehmen jedenfalls dann nicht tolerieren, wenn die Äußerungen einem fremden- oder verfassungsfeindlichen Spektrum zuzuordnen sind.

So hielt etwa das Landesarbeitsgericht Sachsen die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers für wirksam, der auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite unter seinem Namen eine Grafik einer meckernden Ziege veröffentlichte mit der Sprechblase „Achmed, ich bin schwanger“. Das Profilbild des Arbeitnehmers, welches neben der Veröffentlichung zu sehen war, zeigte ihn in seiner Dienstkleidung, die den Arbeitgeber erkennen ließ. Diese bildliche Verknüpfung zwischen dem Arbeitgeber und der Äußerung war nach Ansicht des Gerichts eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht.

In einem weiteren Fall vor dem Arbeitsgericht Herne hatte ein Bergmechaniker auf Facebook einen Beitrag eines Nachrichtensenders über einen Brand in einer Asylunterkunft mit der Äußerung „hoffe das (sic) alle verbrennen, die nicht gemeldet sind,“ kommentiert. Sein Profil war öffentlich einsehbar und wies das Bergwerk als Arbeitgeber aus. Das Gericht sah auch in diesem Fall einen nicht hinzunehmenden Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis. Denn: Der Arbeitgeber war für alle, die vom volksverhetzenden Kommentar das Profil des Bergmechanikers aufriefen, ersichtlich.

Sofern Joshiko Saibou in dem eingangs geschilderten Fall im Rahmen seiner Demonstrationsteilnahme oder Meinungsäußerung einen Bezug zu seinem Arbeitgeber ermöglicht hat, wäre eine Sanktionierung jedenfalls denkbar gewesen. Infolge einer Einigung der Parteien hatte das Gericht den Fall jedoch nicht zu entscheiden.

Problembewusstsein schaffen durch Richtlinien

Ob Anti-Corona-Demonstration, verfassungsfeindliche Aktivitäten oder das Verbreiten extremer Ansichten in sozialen Netzwerken: Die politische Betätigung von Beschäftigten können Arbeitgeber nicht beeinflussen. Bei der Ausübung können sie aber Rücksicht auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verlangen. Verstöße gegen diese Ausprägung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht lassen sich mit Ermahnungen, Abmahnungen oder – in gravierenden Fällen – gar mit einer außerordentlichen Kündigung ahnden. Insbesondere politische Aktivitäten in beruflichen Netzwerken wie Linkedin oder Xing sollten Beschäftigte daher sorgfältig abwägen.

Wann die Grenze des Erlaubten überschritten ist, kann von dem Inhalt getätigter Äußerungen wie auch der Art und Weise der Verbreitung abhängen. Um den Beschäftigten gleichwohl gewisse Anhaltspunkte zur Verfügung zu stellen, können Arbeitgeber allgemeine Richtlinien kommunizieren, zum Beispiel im Rahmen eines Code of Conduct. Diese können allerdings ganz oder teilweise der Mitbestimmung eines bestehenden Betriebsrats unterliegen. Derartige Richtlinien – mit einer Beschreibung der Unternehmenswerte und Empfehlungen für die Nutzung sozialer Netzwerke – ändern jedoch nicht die Rechtslage. Arbeitgeber können damit also keine Handlungen verbieten, die nach den oben dargestellten Grundsätzen von der Meinungsfreiheit umfasst sind. Schriftlich festgehaltene Leitlinien schaffen aber ein Problembewusstsein und liefern allen Unternehmensangehörigen Anhaltspunkte, welche Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen sind. Damit lassen sich Streitigkeiten vermeiden.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Rebellion. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Christoph Seidler

Osborne Clarke
Christoph Seidler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke in Hamburg. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in betriebsverfassungs-rechtlichen Fragen, insbesondere im Kontext von New Work und Arbeitsrecht 4.0.

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