5 arbeitsrechtliche Fragen zum Urlaub in Corona-Zeiten

Arbeitsrecht

In der Corona-Krise stellen sich für Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer viele Fragen rund um den Urlaub: Darf der Arbeitgeber bereits genehmigter Urlaub wieder streichen? Darf man als Arbeitnehmer den Urlaub widerrufen? Und was gilt für den Urlaub bei Kurzarbeit?

1. Darf der Arbeitgeber bereits genehmigten Urlaub streichen aufgrund erhöhten Arbeitsanfalls?

Grundsätzlich gilt: genehmigt ist genehmigt. Hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einmal Urlaub gewährt, so kann er diesen grundsätzlich nicht einseitig widerrufen. Etwas anderes kann dann gelten, wenn bei Festhalten an dem Urlaub der Zusammenbruch des Unternehmens droht. Dies setzt jedoch voraus, dass die Arbeitskraft des Arbeitnehmers für einen bestimmten Zeitraum zum Beispiel gerade zur Verhinderung dieses Zusammenbruchs benötigt wird und das Festhalten an der Urlaubsgewährung für den Arbeitgeber schlechthin unzumutbar wäre. Dies ist aber nur in Ausnahmefällen gegeben, allerdings in den jetzigen Corona-Zeiten denkbar. Nicht hierzu zählen jedoch Fälle, bei denen der Arbeitgeber die Urlaubsvertretung anderweitig einplant und diese für den abwesenden Arbeitnehmer nicht verfügbar ist; dies stellt ein organisatorisches Problem des Arbeitgebers dar, das zu seinen Lasten geht.

2. Darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer verpflichten, Urlaubstage zu nehmen, auch wenn diese das gebenenfalls selbst gar nicht wollen?

Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer grundlegend darüber entscheiden, wann und wie lange er Urlaub nimmt, wenn hierbei die gesetzlichen Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (BurlG) und arbeitsvertragliche Vereinbarungen berücksichtigt werden. Die Verpflichtung, Urlaubstage zu nehmen, also Zwangsurlaub oder auch Betriebsferien, ist nur bei dringenden betrieblichen Belangen gerechtfertigt. Diese sind jedoch nicht bei jeder wirtschaftlichen Krise eines Unternehmens gegeben. Denn Auftragsmangel oder Störungen im Betriebsablauf legitimieren die Verpflichtung, Urlaub zu nehmen nicht, da grundsätzlich der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko, also die unwirtschaftliche Bezahlung seiner Arbeitnehmer, trägt. Die Verpflichtung, Urlaubstage zu nehmen, wird damit insbesondere bei unvorhergesehenen betrieblichen Krisen, wie jetzt zu Zeiten der Corona-Krise, möglich sein, wohl aber auch eher erst dann, wenn der Arbeitgeber den Betrieb schließen muss und nicht, wenn er diesen freiwillig schließt. Die Dauer des dann angeordneten Urlaubs hängt von der Dauer der Krise ab, wobei nach der Rechtsprechung dem Arbeitnehmer ein Teil seines Jahresurlaubs dennoch zur freien Verfügung bleiben muss. Sollte ein Betriebsrat bestehen, so ist dieser bei der Einführung von „Zwangsurlaub“ zu beteiligen.

3. Dürfen Arbeitnehmer bereits genehmigten Urlaub widerrufen?

Auch hier gilt der Grundsatz: genehmigt ist genehmigt. Hat der Arbeitnehmer also seine Urlaubswünsche beantragt und wurden diese auch vom Arbeitgeber genehmigt, ist auch der Arbeitnehmer grundsätzlich an die Festlegung seines Urlaubs gebunden. Allenfalls in Notfällen kann dem Arbeitnehmer das Recht zustehen, eine Veränderung des bereits genehmigten Urlaubs zu fordern, wobei auch dann der Arbeitgeber damit einverstanden sein muss; ein konkludentes Einverständnis, das heißt wenn der Arbeitgeber gegen die Wiederaufnahme der Tätigkeit keine Einwände erhebt, genügt. Allerdings wird ein solcher Notfall in der jetzigen Corona-Krise nicht nur deshalb bestehen, wenn Arbeitnehmer ihre bereits geplante Reise aufgrund der aktuellen behördlichen Ausreise- und Ausgangsbeschränkungen nicht antreten können. Eine Besonderheit gilt, wenn der Arbeitnehmer während des genehmigten und angetretenen Urlaubs erkrankt. Dann werden nach § 9 BUrlG die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Dies führt aber nicht etwa dazu, dass der Arbeitnehmer den aufgrund der Krankheit nicht genommenen Urlaub einseitig auf einen anderen Zeitpunkt verlegen darf. Dieser muss wie regulärer Urlaub neu beantragt und vom Arbeitgeber neu festgelegt werden.

4. Existieren diesbezüglich Sonderregelungen/Vorrang für zum Beispiel Eltern/Pflegende?

Die oben dargestellten Grundsätze gelten auch für Eltern/Pflegende. Für Mütter beziehungsweise Eltern in Elternzeit gibt es jedoch gesetzliche Ausnahmen von dem Grundsatz „genehmigt ist genehmigt“: Kann ein bereits genehmigter Urlaub tatsächlich wegen eines Beschäftigungsverbots oder der Elternzeit nicht angetreten werden, so verfällt dieser nicht, sondern kann nach dem Ende des Beschäftigungsverbots bzw. nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr genommen werden (§ 24 S. 2 MuSchG bzw. § 17 Abs. 2 BEEG). Für Pflegende gibt es eine solche gesetzliche Regelung nicht; bei diesen geht der bereits genehmigte, aber wegen der Pflegezeit nicht angetretene Urlaub ersatzlos unter. Bezüglich der Festlegung des Urlaubs kann sich beispielsweise aus einer Betriebsvereinbarung zur Urlaubsgewährung ein Recht ergeben, dass die Urlaubswünsche von Eltern/Pflegenden vorrangig zu berücksichtigen sind.

5. Gelten andere Regeln für den Urlaubsanspruch, wenn das Unternehmen zur Kurzarbeit übergeht?

Wurde im Unternehmen Kurzarbeit eingeführt, kann und sollte auch weiterhin der Urlaub gewährt werden, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub für diese Zeit beantragt. Denn in einem solchen Fall kann die Kurzarbeit aufgrund des ausdrücklichen Urlaubswunsches des Arbeitnehmers entfallen, da der Arbeitsausfall durch Gewährung von Urlaub vermieden werden konnte. Konsequenterweise beziehen die Arbeitnehmer in diesen Zeiten auch kein Kurzarbeitergeld, sondern das Urlaubsentgelt in regulärer Höhe. Allerdings sollte in der arbeitsvertraglichen Regelung beziehungsweise in der Betriebsvereinbarung zur Einführung der Kurzarbeit ausdrücklich geregelt werden, dass angetretener Urlaub die Kurzarbeit verdrängt, da nach der Rechtsprechung zumindest bei der Einführung von Kurzarbeit mittels Betriebsvereinbarung diese Kurzarbeit dem Urlaub vorgeht. Einseitig kann der Arbeitgeber den Urlaub zur Vermeidung von Kurzarbeit nicht gegen die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer anordnen. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann zumindest der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch in Zeiten von Kurzarbeit entsprechend dem Anteil der tatsächlichen Arbeitszeit gekürzt werden. Wurde daher beispielsweise Kurzarbeit „Null“ angeordnet, das heißt arbeiten die Arbeitnehmer gar nicht, entsteht ihnen für diese Zeiten auch kein Urlaubsanspruch.

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Dr. Sarah Reinhardt-Kasperek, Foto: Privat

Sarah Reinhardt-Kasperek

Partnerin, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Dr. Sarah Reinhardt-Kasperek ist Partnerin, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.
Katharina Domni, Beiten Burkhardt

Katharina Domni

Katharina Domni ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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