Aushänge­schild statt Fail – die Employer Brand geht alle an

Employer Branding

HR kann nicht die Überwachungsdrohne für das Thema Employer Branding sein. Auch die anderen Abteilungen müssen das Leitbild authentisch verkörpern.

Über Arbeitgebermarken wurde schon viel geschrieben. Der Wert einer attraktiven, authentischen und glaubwürdigen Employer Brand ist unbestritten. Oft entsteht allerdings der Eindruck, Aufbau und Pflege der Arbeitgebermarke sei ein reines HR-Thema. Das stimmt so nicht. Die Employer Brand geht alle an. Wird sie nicht unternehmensweit gelebt, ist sie wertlos, im schlimmsten Fall in der Außenwirkung sogar krass kontraproduktiv. Beispiele?

Fail, fail, fail – So werden Employer Brands ad absurdum geführt

Zukunft und Innovation gehören zu den Werten, die sich VW auf die Fahnen geschrieben hat. Die Tatsache, dass Kandidaten auf dem Online-Bewerbungsformular von VW im Jahr 2019 ihre Gehaltsvorstellung noch in D-Mark angeben können, lässt den neutralen Betrachter zumindest heftig zweifeln, ob die Werte Zukunft und Innovation dort wirklich gelebt werden.

Die Deutsche Bank setzt auf Schlagworte wie Positiver Beitrag und Respekt. Dass Londoner Manager der Bank – der Fall ging durch die Presse – just an dem Tag Luxusschneider für Maßanzüge ins Büro bestellten, an dem zeitgleich Hunderte Kollegen entlassen wurden, macht sprachlos. Ein positiver Beitrag zum Thema Respekt war das ganz sicher nicht.

Ein letztes Beispiel: Uns ist ein Unternehmen bekannt, das den Wert Nachhaltigkeit ins Zentrum seiner Arbeitgebermarke stellt, und dessen Vertriebsabteilung dennoch Top-Verkäufer mit einer Flugreise zu den Ferrari-Race-Days in den Emiraten incentiviert hat. Passt nicht so richtig? Finden wir auch.

Die Arbeitgebermarke hat zahlreiche Touchpoints im gesamten Unternehmen

Diese Beispiele dienen nicht der Anklage oder der Schadenfreude. Die Botschaft lautet vielmehr: Die Touchpoints der Employer Brand liegen auch, aber keineswegs ausschließlich, in den klassischen HR-Bereichen wie Karriereseite, Stellenanzeigen oder Bewerbungs- und Onboarding-Prozesse. Sie sind vielmehr auf das gesamte Unternehmen verteilt. Und somit tragen auch alle im Unternehmen Verantwortung dafür, eine Arbeitgebermarke täglich mit Leben zu füllen. Die Employer Brand geht alle an. Und das sollte auch allen bewusst sein.

HR ist Keimzelle einer Employer Brand – nicht ihr Sheriff

HR ist im Normalfall die Keimzelle einer Arbeitgebermarke. Doch entwickelt HR diese ja nicht nach Gutdünken, faktenbefreit und frei kreativ in einem Vakuum. Die vorgeschalteten Prozesse sind bekannt: Befragungen von Fokus-Gruppen, zahlreiche Interviews und viele andere Instrumente werden genutzt, um zu ermitteln, was ein Unternehmen und seine Mitarbeiter bewegt, welche Haltungen, Wertvorstellungen aber auch Emotionen vorherrschen und vieles mehr. Trivial ausgedrückt: Wie tickt das Unternehmen?

Im Idealfall wird zudem nicht nur der Status Quo der ermittelten Daten abgebildet. Eine Employer Brand sollte sich immer auch etwas ambitioniert und unbequem anfühlen, also Elemente einer „Aspirational Reality“ haben, einen Weg nach vorne, ein Verlassen der Komfortzone und letztlich auch Vision und positiven Wandel aufzeigen. Diese Elemente kann zum Beispiel die Sicht der Geschäftsführung beisteuern.

Kurz gesagt trägt HR bei der Entwicklung einer Arbeitgebermarke also Daten, Fakten, Werte, Haltungen, Emotionen und Visionen aus dem gesamten Unternehmen zusammen. Damit trägt HR zwar in besonderer Weise Verantwortung für die Inhalte einer Employer Brand, ist aber nicht ihr Sheriff.

So übernehmen alle Verantwortung für die Employer Brand

Die mit einer Employer Brand transportierten Werte sind, wie wir gesehen haben, nicht die (Privat-) Werte der HR-Abteilung, sondern die des gesamten Unternehmens. Daher sollten die Werte der Arbeitgebermarke – falls es überhaupt Diskrepanzen geben sollte – unbedingt mit denen des Gesamtunternehmens synchronisiert und unternehmensweit ausgerollt werden. Dazu bedarf es der Abstimmung zwischen HR und allen anderen Einheiten wie der Geschäftsführung, Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Marketing, PR und möglichen anderen Abteilungen – eben allen.

Ist eine Employer Brand einmal installiert und – sehr wichtig – auch unternehmensweit klar kommuniziert, sollten sämtliche Abteilungen und alle Beschäftigten bitte auch immer eigeninitiativ einen Blick dafür haben, was ihre Aktionen, Kampagnen, ihr Service und ihr Branding für Auswirkungen auf das Arbeitgeberimage haben. Die Arbeitgebermarke fungiert als Leitplanke mit dem Committment, dass sich bitte auch alle, wenn sie für das Unternehmen sprechen oder handeln, darin aufhalten sollten. Es ist überhaupt nicht die Aufgabe von HR, wie eine Überwachungsdrohne über dem Unternehmen zu schweben, um mögliche Abweichungen zu entdecken. Das kann HR auch gar nicht leisten.

Im positiven Szenario einer authentischen Arbeitgebermarke, die wirklich von der Belegschaft getragen wird, ist das auch gar nicht nötig. Denn dort werden die Werte aus Überzeugung unternehmensweit gelebt. Und in einem solchen Szenario wird die Arbeitgebermarke nicht zum potenziellen Ursprung von peinlichen, der Reputation erheblich schadenden Fails, sondern zu dem, was sie sein soll: ein glaubwürdiges Aushängeschild für die Attraktivität eines Unternehmens.

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(c) YeaHR!

Andreas Herde

Andreas Herde ist Gründer und Geschäftsführer von YeaHR! und spezialisiert auf Employer Branding und Recruiting. YeaHR! wurde 2015 in Düsseldorf gegründet. Mit sechs HR Excellence Awards in unterschiedlichen Disziplinen – davon 2017 und 2020 als Personalagentur des Jahres – gehört YeaHR! zu den am meisten ausgezeichneten HR-Dienstleistern der vergangenen Jahre. YeaHR! arbeitet unter anderem für Air Liquide, die Vaillant Group, Rheinmetall, Symrise und verschiedene Ministerien und zahlreiche öffentliche Auftraggeber.

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