Automatisch mehr Altersvorsorge

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Ein gutes Jahr betriebliche Vorsorgepflicht in Großbritannien zeigt: Es geht auch anders. Was wir von unseren Nachbarn lernen können und wie das Modell auch in Deutschland funktionieren könnte.

Wenn es um die Alterssicherung ihrer Bürger geht, stehen die Staaten Europas alle vor der gleichen Herausforderung: Es muss ihnen gelingen, die Bevölkerung zu mehr Eigenvorsorge zu bewegen – einerseits um die Menschen vor Altersarmut zu schützen, andererseits um die sozialen Sicherungssysteme zu entlasten. Die Probleme sind zwar in allen Ländern ähnlich, doch die Lösungswege unterscheiden sich zum Teil erheblich. So ist in Deutschland die betriebliche Vorsorge im Vergleich zur gesetzlichen Rente schwach ausgeprägt und mit der Riesterreform wurde erst relativ spät ein kapitalgedecktes Modell konzipiert. In Großbritannien baut die Alterssicherung hingegen schon seit langem weitgehend auf privaten und betrieblichen Renten auf. Dort deckt die staatliche Grundrente mit einem Anteil von 25 Prozent der Alterseinkünfte nur das Allernötigste ab.

Nach den Rentenreformen der vergangenen Jahre wird die gesetzliche Rente den Bürgern auch hierzulande nicht mehr als eine Grundsicherung bieten können. So sinkt das Rentenniveau in Deutschland von aktuell schon nur 55 Prozent bis 2030 noch weiter: auf 43 Prozent. Wenn dann alle Baby-Boomer in Rente sind, ist mit weiteren Leistungskürzungen im Umlagesystem zu rechnen. Diese Leistungseinschnitte können nur durch den Ausbau kapitalgedeckter Renten ausgeglichen werden. Doch bislang unternehmen Firmen und Staat in Deutschland zu wenig, um etwa die betriebliche Altersversorgung auf eine breitere Basis zu stellen. In anderen Ländern wie z.B. Großbritannien ist man in dieser Hinsicht einen wesentlichen Schritt weiter: Im Oktober 2012 wurde dort eine gesetzliche Vorsorgepflicht zur betrieblichen Altersversorgung eingeführt. Seitdem muss jeder Arbeitnehmer zunächst mindestens ein Prozent seines Gehalts in eine Betriebsrente einzahlen. Ein weiteres Prozent muss der Arbeitgeber dazu geben. Im Laufe der kommenden Jahre steigen die kombinierten Beitragsätze auf 8 Prozent an. Wer das nicht möchte, kann dem widersprechen oder auch komplett aus dem Programm aussteigen, im Fachjargon Opting Out genannt.

Hohe Akzeptanz in Großbritannien

Die Bilanz nach einem Jahr automatischer Entgeltumwandlung ist ermutigend: So stieg dem britischen Ministerium für Arbeit und Renten zufolge die Beteiligung an betrieblichen Altersvorsorgeplänen in den 50 größten Unternehmen des Vereinigten Königreichs von zuvor 61 auf nun 83 Prozent. Selbst in Firmen, in denen es bereits vor Einführung des Obligatoriums eine Vereinbarung zur Entgeltumwandlung gegeben hatte, stieg die Teilnahmequote noch einmal um 6 Prozentpunkte auf stolze 96 Prozent. Als größten Erfolg können die Befürworter des Gesetzes jedoch verbuchen, dass bislang nur 9 Prozent der Arbeitnehmer von ihrer Ausstiegsoption Gebrauch machten. Das ist weitaus weniger als erwartet und zeigt, dass die Vorsorgepflicht von einer großen Mehrheit als Notwendigkeit akzeptiert und nicht etwa als Zwang betrachtet wird.

Die automatische Entgeltumwandlung sorgt also dafür, dass Millionen von Arbeitnehmern in Großbritannien eine bessere Altersversorgung erhalten. Trotz der Anfangserfolge sind die Briten aber realistisch, wie viel noch zu tun bleibt. Die Bilanz des Arbeitsministeriums zeigt nämlich lediglich die Beteiligung an der Entgeltumwandlung bei den größten Arbeitgebern des Landes mit jeweils mehr als 10.000 Mitarbeitern – Unternehmen also, die traditionell ohnehin eine betriebliche Alterversorgung besitzen. Doch von den insgesamt etwa 1,3 Millionen Arbeitgebern auf den britischen Inseln sind fast eine Million Inhaber von kleinen Betrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern. Dort ist die betriebliche Vorsorge längst keine Selbstverständlichkeit. Die Teilnahmequoten auch dort zu erhöhen, bleibt eine große Herausforderung, bei deren Bewältigung das Jahr 2014 entscheidend wird. Denn im ersten Quartal dieses Jahres führt der britische „Mittelstand“ – also Unternehmen mit 250 bis unter 500 Mitarbeitern – die automatische Entgeltumwandlung ein.

Deutschland hinkt hinterher

Blickt man zum Vergleich nach Deutschland, muss man feststellen, dass hier bislang zwar viel über die Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge debattiert, aber zu wenig gehandelt wurde. Die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung vor mehr als zehn Jahren hat nicht den erhofften Durchbruch gebracht. Insgesamt besitzen noch immer weniger als die Hälfte aller Arbeitnehmer Ansprüche auf Leistungen aus betrieblichen Versorgungssystemen. Und sogar nur jeder Fünfte erhält eine Anwartschaft aus Entgeltumwandlung, also dem Teil der betrieblichen Vorsorge, den nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer selbst aus seinem Bruttoeinkommen aufbaut.

Die Beiträge betrieblicher Renten zur Alterssicherung sind außerdem viel zu gering: Durchschnittlich vier Prozent der gesamten Altersbezüge stammen heute in Deutschland aus der betrieblichen Rente – weitere fünf Prozent aus der privaten Vorsorge. Mit einem Anteil von knapp 90 Prozent dominiert nach wie vor die schwindende gesetzliche Rentenversicherung. Will man vermeiden, dass der Lebensstandard im Alter dramatisch sinkt und ein wachsender Teil der Bevölkerung in die Altersarmut abrutscht, müssen statt vier Prozent mindestens 25 bis 30 Prozent der Rentenbezüge aus der betrieblichen Versorgung kommen.

Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung reicht nicht

Dieses Ziel wird man mit dem reinen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung allein – von dem viele Arbeitnehmer nicht einmal etwas wissen – nicht erreichen. Zwar werden Opting-Out-Modelle in der Chemie- oder der Metallindustrie per Tarifvertrag bereits umgesetzt. Doch dies sind vereinzelte Branchenlösungen. In den allermeisten Fällen ist es derzeit nämlich genau umgekehrt: Wer eine Betriebsrente abschließen möchte, muss selbst aktiv werden, von alleine passiert nichts. Das Opt-Out-Modell hat dagegen den Vorteil, dass es auch ohne Zwang zu hohen Teilnahmequoten in den Betrieben führt.

Nachdem man in Deutschland nun mehr als zehn Jahre vergeblich darauf gewartet hat, dass sich die Entgeltumwandlung auf freiwilliger Basis durchsetzt, ist die Zeit für eine gesetzliche betriebliche Vorsorgepflicht nach dem Vorbild Großbritanniens gekommen. Die automatische Entgeltumwandlung mit Ausstiegsmöglichkeit und voller Beitragsflexibilität für den Arbeitnehmer sollte in jedem Arbeitsvertrag verankert sein, damit künftig auch die vielen Beschäftigten in kleinen und mittleren Unternehmen von den Vorteilen der betrieblichen Vorsorge profitieren können.

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Klaus Mössle

Leiter Institutionelles Geschäft
Fidelity Worldwide Investment

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