Braucht es ein Gesetz zum Home Office?

Arbeitsrecht

In den Niederlanden haben Arbeitnehmer ab Juli ein Anrecht auf Heimarbeit. Eine solche gesetzliche Regelung ist in Europa ein Novum. Auch in Deutschland ist der Wunsch nach Flexibilität groß, die Akzeptanz des Home Office allerdings wesentlich geringer als im Nachbarland. Kann ein Gesetz der Entwicklung hierzulande neuen Schwung geben?

Nein, sagt Elke Frank. Sie ist Senior Director Human Resources bei Microsoft Deutschland. Für sie lässt sich der notwendige Kulturwandel in den Unternehmen nicht per Rechtsanspruch durchsetzen.

Ja, sagt Guido Bosbach. Er ist Berater, Mentor und Coach. Für ihn brauchen wir ein Gesetz für Vertrauen, Fairness, Kommunikation und mehr Reife in Unternehmen.

Ein Gesetz wäre Anlass für eine aktive Nutzung geeigneter Technologien, Transparenz sowie für ein funktionierendes Bindungs- und Wissensmanagement, meint Guido Bosbach.

Die Niederländer sind ein sehr offenes und tolerantes Volk. Die Breitbandinfrastruktur ist gut und Home Office ein sehr beliebtes Konzept. Vor diesem Hintergrund haben sie nun per Gesetz eine Beweislastumkehr in punkto Vertrauen in die Arbeitnehmer auf den Weg gebracht. Mit dem Home-Office-Gesetz ist es ab Juli nicht mehr der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber überzeugen muss, dass er außerhalb des Büros konzentriert und qualitativ hochwertig die vereinbarte Leistung erbringen kann, sondern der Arbeitgeber muss nachweisen, warum ein Arbeiten im Home Office nicht möglich ist. Wobei klar ist, dass nicht jede Tätigkeit dafür geeignet ist. Aber so ist es auch in den Niederlanden nicht gedacht.

Ein Element unserer bisherigen Arbeitskultur ist, dass wir „zur Arbeit gehen“ – an den Ort, an dem die notwendige Infrastruktur ist. Heute ist diese in vielen Bereichen tragbar geworden oder steckt als Kompetenz und Erfahrung ohnehin in uns. Die freie Wahl von Arbeitsort und -zeit ist theoretisch leichter denn je. Außerdem bringt die Arbeit außerhalb des Büros Vorteile für alle, inklusive Umwelt und Gesellschaft.

Dennoch tun wir uns mit diesem Thema schwer. Vielleicht weil wir erkannt haben, dass es nicht nur um die Technologie geht. Die ist erschwinglich, wenn nicht sowieso vorhanden. Es geht um eine gute Vorbereitung, unsere Glaubenssätze und vor allem geht es um Vertrauen.

Der oftmals eintretende Nebeneffekt, dass Mitarbeiter selbstbewusster, flexibler und organisierter werden, macht nicht nur die Organisation erfolgreicher, sie macht Führungskräften gleichzeitig Angst. Diese Angst muss überwunden werden. Doch damit nicht genug: Gefordert ist – und hier wäre ein Gesetz zwar eigentlich fehl am Platz, aber dennoch enorm hilfreich – der aktive Kampf gegen Misstrauen und Neid, auch innerhalb der Belegschaft. Ein Home-Office-Gesetz wäre damit ein Gesetz für Fairness, Raum und Gelegenheit zum persönlichen Austausch sowie für gute Kommunikation zwischen den Mitarbeitern. Es wäre Anlass für eine aktive Nutzung geeigneter Technologien, Transparenz sowie für ein funktionierendes Bindungs- und Wissensmanagement. Viele dieser Aspekte werden auch im Kontext von Arbeiten 4.0 immer wieder genannt.

Wer wären die Leidtragenden? Die Liste ist kurz, vor allem wären es wohl Führungskräfte, die unklare und überfordernde Aufgabenstellungen durch „management by walking around“ ausgleichen und Mitarbeiter, die die Bürogemeinschaft als sozialen Ankerpunkt brauchen.

Aber eine weitere Frage stellt sich: Wie bereit und reif sind wir alle für diese Herausforderung? Für eine Reife, die uns auch gesellschaftlich gut tun würde. Gerade um diese Reife zu fördern, wünsche ich uns allen einen Vorstoß in Richtung einer Gesetzesinitiative. Diese hätte das Potenzial die Diskussion zu Home Office, Arbeiten 4.0 und damit zu Vertrauen und Verbundenheit in Gang zu bringen.

Ob wir am Ende tatsächlich ein Gesetz brauchen? Ich hoffe wir verstehen zuvor, welche Vorteile es hat, einander mehr zu vertrauen.

Ja, sagt Guido Bosbach. Er ist Berater, Mentor und Coach. Für ihn brauchen wir ein Gesetz für Vertrauen, Fairness, Kommunikation und mehr Reife in Unternehmen.

Nein, sagt Elke Frank. Sie ist Senior Director Human Resources bei Microsoft Deutschland. Für sie lässt sich der notwendige Kulturwandel in den Unternehmen nicht per Rechtsanspruch durchsetzen.

Das Gesetz käme einer Überregulierung in diesem Bereich gleich und würde die Entwicklung hin zu mehr Flexibilität und Mobilität nur verhindern und nicht fördern, meint Elke Frank.

Wenn flexibles Arbeiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen zum Erfolg werden soll, muss es auf drei Säulen basieren: Kultur, Ort und Technologie. Es genügt also nicht, jedem Mitarbeiter ein Smartphone oder Laptop zur Verfügung zu stellen und per Gesetz einen modernen Arbeitsplatz im Home Office zu ermöglichen. Positive Effekte lassen sich nur erzielen, wenn gleichzeitig ein echter Kulturwandel in den Unternehmen stattfindet – hin zu einer auf Vertrauen basierenden und von Offenheit, Kollaboration und Ergebnisverantwortung geprägten Unternehmens- und Führungskultur.

Neben einem gestärkten Vertrauensverhältnis gehören dazu auch neue Kommunikationsstrukturen, neue Bewertungssysteme sowie klare Leitplanken für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nur das Zusammenspiel der drei Faktoren Kultur, Ort und Technologie versetzt uns in die Lage, die Arbeit neu zu erfinden.

Bei Microsoft gehören flexible Arbeitsmodelle – und damit auch das Home Office – längst zum Alltag. Auf Basis von Betriebsvereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit und zum Vertrauensarbeitsort können unsere Mitarbeiter ihren Arbeitstag individuell gestalten und frei entscheiden, zu welcher Uhrzeit und an welchem Ort sie arbeiten möchten. Wir ermöglichen unseren Mitarbeitern diese persönliche Freiheit nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen – denn sie hat Vorteile für beide Seiten.

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass flexible Arbeitsmodelle nicht nur die Mitarbeiter durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben unterstützen, sondern auch die Unternehmen selbst davon profitieren. So sind nach einer Studie des „Economist“ Unternehmen mit flexiblen Arbeitsformen bis zu dreimal profitabler als ihre Wettbewerber. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat festgestellt, dass Unternehmen, die auf zeit- und ortsunabhängige Arbeitsmodelle setzen, elf bis 14 Prozent mehr neue oder verbesserte Produkte auf den Markt bringen als Unternehmen mit starren Regelungen.

Unternehmen sollten also im eigenen Sinne umdenken: Weg von klassischen Arbeitsstrukturen mit festen Arbeitsplätzen und starren Arbeitszeiten, hin zu mehr Flexibilität und neuen Formen der vernetzten, orts- und zeitunabhängigen Zusammenarbeit. Dieser Wandel lässt sich aber nicht über einen Rechtsanspruch in den Köpfen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vollziehen.

Für das deutsche Arbeitsrecht ist das Home Office zudem keine Unbekannte – die rechtlichen Grundlagen dafür sind bereits vorhanden. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber müssen entsprechende Rahmenbedingungen einhalten. Jedes weitere Gesetz käme einer Überregulierung in diesem Bereich gleich und würde die Entwicklung hin zu mehr Flexibilität und Mobilität nur verhindern und nicht fördern.

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Guido Bosbach, Foto: Privat

Guido Bosbach

Gründer
ZUKUNFTheute
Guido Bosbach ist Gründer der Beratung ZUKUNFTheute sowie Experte für neue, effektive und zukunftsgerichtete Arten der (Zusammen-)Arbeit. Er gestaltet organisationsindividuelle Entwicklungsprojekte. Bosbach ist Lehrbeauftragterfür lösungsorientierte Führung und Unternehmenskultur an der Hochschule Fresenius sowie Herausgeber und Mitautor des Buches „ArbeitsVisionen2025“.

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