Das Tor zum Wissen

Personalmanagement

Ein deutscher Manager spielt nicht. Oder etwa doch? Speziell entwickelte Computer- und Simulationsspiele für die Weiterbildung, sogenannte Serious Games, sind eine sinnvolle Alternative zu klassischen Schulungen. Und ein Schritt in Richtung „Gamification“ ganzer Unternehmensbereiche.

Bobbycars können eine ernste Sache sein. Die knallroten Kinderautos sollen bald für Weiterbildungen eingesetzt werden. Und zwar nicht in natura, sondern als virtuelle Produkte in einem computerbasierten Simulationsspiel. Roland Böttcher, Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Bochum und Geschäftsführer von Bugasi Labs, einem Entwickler von sogenannten „Serious Games“, plant mit dem seit Jahrzehnten beliebten Kinderspielzeug Zerstreuung in die Schulungsmethoden internationaler Unternehmen zu bringen. Die Schulungsteilnehmer sollen als Bobbycar-Produzenten Teambildung und Abläufe in der realen Produktion erlernen. Sie können mit der Simulations-Neuentwicklung Prozesse des Einkaufs selbst steuern oder beispielsweise Mechanismen der Preissetzung anhand eines Ausschreibungsportals für Bauteile des Kinderautos testen.

Auf die Nintendo-Generation eingehen

Natürlich könnten die Unternehmen ihre Mitarbeiter zu Einkauf oder Preissetzung mit üblichen Vorträgen und Powerpoint-Präsentationen schulen, Böttcher weiß das. Aber er sieht auch, dass klassische Methoden in vielen Bereichen keine guten Lernergebnisse erzielen. „Heute haben wir es mit der Nintendo-Generation zu tun, die mit digitalen Spielen groß geworden sind, auf sie müssen wir eingehen“, so Böttcher. Lernen durch Aktionen, durch Experimente und durch die direkte Umsetzung verspricht die größten Erfolge. „Wenn den Schulungsteilnehmern Schweißperlen auf der Stirn stehen, dann sind sie emotional wirklich beim Thema, dann haben wir sie“, erklärt Böttcher.

Klar ist: Weiterbildungen, beispielsweise in der Steuergesetzgebung, erfordern keine spielerischen Elemente, vielmehr müssen die Details klar vermittelt und auswendig gelernt werden. Aber erwünschte Verhaltensänderungen in Unternehmen lassen sich am besten spielerisch in Simulationen aufzeigen – Präsentationen sind bei Change Management-Themen eher fehl am Platz. Computerbasierte Simulationsspiele, die in Schulungen eingebaut sind, können von Anfang an eine positive Atmosphäre erschaffen und Engagement erzeugen statt passives Konsumieren zu fördern.

Trotzdem wagen sich noch nicht allzu viele Unternehmen in die Welt der „Serious Games“. „Hierzulande gilt bei Weiterbildungsmanagern häufig noch die Einstellung, dass ein deutscher Manager nicht spielt“, meint Böttcher, „die Personalabteilungen sind selten experimentierfreudig.“ Hinzu kommt, dass Personalentwicklung und Weiterbildungsmanagement kaum „Serious Games“ von der Stange kaufen können. Simulationsspiele sind in der Regel speziell an bestimmte Aufgabenstellungen angepasst und werden daher meistens direkt von Fachbereichen beauftragt. Gaming dient meistens als Mittel, um knifflige Situationen in bestimmten Bereichen zu lösen und Teambildung anzustoßen.

Albrecht Kresse, Trainer und Geschäftsführer des Trainingsdienstleisters Edutrainment, sieht die Zeit für spielbasiertes Lernen gekommen. In seinem neuen Buch „Edutrainment. Besser, schneller, einfacher lernen im Unternehmen“ beschreibt er, dass immer mehr Menschen, die sich nicht für „Ballerspiele“ interessieren oder diese sogar ablehnen, offen für „intelligentere“ Computerspiele seien. „Was den Lernenden einbindet, fesselt und ihn lernen lässt, ist das Interaktive, der attraktive Kontext, die Herausforderung, die es zu lösen gilt, und nicht zuletzt die Story.“ Der Unterhaltungsaspekt sei bei Lernspielen nicht das oberste Ziel. Vielmehr gehe es darum, innerhalb einer „sicheren Lernumgebung“ auf Entdeckungstour zu gehen, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen – und anschließend auf Neustart zu drücken, wenn etwas schiefgegangen sei. Warum nicht ein App-Game zum Thema Führung entwickeln?, meint Kresse. So könnten sich Realität und Simulation annähern.

Das Erlebnis steht im Vordergrund

Bei Markus Demuth, Service Manager der BASF Business Services und verantwortlich für interne Schulungen des IT-Tochterunternehmens, löst der spielerische Ansatz Begeisterung aus. Seit 2011 setzt Demuth auf eine Methode, die eine Simulation mit einem computergestützten Spiel verbindet, um den IT-Spezialisten das Regel- und Definitionswerk „IT Infrastructure Library“ näherzubringen. Es werden nicht etwa von Anfang an die Prozessschritte per Präsentation eingepaukt, sondern zunächst einmal steht das „Erlebnis“ im Vordergrund.

Das Simulationsspiel „Fort Fantastic“ entführt die Schulungsteilnehmer als Manager in einen Freizeitpark. Drei Teams müssen möglichst schnell dort auftretende Probleme beispielsweise mit den Bremsen der Achterbahn oder dem ausgehenden Mehl am Pizzastand in den Griff bekommen – und zwar, indem sie miteinander die Störungen finden und Lösungen erarbeiten. „Die Teilnehmer müssen die eingehenden Meldungen möglichst schnell durch den Trainingsraum zu den Kollegen vom technischen Support und Business Operations tragen, denn es gibt nur einen Computer im Raum, auf dem die Störmeldungen eingehen und der als Taktgeber dient“, erklärt Demuth.

Die Ereignisse im Freizeitpark sind analog zu den spezifischen IT-Prozessen beim Chemiekonzern BASF aufgebaut. „Wir fragen die Teilnehmer während der Simulation, ob sie die Prozesse wiedererkennen.“ Die Teams müssen dann anhand bestimmter Prozessschritte, die sie selbst erarbeiten, überlegen, ob es zum Beispiel sinnvoll ist, schnell einen Praktikanten zum Mehl einkaufen zu schicken oder einen zentralen Einkauf für Mehl zu organisieren. Natürlich alles nur im Spiel. In einem zweiten Teil der Schulung entwerfen die Teilnehmer schließlich die vier „Itil“-Prozessschritte selbst und erläutern diese untereinander. „Wir bieten seit kurzem einen freiwilligen Test zum Abschluss an“, so Demuth, „er zeigt, dass die Kollegen die neuen Inhalte mit dieser Methode sehr gut verstehen und anwenden können.“ Nach einer Umfrage der Personalabteilung des Unternehmens wird die Weiterbildung in Spielform als überdurchschnittlich gut bewertet. „Diese Art der Wissensvermittlung ist genial“, sagt Demuth. „Die Kollegen erwarten zuerst eine Schulung wie jede andere, aber dann stellen sie fest, dass diese Weiterbildung ganz ohne Frontbeschallung funktioniert.“

Mit großem Aufwand verbunden

Der Mobilfunkkonzern Vodafone setzt in Deutschland schon seit sechs Jahren auf spielerisches Lernen mit Hilfe des Computers. Der Vertrieb hatte bereits 2008 auf diese Form der Wissensvermittlung vertraut und von Anfang an eng mit der Personalabteilung zusammengearbeitet. „Die Grundidee für ein Computerspiel kam von den Kollegen aus dem Vertrieb“, erinnert sich Alexander Krause, Learning Manager im Bereich Personalentwicklung von Vodafone, „aber alle weiteren Schritte haben wir gemeinsam entwickelt.“ Heraus kam als erster Schritt der „Vodafone Code“, eine spielbasierte Trainingsplattform zur Schulung des Geschäftskunden-Vertriebs, die unter anderem die Comenius-EduMedia-Auszeichung der Gesellschaft für Pädagogik und Information erhalten hat. „Unser Ziel war es, neuen Mitarbeitern den Einstieg ins Unternehmen zu erleichtern und ihnen die Anspannung beim Antritt ihres neuen Jobs zu nehmen“, erklärt Krause.

In dem Trainingsspiel konnte sich der neue Mitarbeiter einen Avatar auswählen, gestalten und dann als Kundenberater in unterschiedlichen Gesprächssituationen Produkte des Kommunikationsunternehmens nahebringen. Da das Spiel aufgrund neuer Leistungen und Produkte aber immer aktuell gehalten werden musste und dies mit einem großen Aufwand verbunden war, wird der „Vodafone Code“ heute nicht mehr eingesetzt.

„Das Spiel nicht mehr zu verwenden, heißt aber nicht, dass wir uns von dem Gedanken des spielerischen Lernens verabschiedet haben“, so Krause. Heute gilt es, das Lernen stärker in die Arbeitsabläufe zu integrieren und spielerische Elemente in digitalen Modulen einzusetzen. „Gamification“ ist dabei das Stichwort – die neue Mitarbeiter-Generation will zeitgemäß angesprochen werden. Der Vertrieb von Vodafone mit 4.000 Mitarbeitern in Deutschland testet derzeit in einer Beta-Version die neue Plattform „XPLAIN“ für Computer und Tablet-PCs. Sie soll als Lern- und Wissensportal für jeden Vertriebler tiefes Wissen über verschiedene Produkte, Soft Skills und Arbeitsmotivationsempfehlungen in Form von digitalen Karteikarten zugänglich machen, aber auch den Spielgedanken bedienen.

Das Ganze ist kein aufwändiges digitales Spiel, sondern vielmehr ein schlankes, leicht zu erweiterndes und modern aufgemachtes Nachschlagewerk mit eingebautem Wettbewerb. „Wettbewerbs-
elemente können im Vertrieb ein Motivationselement sein. Dies ist ein mögliches Beispiel für Lernmotivation“, weiß Krause. Über Quizfragen auf den einzelnen Karteikarten treten die Mitarbeiter in einen freiwilligen Wissenswettbewerb untereinander. Sie können wie in Unterhaltungsspielen verschiedene Level erreichen und digitale Trophäen für die virtuelle Bürovitrine sammeln. Verschiedene Lern- und Spielertypen sind in dieser Mischung aus digitaler Enzyklopädie und Quizshow-Format berücksichtigt. Gleichzeitig ist die Plattform an den modernen Sehgewohnheiten der Internetnutzer orientiert: „Wir wissen, dass Menschen sich gerne freiwillig Wissen aneignen, wenn es interessant dargebracht wird“, so Krause.

Der IT-Branchenverband Bitkom hat Vodafone für die neue Form des spielerischen Lernens in diesem Jahr mit dem „d-elina Award“ ausgezeichnet. „Jeder Mensch trägt den Spielgedanken in sich“, erläutert Krause, „wir machen uns zunutze, dass Spielen das Tor zum Wissen ist.“ In vielen Konzernen ist diese Erkenntnis noch nicht gereift. Zahlreiche E-Learning-Angebote zu unterschiedlichsten Themen nutzen zwar die Digitalisierung, aber nicht den Spieltrieb des Menschen. Auch Lernexperte Krause ist sich sicher: Um die Effektivität von Lernspielen und spielerischen Elementen des Arbeitsalltags auszuschöpfen, braucht es eine eigene Lernkultur in den Unternehmen.

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Petra Schäfer

Online Redaktioni

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