Der Mindestlohn trifft alle

Arbeitsrecht

Am 3. Juli 2014 hat der Bundestag den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn beschlossen. Nach Zustimmung des Bundesrates wird es ab
1. Januar 2015 grundsätzlich heißen: Jede Arbeitsstunde kostet mindestens 8,50 Euro. Was viele nicht wissen: Das Mindestlohngesetz birgt erhebliche Risiken – auch und gerade für Unternehmen, die mehr als 8,50 Euro pro Arbeitsstunde bezahlen.

So können viele Vergütungsbestandteile bei der Frage, ob der Mindestlohn gezahlt wird, nicht berücksichtigt werden. Dies kann für Unternehmen gefährlich sein, die zwar insgesamt 8,50 Euro oder mehr bezahlen, bei denen der Mindestlohn aber unterschritten wird, wenn man nur auf das Fixgehalt abstellt. Nicht berücksichtigungsfähig sollen nach dem Willen des Gesetzgebers etwa Wechselschichtzulagen, Schmutzzulagen, Überstundenzuschläge, Nachtschichtzuschläge, Sonn- und Feiertagszuschläge, Gefahrenzulagen, Akkordprämien oder Qualitätsprämien sein. Auch vermögenswirksame Leistungen wird der Arbeitgeber nicht berücksichtigen dürfen. Problematisch können zum Beispiel auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie leistungsunabhängige Boni und Provisionen sein.

Bei der Frage der Anrechenbarkeit von solchen Vergütungsbestandteilen ist im konkreten Fall zu entscheiden, welcher Zweck mit der Leistung verfolgt wird. Soll mit einem Vergütungsbestandteil allein die Arbeitsleistung im engeren Sinne vergütet werden, ist er auf den Mindestlohn anrechenbar. In vielen Einzelfällen ist eine rechtssichere Bewertung allerdings jedenfalls so lange kaum möglich, bis die Rechtsprechung für Klärung sorgt. Dies kann dauern und für Unternehmen spätestens dann zum Problem werden, wenn die Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund ansteht. Auch Klagen von einzelnen Arbeitnehmern sind noch nach Jahren möglich, da das Mindestlohngesetz sogar vertragliche Ausschlussfristen einschränkt.

Wo möglich und sinnvoll, sollten gefährdete Unternehmen daher versuchen, so viele Gehaltsbestandteile wie möglich in Fixvergütung umzuwandeln. Außerdem sollten Leistungen, die nicht zum Fixgehalt gehören, immer mit einer Zweckbestimmung verbunden werden, damit sie auf jeden Fall auf den Mindestlohn anrechenbar sind. Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen sind hierauf genau zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Das Mindestlohngesetz enthält aber noch einen weiteren “Kracher”: Künftig haften alle Unternehmen für ihre Werk- und Dienstleister, wenn diese den Mindestlohn nicht bezahlen oder pleite gehen. Mehr noch: Die Haftung erstreckt sich sogar auf Subunternehmer solcher Werk- und Dienstleister. Bedient sich ein Unternehmen beispielsweise einer Gebäudereinigungsfirma und zahlt diese nicht den Mindestlohn an ihre Mitarbeiter, können die Mitarbeiter vom beauftragenden Unternehmen den Mindestlohn verlangen, soweit sie für es tätig wurden. Auch für die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung kann das beauftragende Unternehmen haften. Wird die Gebäudereinigungsfirma insolvent, haftet das beauftragende Unternehmen wie ein Bürge für ausstehende Mindestlöhne, soweit die Mitarbeiter für das beauftragende Unternehmen tätig wurden. Verhindern lässt sich eine Haftung nur, indem sich das beauftragende Unternehmen nachweisen lässt, dass die Gebäudereinigungsfirma den Mindestlohn bezahlt und entsprechende Sozialversicherungsbeträge abführt. Generell sollten Werk- und Dienstleister künftig noch sorgfältiger ausgewählt werden.

Der Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer. Ausgenommen sind nur Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung, Auszubildende, ehrenamtlich Tätige und Langzeitarbeitslose. Auch Praktikanten müssen den Mindestlohn erhalten. Dies gilt allerdings nicht, wenn ein Pflichtpraktikum im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums absolviert wird. Auch Praktika zur Berufsorientierung sind bis zu drei Monate möglich, ohne dass der Mindestlohn gezahlt werden muss.

Für Branchen, in denen bereits Mindestlöhne aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge bestehen, bleiben diese Mindestlöhne bis zum 31. Dezember 2016 auch dann anwendbar, wenn sie unter 8,50 Euro liegen. Ansonsten gilt: Wo ein anwendbarer Tarifvertrag einen Mindestlohn von über 8,50 Euro vorsieht, gilt der tarifliche Mindestlohn.

Schon jetzt ist allerdings zu befürchten: Der Mindestlohn wird das Lohngefüge in Deutschland insgesamt erhöhen. So mancher Arbeitgeber kann sich darauf einstellen, dass künftig auch Mitarbeiter, die vom Mindestlohn eigentlich nicht profitieren, ebenfalls mehr Lohn verlangen werden, um den bisherigen Abstand zu den untersten Einkommensgruppen wieder herzustellen.

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Hund, Daniel, Foto: Privat

Daniel Hund

BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Daniel Hund ist Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt in München.

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