Die Identitätskrise der mittleren Führungsebene

Leadership

Die Rolle der mittleren Führungsebene hat sich in den letzten zehn Jahren drastisch geändert. Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass der Unternehmenserfolg bei einer schwachen mittleren Führungsebene abnimmt. Dies zeigt, wie wichtig die Manager der mittleren Führungsebene sind. Doch wie sieht ihre Rolle in der heutigen Geschäftswelt aus? Wie definiert die mittlere Führungsebene ihre Identität in einer Welt des stetigen Wandels?

In der obersten Führungsebene herrschen Unsicherheit, Verwirrung und sehr oft Frustration in Hinblick auf die Effektivität der mittleren Führungsebene. Viele leitende Führungskräfte sind mit ihrer mittleren Führungsebene nicht zufrieden und fragen sich, welchen Beitrag diese zum Unternehmenserfolg leistet. Diese Ambiguität führt dazu, dass viele Manager der mittleren Führungsebene sich ihrer Rolle selbst nicht sicher sind und nicht wissen, was von ihnen erwartet wird.

Ursprünglich wurden Manager der mittleren Führungsebene aufgrund ihres Fachwissens oder ihres Verständnisses für bestimmte Geschäftsbereiche eingestellt. Als Schnittstelle zwischen Strategie und operationaler Umsetzung hängt ihre Arbeit fast vollständig von ihrer sozialen Kompetenz und ihren Führungsqualitäten ab. Sie führen kundenorientierte Mitarbeiter und geben Weisungen und Entscheidungen der Führungsebene an ihre direkten Teams weiter. Ihr Erfolg zeigt sich in den gesamten Ergebnissen ihrer Teammitglieder und nicht anhand ihrer eigenen Beiträge.

Jedoch verändert sich die Arbeitswelt, in der Manager heute tätig sind, stetig, und sie verfügen über eine eingeschränkte Entscheidungsgewalt und noch weniger Kontrolle. Manager berichten von einer Vergrößerung ihrer Aufgabenbereiche und einer höheren Abhängigkeit von anderen, um ihren Job zu erledigen. Zudem weisen sie 50 Prozent mehr direkt unterstellte Mitarbeiter auf als noch vor fünf Jahren, und sie verfügen über 15 Prozent weniger Zeit, sich jedem Einzelnen von ihnen zu widmen. Dies bedeutet für Manager auf der mittleren Führungsebene, dass sie nicht unmittelbar am Arbeitsprozess ihrer Mitarbeiter beteiligt sind, wodurch es schwieriger ist, ihnen Feedback zu geben.

Dieser Trend könnte erklären, warum in Deutschland die Bereiche Führungsqualitäten und Personalmanagement den stärksten Rückgang bei der Mitarbeiterzufriedenheit in den letzten zwölf Monaten verzeichnen. Derzeit gehen nur 16 Prozent der Arbeitskräfte in ihrem Engagement über ihre grundsätzlichen Pflichten hinaus und nehmen neben ihren aktuellen Pflichten noch zusätzliche Aufgaben wahr.

Der neue Auftrag für Manager auf mittlerer Führungsebene: Führungskraft des Wandels

Auch in einer Welt der globalen Zusammenarbeit sind die Manager auf der mittleren Führungsebene doch die Linse, durch die die Mitarbeiter ihre Beziehung mit ihrem Unternehmen sehen. Aus der Perspektive des Talentmanagements sind die Manager auf der mittleren Führungsebene entscheidend bei der Förderung der Leistung und des Engagements der Arbeitskräfte. Besonders bei betrieblichen Veränderungen, die immer häufiger auftreten, ist dies entscheidend.

In einem typischen Unternehmen gab es in den vergangenen drei Jahren fünf unternehmensweite Veränderungsinitiativen. Zu den Beispielen unternehmensweiter Veränderungen bei deutschen Unternehmen gehören die betriebliche Umstrukturierung, Wechsel auf der Führungsebene, kulturelle Veränderungen sowie Fusionen und Übernahmen. Jedoch konnten bei nur einem von drei Veränderungsprozessen die vorgegebenen Ziele tatsächlich erreicht werden; alle anderen Prozesse schlugen fehl.

Bei der Suche nach den Ursachen der Fehlschläge spielen die Manager auf der mittleren Führungsebene eine wichtige Rolle. Wenn Manager auf der mittleren Führungsebene nicht an die Veränderung glauben, diese nicht richtig umsetzen oder sogar aktiv gegen diese arbeiten, wird die Initiative fehlschlagen, und das Talentmanagement wird darunter leiden. Mit anderen Worten: Die Antwort auf die Frage „Wo beiben gute Veränderungsvorschläge stecken?“ lautet: „Auf der mittleren Führungsebene.“

In den letzten drei Jahren haben Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitskräften jeweils 90 Millionen Euro an Produktivitätsaufwendungen aufgrund von fehlgeschlagenen Veränderungsprozessen vergeudet.

Da 73 Prozent der Unternehmen davon ausgehen, dass die Anzahl an Veränderungsinitiativen zunehmen wird, sind solche Verluste nicht tragbar.

Größerer Einfluss durch Zusammenarbeit und Veränderungsbereitschaft

Wenn Manager der mittleren Führungsebene im Veränderungsprozess erfolgreich sein wollen, müssen sie sich auf die Entwicklung ihrer Mitarbeiter konzentrieren und eine Kultur der Zusammenarbeit ermöglichen.

Hierfür müssen Führungskräfte es ihren Mitarbeitern erleichtern, ihre Aufgaben zu erledigen, anstatt sie dabei anzuleiten, wie sie diese angehen sollen. Ziel muss es sein, Mitarbeitern nicht zu erklären, was sie wie machen müssen, sondern ihnen Zugang zu Kontakten, zu Unterstützung und zu anderen Initiativen innerhalb des Unternehmens zu bieten, um sie bei der Umsetzung ihrer Aufgaben zu unterstützen.

Es ist jedoch sehr schwierig, in einem formalen Rahmen Zusammenarbeit und den Umgang mit Veränderungen zu vermitteln. Um die Leistung in der heutigen Arbeitswelt zu verbessern, sollten HR-Führungskräfte mit den Managern auf der mittleren Führungsebene zusammenarbeiten und diese dazu ermutigen, vier Verhaltensweisen in ihren täglichen Interaktionen anzuwenden:

1. Unternehmensentscheidungen in Kontext setzen
Manager auf der mittleren Führungsebene müssen anerkennen, dass in der heutigen vernetzten Arbeitwelt die Arbeit von Natur aus komplex ist. Sie müssen ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, ein besseres Verständnis für ihre Rolle und die getroffenen Entscheidungen zu entwickeln. Darüber hinaus sollten sie diese dabei unterstützen, ein Verständnis für die Veränderungen zu entwickeln, anstatt Informationen lediglich zu filtern, um die Arbeit zu vereinfachen. Dementsprechend muss die Personalabteilung Managern auf der mittleren Führungsebene beibringen, Unternehmensentscheidungen stets in einen Zusammenhang zu setzen. So lässt sich durch die Unterstützung von Managern und Mitarbeitern mit Kundenkontakt im Umgang mit komplexen Aufgaben die Mitarbeiterperformance um bis zu 7 Prozent steigern.

2. Aufzeigen von Möglichkeiten, Einfluss über den individuellen Arbeitsbereich hinaus zu nehmen
Manager der mittleren Führungsebene müssen ihren Mitarbeitern Möglichkeiten aufzeigen, über ihren individuellen Arbeitsbereich hinaus zu Projekten beizutragen. Dies unterstreicht die Bedeutung der effektiven Arbeit der Mitarbeiter mit anderen, um ihre Arbeit zu erledigen, und kann die Mitarbeiterleistung um bis zu 10 Prozent steigern.

3. Beziehungen mit Kollegen und Stakeholdern fördern
Anstatt Mitarbeitern technische Kompetenzen beizubringen, müssen Manager der mittleren Führungsebene die Manager und Mitarbeiter mit Kundenkontakt dabei unterstützen, mit einer wachsenden Anzahl an komplexen Beziehungen umzugehen. So sollten sie beim Aufbau entscheidender Verbindungen im Unternehmen unterstützen und Mitarbeitern gezielt erläutern, wie sie diese zur Erledigung ihrer Aufgaben nutzen können. Dieser Ansatz fördert die Mitarbeiterleistung um bis zu 8 Prozent.

4. Bereitstellung von Feedback für zukünftige Kompetenzanforderungen
Manager der mittleren Führungsebene müssen regelmäßig über Leistungen sprechen und Feedback zu den Kompetenzen geben, die Mitarbeiter zukünftig benötigen. Die Bereitstellung von Feedback zu vergangenen Erfolgen im Kontext zu zukünftig notwendigen Kompetenzen fördert die Mitarbeiterleistung um 25 Prozent.

Eine neue Identität bietet neue Chancen

Die heutige Arbeitswelt zeichnet sich durch einen nahezu ständigen Wandel aus, in der Manager der mittleren Führungsebene eine Identitätskrise erleben. Sie sind das entscheidende Talentsegment, von dem Unternehmen abhängen, um unternehmensweite Veränderungsinitiativen erfolgreich voranzutreiben. Manager der mittleren Führungsebene müssen ihre Aufgabe als Führungskräfte des Wandels ausfüllen, indem sie entscheidende Verbindungen über Teams und Geschäftseinheiten hinweg schaffen und steuern, um Geschäftsziele zu erreichen. Indem Teams dabei unterstützt werden, ihre umfassenderen Ziele in ihrem Unternehmen kontinuierlich zu überprüfen und zu verstehen, können sie ihre Bemühungen am besten kanalisieren. Auch wenn sich die Zeit, in der vor allem gezieltes Fachwissen auf der mittleren Führungsebene von Bedeutung war, dem Ende zuneigt, so zeigen sich beste Zukunftsaussichten als Führungskraft des Wandels.

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Brian Kropp

André Fortange, Foto: MICHAEL B. REHDERS

André Fortange

Managing Director
CEB
André Fortange verantwortet als Managing Director das Gesamtgeschäft von CEB in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) sowie das EMEA HR-Consultinggeschäft. Vor seiner Tätigkeit bei CEB war er Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum sowie Senior Manager bei Accenture.

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