Drei Probleme der Personalauswahl

Recruiting

Wenn am Ende eines langwierigen und teuren Rekrutierungsprozesses die Neubesetzung nach nur kurzer Zeit wieder scheitert, liegt das mitunter an Fehlern im Prozess. Das muss nicht sein.

Woran erkennt man eine mangelhafte Personalauswahl? Zum Beispiel an Mitarbeitern, die nach kurzer Zeit das Unternehmen schon wieder verlassen. Fehlentscheidungen in der Personalauswahl kosten Unternehmen Zeit und Geld. Was sollten HR-Abteilungen ändern, um auch in Zukunft relevant zu sein und dem eigenen Unternehmen Mehrwert zu bieten?

Falsche Wahl, teure Entscheidung

In ihrem Buch „Die Auswahl“ schreibt die Headhunterin Brigitte Hermann über die Missstände in Personalauswahlprozessen deutscher Unternehmen. Laut Hermann werden mehr als ein Drittel aller Stellen in Deutschland falsch besetzt. Diese Aussage wird von der Studie „Quo vadis, Recruiting“ der Hay Group bestätigt: 63 Prozent der Personalmanager haben Probleme damit, den richtigen Kandidaten für die offene Stelle auszuwählen. Wie viele Personen besetzen Stellen, deren Aufgaben sie eigentlich nicht gewachsen sind? Wie viele Angestellte können sich nicht mit der Unternehmenskultur anfreunden? Fakt ist: Wenn das Matching nicht stimmt, wird es teuer.

So hat das Center for American Progress (CAP) schon 2012 herausgefunden, dass Unternehmen 20 Prozent des Jahresgehalts benötigen, um einen Mitarbeiter gleichwertig zu ersetzen. Verloren gehen Kosten für die Personalsuche und die Einarbeitungszeit des neuen Mitarbeiters, sowie Produktivität und Wissen.

Woran liegt’s?

Für die vielen Fehlbesetzungen lassen sich drei Gründe identifizieren: Erstens, mangelhaft bis ungenügend getextete Stellenanzeigen. Zweitens, unterqualifizierte Recruiter und drittens, fehlendes unternehmerisches Denken innerhalb der HR-Abteilungen.

1. Chef sucht Chefchen

Schon bei den Stellenanzeigen verpassen es die meisten Personaler sich von der „grauen Anzeigenmasse“ abzuheben: Viele Stellenbeschreibungen sind mit Standardformulierungen geschrieben, beinhalten Phrasen und monotone Unternehmensbeschreibungen – bei einer gleichzeitigen maximalen Erwartungshaltung an die Bewerber. Die Anforderungslisten sind dann meist eine Aufzählung aller möglichen Kompetenzen und Eigenschaften, die oftmals nur schwer zu erfüllen sind. Das liegt unter anderem daran, dass Führungskräfte Kandidaten mit ähnlich hoher Qualifikation suchen, wie sie selbst, getreu dem Motto: „Chef sucht Chefchen“. Solch eine Auswahl führt zu einer Monokultur im Unternehmen, bei der es an Kreativität, Vertrauen und Unterschiedlichkeit fehlt. Wer dagegen auf Mitarbeiter setzt, die sich mit der Unternehmenskultur identifizieren und vor allem auf die ausgeschriebene Stelle passen, kann den Mehrwert im Unternehmen steigern. Oder wie es Managementexperte Jim Collins sagt: „Es kommt nicht auf die Mitarbeiter an, sondern auf die richtigen Mitarbeiter“.

2. Qualifizierte Bewerber und unqualifizierte Recruiter

Und damit kommen wir zum nächsten Problem: Für viele Personalabteilungen gilt Recruiting noch als Einsteigerposition. Das hat zur Folge, dass oftmals menschlich und beruflich unerfahrene Recruiter über Qualifikationen von älteren Bewerbern entscheiden – und aufgrund ihrer Unerfahrenheit wichtige Schlüsselkriterien der Bewerber nicht erkennen. Das kann für die Organisationsentwicklung verheerende Folgen haben: Die Bewerber gehen zur Konkurrenz und das eigene Unternehmen unterliegt im „War of Talents“. Wenn Mitarbeiter tatsächlich als wertvollste Ressource im Unternehmen gesehen werden, dann sollten die als Gatekeeper funktionierenden Recruiter auch dementsprechend Erfahrung und persönliche Reife besitzen, um den Wert der Bewerber zu erkennen.

Manche Unternehmen setzen bei der Personalauswahl auf Algorithmen. Dieses Thema wird in Zukunft sicherlich noch stärker in den Fokus rücken. Zumal sich jetzt auch HR Startups damit beschäftigen. Hier finden Jobsuchende beispielsweise mithilfe von Matching-Algorithmen das zu ihren Motiven passende Unternehmen. Job-Tinder, sozusagen. Hier stellt sich allerdings auch die Frage, in wie weit Algorithmen zwischenmenschliche Skills erkennen. Für eine erste Vorauswahl sind die digitalen Tools aber sicherlich eine große Hilfe.

3. HR-Abteilung: Partner für das Management?

Ein weiterer Grund ist das fehlende unternehmerische Denken innerhalb der HR-Abteilungen. Personalauswahl und -Entwicklung ist stark mit der Organisationsentwicklung verbunden. Allerdings bleiben HR-Abteilungen oftmals in ihrer „Silo-Denke“ gefangen. Um langfristig erfolgreich zu sein, sollten HR-Abteilungen über den „Personaler-Tellerrand“ schauen und unternehmerischer denken, das große Ganze im Blick haben. Denn: intern sind HR-Abteilungen bestens vernetzt. Sie stellen in allen Fachbereichen Personal ein und entwickeln Fachkräfte und Teams weiter. Arbeiten sie eng mit dem Management zusammen, können sie agiler auf deren Ansprüche reagieren und haben einen besseren Gesamtüberblick über die Bedürfnisse der Organisation.

Fazit

Einen neuen Job antreten bedeutet, eine berufliche Partnerschaft einzugehen. Sowohl von Seiten des Mitarbeiters, als auch von Seiten des Unternehmens. Für Personaler bedeutet das: Mitarbeiter sind die Erfolgsquelle von Unternehmen und sollten daher so ausgewählt werden, dass sie zur Unternehmenskultur und den Anforderungen der Position passen. Unternehmen benötigen exakte Stellenbeschreibungen und erfahrene Recruiter, wenn sie sich Zeit für die Kandidatenauswahl sparen und sich nachhaltig junge Talente oder qualifizierte Fachkräfte sichern wollen – um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Stefan Lapenat, Foto: Johannes Meger

Stefan Lapenat

Geschäftsführer
motivation analytics – Institut für Motivationspotenziale
Stefan Lapenat, Geschäftsführer des „motivation analytics – Institut für Motivationspotenziale“, ist mit über 13 Jahren Erfahrung ein Urgestein im Bereich Motivdiagnostik.
Nele Kreyßig, Foto: Johannes Meger

Nele Kreyßig

Business Trainerin & Systemischer Management Coach
Nele Kreyßig ist als Business Trainerin & Systemischer Management Coach bundesweit mit ihren Kernthemen Ausbau von Motivation & Leistungsbereitschaft, Young Talent Management & Stressabbau- und Prävention für Nachwuchs- und Führungskräfte, HRabteilungen, Ausbilder und junge Talente im Einsatz.

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