Ein Blick in die Glaskugel

Personalmanagement

Wie lassen sich weniger gesundheitsbewusste Beschäftigte zu gesünderem Verhalten animieren? Und wie können die bereits gesundheitsbewussten Beschäftigten weiter gefördert werden? Diese Fragestellungen werden in der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) künftig im Mittelpunkt stehen. Wir wagen den Blick in die Glaskugel.

ERSTENS: BGF wird zielgruppenspezifischer

Betriebliche Gesundheitsförderung umfasst alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Beschäftigten und Gesellschaft zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz.

Zu beachten ist hierbei jedoch, dass man nicht alle Beschäftigten mit den gleichen Gesundheitsmaßnahmen erreichen kann. Denn sie haben unterschiedliche Bedürfnisse: Azubis der Logistik haben andere Gesundheitsprobleme als Teamleiter der Entwicklung. Managerinnen auf Reisen sind anders anzusprechen als Geringqualifizierte in Schichtarbeit.

Hinzu kommt, dass Belegschaften immer vielfältiger werden. Das Motto lautet also: Gießkannenprinzip ade! Bedarfsanalysen mittels Befragungen, Beobachtungsverfahren, Interviews oder Workshops helfen dabei, die richtigen Gesundheitsmaßnahmen für die unterschiedlichen Zielgruppen im Unternehmen zu finden. Sie werden weiter an Bedeutung gewinnen.

ZWEITENS: BGF wird interkultureller

Anknüpfend an den vorherigen Trend wird die BGF auch interkultureller. Die Globalisierung und die Zunahme der Migration werden die Bedürfnisse der Beschäftigten weiter verändern. Ob Sprachbarrieren, religiöse Prinzipien oder Unterschiede beim Gesundheitsverständnis – all das stellt die BGF-Verantwortlichen vor neue Herausforderungen und Fragen: Mit welchen Gesundheitsmaßnahmen können auch streng gläubige Muslime erreicht werden? Wie müssen Informationen formuliert werden, damit sich auch Fachkräfte aus Osteuropa angesprochen fühlen?

In diesem Kontext haben wir gute Erfahrungen mit der Ausbildung von Beschäftigten mit Migrationshintergrund zu sogenannten Gesundheitsbotschaftern gemacht. Dank ihrer Herkunft und Mehrsprachigkeit gelingt es ihnen Beschäftigte für die BGF begeistern, die wir kaum erreichen.

DRITTENS: BGF wird persönlicher

Der Sitz im Auto passt sich uns als Fahrer automatisch an, der Streaming-Dienst hat meist die passenden Serientipps für uns parat und sogar unser Müsli können wir uns mittlerweile selbst zusammenstellen. Kurzum: Wir sind es gewohnt, individuell angepasste Angebote zu erhalten. Ein Trend, der auch in der BGF zunehmen wird.

Bereits jetzt ist es möglich, Beschäftigten im Anschluss an eine Gesundheitsbefragung einen anonymisierten und dennoch persönlichen Gesundheitsbericht zukommen zu lassen. Darin berücksichtigt: Gesundheitsangebote des Arbeitgebers, die maßgeschneidert zum jeweiligen Beschäftigten passen. Getrieben wird der Trend zur personalisierten Gesundheitsförderung auch durch digitale Entwicklungen wie Gesundheits-Apps, Wearables und Gesundheits-Portale sowie durch das gestiegene Interesse am Self-Tracking (Selbstvermessung).

VIERTENS: BGF wird digitaler und spielerischer

Für uns steht außer Frage, dass digitale Gesundheitslösungen auch in der Arbeitswelt an Bedeutung gewinnen werden. Im vergangenen Jahr waren etwa 90 Prozent aller Deutschen im erwerbsfähigen Alter im Besitz eines Smartphones. Zudem werden laut Forschern im Jahr 2020 etwa 50 Prozent aller weltweiten Smartphone-Besitzer schon einmal eine Gesundheits-App ausprobiert haben. Ein Potenzial, das man als Arbeitgeber nutzen sollte.

Gesetzt den Fall Datenschutz und Datensicherheit sind gewährleistet, können auf diese Weise neue Zielgruppen erschlossen werden. Hierzu zählen vor allem die häufig vernachlässigten Außendienstler, technologieaffine Beschäftigte sowie Angestellte in kleinen Filialen. Durch den Bedeutungsgewinn digitaler Gesundheitslösungen wird die BGF automatisch spielerischer. Schrittzähleraktionen, persönliche Ranglisten oder Abteilungswettbewerbe haben bereits Einzug in die betriebliche Praxis erhalten.

FÜNFTENS: BGF wird aufsuchender

Ob die Laufgruppe nach Feierabend oder die subventionierte Mitgliedschaft im Fitnessstudio – externe BGF-Angebote wird es künftig weniger geben.

Der Trend geht in Richtung aufsuchende Gesundheitsförderung. Will heißen: Je näher Angebote an den Arbeitsplätzen stattfinden und je niedrigschwelliger und zeitsparender sie sind, desto eher werden sie auch von den weniger gesundheitsbewussten Beschäftigten wahrgenommen.
Und damit ist weit mehr als die klassische Bewegungspause am Arbeitsplatz gemeint. Selbst Ernährungsvorträge in Pausenräumen oder eine Einzelschlafberatung an den Arbeitsplätzen während der Nachtschicht sind möglich. Unsere wissenschaftlichen Evaluationsergebnisse bestätigen: Risikoexponierte Beschäftigte werden auf diese Weise eher erreicht.

SECHTENS: BGF wird sichtbarer

Je mehr aufsuchende Gesundheitsförderung, desto sichtbarer wird die BGF im Unternehmen. Auch unabhängig davon hat das Handlungsfeld der Gesundheitskommunikation in den vergangenen Jahren an Gewicht gewonnen.

Der klassische Aushang am Schwarzen Brett ist out. Es lebe das Guerilla-Marketing!

So ist es zwar noch nicht ganz, doch Gesundheitsverantwortliche öffnen sich mittlerweile auch für unkonventionelle Kommunikationswege. Vom Gesundheitstheater (Vermittlung von Gesundheitswissen durch Kurzschauspiel bei der Betriebsversammlung) bis hin zum Gesundheits-
Flashmob (überfallartige Aktivierungspause im Produktionsbereich) – die BGF wirbt immer kreativer für sich und wird dadurch auch sichtbarer.

SIEBTENS: BGF wird vermehrt „inhouse“ gelöst

Die Masse an Dienstleistern im Bereich der BGF sorgt bei vielen Unternehmensverantwortlichen für Orientierungslosigkeit. Vor diesem Hintergrund nimmt der Austausch unter BGF-Verantwortlichen verschiedener Unternehmen zu.

Viele denken aber auch darüber nach, ob sie künftig nicht vermehrt interne Ressourcen für die BGF nutzen können. Dieser Trend wird dadurch verstärkt, dass es inzwischen Inhouse-Formate gibt, die sich bewährt haben. Dazu zählen die Ausbildung interner Gesundheitslotsen oder Ergo-Scouts, die Beschäftigten Hilfestellung geben können. Auch die Trainingsbetreuung des firmeneigenen Fitnessstudios kann von internen Beschäftigten geleistet werden – eine Qualifizierung und fortlaufende Qualitätskontrolle vorausgesetzt.

Inhouse-Lösungen werden weiter zunehmen, und das nicht nur, weil sie ressourcenschonend sein können. Sie werden von den Beschäftigten häufig auch als wertschätzende Geste des Arbeitgebers wahrgenommen.

ACHTENS: BGF wird kennzahlenorientierter

Je mehr Budget in den Unternehmen für die BGF zur Verfügung gestellt wird, desto größer ist der Wunsch nach Erfolgsmessung. Die Geschäftsführung will schließlich wissen, was mit ihren Investitionen in die Gesundheit ihrer Beschäftigten passiert. Zwar erfassen laut einer Studie aus dem Jahr 2016 bereits 84 Prozent der Unternehmen gesundheitsbezogene Kennzahlen. Dabei handelt es sich aber meist nur um den Krankenstand oder Unfallzahlen.
In Zukunft wird der Wunsch nach einem umfassenderen Kennzahlensystem zunehmen. Vor allem weiche Kennzahlen aus Gesundheitsbefragungen oder aus der psychischen Gefährdungsbeurteilung werden wohl stärker in einem Gesundheitscockpit gebündelt und dort interpretiert werden. Auch der Präsentismus, der sich inzwischen über subjektive Methoden erheben lässt, wird künftig vermehrt als Kennzahl berücksichtigt werden.

Werden wir Recht behalten mit unserem Blick in die BGF-Glaskugel? Zumindest erkennen wir einige deutliche Entwicklungstendenzen. Unsere Zukunftsstudie „#whatsnext – Gesund arbeiten in der digitalen Arbeitswelt“, die derzeit ausgewertet wird, soll Mitte 2017 etwas Licht ins Dunkel bringen.

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Utz Niklas Walter, Foto: Markus Breig / KIT

Utz Niklas Walter

Wissenschaftlicher Leiter
Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung
Dr. Utz Niklas Walter ist Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG), das sich als Ausgründung von Wissenschaftlern der Universitäten Konstanz, München (TU) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf Zukunftsthemen in der BGF spezialisiert hat. Das IFBG setzt derzeit einige innovative Gesundheitsmaßnahmen mit Unternehmen und Behörden um und evaluiert diese wissenschaftlich (www.ifbg.eu).
Fabian Krapf, Foto: Privat

Fabian Krapf

Freiberuflicher Unternehmensberater
Fabian Krapf ist freiberuflicher Unternehmensberater im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung und dabei u. a. für das IFBG tätig. Schwerpunkte seiner Arbeit bilden die psychische Gefährdungsbeurteilung, die digitale BGF sowie das Thema Männergesundheit.

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